"Heute hier, morgen dort" - das war für viele von uns das
Grundgefühl der vergangenen Sommerwochen. Manche waren im Urlaub
und haben Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Cafés, Strände, Berge
und Seen besucht. Andere haben sich zu Hause von Stunde zu Stunde,
von Tag zu Tag treiben lassen und nur das getan, was vor die Füße
fiel oder wozu sie gerade Lust hatten. Nun stehen bald die
Herbstferien an und bestimmt waren viele auch am letzten Wochenende
unterwegs.
Hannes Wader beschreibt in seinem Lied das Leben eines Reisenden:
"Heute hier, morgen dort, bin kaum da muss ich fort, hab mich
niemals deswegen beklagt; hab es selbst so gewählt, nie die Jahre
gezählt, nie nach gestern und morgen gefragt". Das Ich des Liedes
mag dieses unstete Wanderleben. Aber es kennt auch Zeiten des
Zweifels: "Manchmal träume ich schwer, und dann denk ich, es wär'
Zeit zu bleiben und nun was ganz anderes zu tun. So vergeht Jahr um
Jahr, und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts
bleibt, wie es war".
Der Wandel gehört zu unserem Leben. Das beschreibt das Lied sehr
treffend: Nichts bleibt, wie es war. Landschaften, Städte verändern
sich; Kulturen, Trends blühen auf und vergehen. Gerade der
technische Fortschritt der letzten 100 Jahre vom Pferdegespann zum
autonom fahrenden E-Auto führt uns diese Lebenswahrheit drastisch
vor Augen. Auch wir verändern uns täglich, werden älter. Diese
Wahrheit stimmt. Sie hat auch etwas Befreiendes, weil sie mir beim
Loslassen hilft. Gleichzeitig spüre ich auch ein schmerzhaftes
Erschrecken darüber, dass tatsächlich nichts bleibt, wie es war und
vieles auch irgendwann zu Ende sein wird. Das Ich im Lied kennt
diese Angst aus seinen schweren Träumen auch und sucht nach etwas
Bleibenden, das der Strudel der Zeit nicht mitreißen kann. Ich kann
dieses Suchen gut nachvollziehen, denn es ist doch zutiefst
menschlich, nach etwas Ausschau zu halten, das in allen
Veränderungen Halt gibt und hoffentlich sogar bleibt.
In einem Gleichnis beschreibt Jesus einen Menschen, der einen
Schatz in einem Acker entdeckt und alles verkauft, um diesen Acker
mit diesem besonderen Schatz zu erhalten. So gehe es jemandem, der
etwas sehr Wertvolles und Unvergängliches findet. Jesus nennt
diesen Schatz "Himmelreich". Dieser Schatz ist wie eine Insel im
Fluss der Zeit, wie eine Oase auf der Wanderschaft durch die Welt,
wo Menschen anhalten, Kraft tanken, Frieden finden können. Solche
Orte werden nicht aus Stein gebaut. Sie entstehen, wo Menschen
glauben, hoffen und vor allem lieben. Dazu reicht manchmal sogar
schon eine Lakritzschnecke. Ein Ehepaar erzählte mir von der
chaotischen Urlaubsrückreise mit der Bahn von der Nordsee nach
Beckedorf, mit Lokausfall, Umstieg in Busse, Gleisverlegungen in
Hamburg und verpassten ICEs samt schwerem Koffer und lahmem Fuß.
Als sie endlich in einem Zug Richtung Hannover saßen, nahm der
Ehemann sich eine Lakritzschnecke aus dem Proviant. Eine
Sitznachbarin sah das und sagte: "Die habe ich ja ewig nicht mehr
gegessen und als Kind so geliebt". Natürlich bekam sie eine. Die
Tüte wurde gemeinsam geleert und es entwickelte sich ein Gespräch,
das all den Ärger der letzten Stunden in Hintergrund treten ließ.
Im größten Reisechaos entstand eine "kleine Insel". Sie wird in
Erinnerung bleiben, auch wenn schon wieder viele ICEs Reisende von
hier nach dort gebracht haben werden.
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Die vergangenen Sommerwochen
Pastor Falk Nisch, Beckedorf
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