1. „In Stadthagen läuft nichts!“

    DRK-Tafeln sind auf Unterstützung der Verwaltungen angewiesen / Koordinatorin der DRK-Tafeln spart nicht mit Kritik

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    Sie sind im Sozialsystem nicht mehr wegzudenken und übernehmen durch ihr Handeln Verantwortung und erinnern laut eigenem Leitbild die Gesellschaft an ihre Verpflichtung gegenüber bedürftigen und ausgegrenzten Menschen. Die Rede ist von den Tafeln, in ganz Deutschland übrigens 969 an der Zahl. Jedes Jahr am Samstag vor dem Erntedank-Tag, ist der so genannte Tafel-Tag, der auf das Engagement der Tafeln in Deutschland aufmerksam macht. Grund genug einmal nachzufragen, wie es um die Tafeln in Schaumburg steht. Heidi Niemeyer ist die Koordinatoren der Tafeln in Schaumburg, zumindest von den vier Einrichtungen, die durch das DRK organisiert werden. Wie verteilen sich eigentlich die Tafel-Nutzer auf die vier Einrichtungen und wo erfahren diese am meisten Unterstützung seitens der jeweiligen Stadtverwaltungen? Das Schaumburger Wochenblatt hat dazu Thomas Hoffmann, Geschäftsführer des DRK Kreisverbands Schaumburg, gefragt. "Wir haben im gesamten Landkreis wöchentlich insgesamt 3.864 Menschen, die zur Tafel kommen, 908 davon sind Kinder. 1.412 Personen davon nutzen die Tafel in Stadthagen, 1.063 die Tafel in Rinteln, 823 in Bad Nenndorf und 566 Obernkirchen. Insgesamt gibt es in Schaumburg fast 1.400 Bedarfsgemeinschaften" beschreibt Hoffmann die derzeitige Situation. Damit seien die Einrichtungen quasi komplett ausgelastet, die Tafeln haben nach Aussage des Kreisgeschäftsführers ein Wartelisten-Stopp ausgesprochen. Darüber hinaus sei der Besuch über einmal die Woche nicht mehr möglich. Des weiteren stellt Hoffmann fest, dass der Anteil der Rentner und Familien mit vielen Kindern deutlich angestiegen ist. Diese Entwicklung sorge dafür, dass nicht alle Einrichtungen kostendeckend arbeiten können. Vor diesem Hintergrund ist das DRK mit seinen angeschlossenen Tafeln auf Unterstützung seitens der Kommunen angewiesen.

    Zeichen für solidarisches Zusammenleben
    Doch die Solidarität seitens der Stadtverwaltungen ist laut Heidi Niemeyer nicht an allen Standorten spürbar. Ausgerechnet dort, wo es am meisten drückt, vermisst Heidi Niemeyer das Engagement aus dem Rathaus. "Offensichtlich hat der Bürgermeister in Stadthagen kein Interesse an der Tafel. Hier gibt es keinen Anruf und keine Unterstützung", beschreibt die Tafel-Koordinatorin die Situation in der Kreisstadt. Es habe lediglich einen Besuch in der Vergangenheit gegeben, bei dem Bürgermeister Oliver Theiß sich auf den neuesten Stand habe bringen lassen. Danach gab es keinen weiteren Kontakt mehr, mehrere Anrufe blieben unbeantwortet. Dabei platze nach Angaben der Tafel-Koordinatorin die Lebensmittelausgabe in Stadthagen "aus allen Nähten", so Niemeyer weiter. Der Unmut bei dieser Situationsbeschreibung ist deutlich in ihrem Gesicht abzulesen. Ihr sei klar, dass Stadthagen durch die räumliche Nähe zu den Ämtern einen höheren Zulauf hat als die anderen Tafeln im Landkreis. Genau vor diesem Hintergrund versteht sie aber nicht, warum seitens der Verwaltung nicht besonders viel Engagement eingebracht werde. Dass es auch anders geht, beschreibt Heidi Niemeyer am Fall Rinteln. Bürgermeisterin Andrea Lange sei sehr an dem Vorankommen der Tafel interessiert. Mit Unterstützung der Bürgermeisterin wurde das Aldi-Zentrallager als Spender gewonnen, bei dem seitdem regelmäßig große Mengen an Lebensmitteln abgeholt werden können. Dies setze Engagement von allen Seiten voraus, das seitens der Verwaltung in Rinteln gut funktioniere. Auch die Nenndorfer Bürgermeisterin Matthias und Samtgemeindebürgermeister Schmidt organisieren viel, um Lebensmittelspenden für die Tafel vor Ort zu bekommen.

    Engagement über die Pflicht hinaus
    Das Ehrenamt bei den Tafeln stößt laut DRK Kreisverband nicht erst seit kurzem an seine Grenzen. Von daher begrüße man ausdrücklich die Aktionen der genannten Kommunen, die das ehrenamtliche Engagement erleichtern. Dabei müsse es nicht immer um finanzielle Unterstützung gehen. In diesem Zusammenhang beschreibt Thomas Hoffmann als Beispiel die Spendenaktion der Bad Nenndorfer Chöre, die für ihren Auftritt die Wandelhalle mietfrei zur Verfügung gestellt bekommen haben. Lediglich die Nebenkosten seien angefallen. In Bezug auf die kommunale Unterstützung unterschiedet Niemeyer dabei trennscharf zwischen den Leistungen, die eine Verwaltung zu erfüllen habe und den weichen Faktoren, die man im Köcher hat, um Hilfsorganisation zu unterstützen. "Bürgermeister haben nun mal ein sehr wertvolles Netzwerk und die Lobby, die uns als Tafel fehlt. Ich wünsche mir hier schon ein Engagement über den Pflichtteil hinaus", beschreibt Heidi Niemeyer ihre Erwartungshaltung. "Bürgermeister haben eine Multiplikatorrolle und sind dadurch in der Lage, Spenden zu organisieren und Türen zu öffnen".

    Unterstützung der Tafeln durch das Land Niedersachsen
    Das Sozialministerium des Landes Niedersachsen stellt seit 2010 dem Landesverband der Tafeln eine jährliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 8.000 Euro zur Verfügung. Die Förderung wurde ab 2022 auf 50.000 Euro aufgestockt. Darüber hinaus hat das Land Niedersachsen in 2022 Mittel in Höhe von 50.000 Euro bereitgestellt, mit denen die Tafeln in der Öffentlichkeit um ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werben können. Eine dementsprechende Kampagne des Landesverbands wurde im März 2023 gestartet. Für die Förderung des Aufbaus einer Logistikorganisation durch den Landesverband der Tafeln in Niedersachsen und Bremen e. V. stellt das Land Niedersachsen Fördermittel in Höhe von 1,958 Mio. Euro zur Verfügung. Mit der vorstehenden finanziellen Hilfe wird der Landesverband in die Lage versetzt, Großspenden besser annehmen, lagern und auf die einzelnen Tafeln verteilen zu können. Der Landesverband hat zwischenzeitlich die Pläne für die Umsetzung des Projektes weitestgehend konkretisiert. Mit Datum vom 15.03.2023 wurde auf Antrag des Landesverbandes ein vorzeitiger Vorhabenbeginn bewilligt.

    Was sagt die Politik dazu?
    Diese Unterstützungsmaßnahmen des Landes Niedersachsen hält auf Nachfrage Landtagsabgeordneter Jan-Phillip Beck für richtig und notwendig, insbesondere der Aufbau von Verteilzentren kann die Arbeit der Tafeln unterstützen und mit dazu beitragen, dass verwertbare Ware schnell und sicher an die Tafeln vor Ort gelangt. Neben den Maßnahmen des Landes Niedersachsen unterstützt der Landkreis Schaumburg laut Beck die hiesigen Tafeln regelmäßig mit Investitionskostenzuschüssen beispielsweise so geschehen in Stadthagen, wo eine neue Kühlzelle angeschafft wurde. Darüber hinaus ordnet Beck die Frage nach Engagement für die Tafel wie folgt ein: "Ich halte es für wichtig, dass die Kommunen vor Ort mit den Tafeln kooperieren und beispielsweise Kontakte zu Lebensmittelhändlern vermitteln bzw. die Akteure miteinander vernetzen." Grundsätzlich merkt Beck an, dass Tafeln wichtige Arbeit leisten und sie von allen staatlichen Ebenen unterstützt werden sollten. Vielen Menschen werde durch die Tafel in Notsituationen geholfen. Ursprüngliches Ziel der Tafel sei es allerdings nicht, eine der Grundversorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten. "In unserem Sozialstaat müsse grundsätzlich das Bürgergeld, die Sozialhilfe oder andere Transferleistungen so ausgestattet sein, dass diese Leistungen auch eine reguläre Finanzierung des Lebensunterhalts ermöglichen", resümierte Beck seine Einschätzung. Die steigende Nachfrage bei den Tafeln betrachtet der Landtagsabgeordnete daher "mit großer Sorge". Angesichts der Flüchtlingssituation und der schwierigen wirtschaftlichen Situation mit steigenden Energiepreisen und der Inflationsentwicklung regt Beck an, dass die staatlichen Regelungen stetig auf Angemessenheit überprüft werden müssen. Die Stadtpolitik in Stadthagen habe beispielsweise vor einiger Zeit das DRK als Träger der Stadthäger Tafel in den Sozialausschuss eingeladen, um Verwaltung und Tafeln miteinander besser zu vernetzen und um sich über die Arbeit der Tafel zu informieren. Auf Nachfrage hinsichtlich dieses Treffens bestätigte der Vorsitzende des Stadthäger Sozialausschusses Thomas Pawlik, es sei bei dem Ausschuss-Gespräch durch Thomas Hoffmann, Geschäftsführer des DRK Schaumburg, deutlich geäußert worden, dass die Erwartungshaltung seitens der Tafel eine andere sei. Während der Sitzung habe man jedoch in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Landkreises besprochen, in erster Linie besagte Investitionszuschüsse zu leisten.

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