Im Juli dieses Jahres veröffentlichte die Bundesregierung ihre
Nationale Wasserstoffstrategie. Ihr erklärtes Ziel ist eine
Elektrolysekapazität von 10 Gigawatt bis zum Jahr 2030. Damit
könnten nach heutigen Schätzungen zwischen 30 und 50 Prozent des
Bedarfes abgedeckt werden. Wie die Situation in unserem Landkreis
aussieht, besprach das Schaumburger Wochenblatt mit dem
Wasserstoffmanager bei der Energieagentur Schaumburg, Martin
Wilkening. Der Ingenieur wurde im November 2021 als Fachmann für
Regenerative Energien mit einem Schwerpunkt auf Wasserstoff
eingestellt. Im Rahmen der Ausschreibung eines Förderprojektes des
Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) 2019, wurde der
Landkreis Schaumburg als eine von neun HyLand-Regionen in
Deutschland ausgewählt. In der Kategorie HyStarter stand die
Entwicklung eines Wasserstoffkonzeptes sowie die Herausbildung
eines Akteurs-Netzwerkes im Vordergrund. Besonders bei der
Netzwerkbildung und -erweiterung kann Wilkening auf eine sehr
erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Auch wenn die Projekt-Förderung
bereits 2021 ausgelaufen war, steht der Ingenieur mit einer Reihe
von Fachleuten, Projektplanern und engagierten Privatleuten im
engen Kontakt. Mitte der Woche besuchte Wilkening die
"Spatenstich-Veranstaltung" von Dieter Ahrens in Bückeburg. Nach
sehr viel Vorarbeit, innovativen Ideen und einer hohen
Investitionssumme, entsteht an seinem Firmensitz das
Endlos-Energie-Zentrum (EEZ), ein zukünftig komplett
energieautarkes Firmengebäude (Siehe Seite Bückeburg). Die
Grundidee ist auch eines der zukunftsweisenden Ziele des
Wasserstoffmanagers, nämlich eine geschlossene
Wasserstoffwertschöpfungskette zu schaffen. Von der Erzeugung
grünen Stroms durch Windenergie (WE) und Photovoltaik (PV), über
die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und die
Verwendung dieses Elementes in Brennstoffzellen zur Gewinnung von
Strom in Zeiten, in denen WE und PV nicht genügend Energie leisten.
Ein zweites Ziel von Wilkening ist die Schaffung eines
leitungsgebundenen Transportsystems - idealerweise regional (50 -
100 Kilometer Radius). Der Transport über weite Strecken mittels
Lkw ist uneffektiv und ein neues Leitungsnetz extrem teuer. In der
konkreten Planung der Bundesregierung ist derzeit ein
Wasserstoff-Kernnetz mit einer Strecke von circa 11.000 km. Damit
sollen bis 2032 die großen Einspeiser mit den großen Verbrauchern
verbunden werden. Diese sind insbesondere bei der Stahlindustrie,
der chemischen Industrie sowie bei den heutigen Gaskraftwerken zu
finden. Auf der Karte dieses Wasserstoffkernnetzes ist der
Landkreis Schaumburg nicht vertreten.
"Es führt kein Weg an der chemischen Industrie, an der
Stahlindustrie und an der Stromerzeugung in den Gaskraftwerken
vorbei! Das ist gesetzt!"
Martin Wilkening war sehr deutlich in seiner Prognose für die
energieintensiven Bereiche. Weniger klar stellt sich auch für ihn
die Zukunft in der Mobilität und bei den Privathaushalten dar. Für
den Transport von Wasserstoff kann man zum großen Teil die
bestehende Infrastruktur der Gasversorgung nutzen. Umbauten sind
bei Dichtungen, Verteilern und möglicherweise an den Brennern
erforderlich, nicht aber bei den Leitungen. Das Problem ist jedoch,
dass die Leitungen bis dahin für den Transport von Gas genutzt
werden müssen. Mit dem Wissen um die großen Hürden auf dem Weg zur
"Wasserstoff-Nation", setzt Wilkening auf regionale
Wasserstofferzeugung. Im April 2022 hatte der niedersächsische
Ministerpräsident Stephan Weil auf dem Plateau der Halde
Georgschacht die Frage nach geschwindigkeitshemmenden Faktoren
gestellt. Alle Beteiligten waren sich damals einig, dass es keine
ernsthaften Hürden gäbe. Derzeit warten Verwaltungen, Eigentümer
und Investoren auf das für September angekündigte
Sanierungsgutachten. Das Gutachten soll Licht in den
Vorschriftendschungel bringen und hoffentlich endgültig einen Weg
aufzeigen, wie das Vorzeigeprojekt, eine Freiflächen-PV-Anlage von
etwa 25 Hektar Größe, am Ende eines holprigen Weges noch realisiert
werden kann. Martin Wilkening ist sich sicher:" Für eine regionale
Wasserstofferzeugung werden erneuerbare Energieprojekte in der
Größe Halde Georgschacht benötigt!" Anhand eines einfachen
Rechenbeispiels belegte er die Aussage. Für die Produktion von
grünem Wasserstoff mit einem Vollast-Elektrolysator werden circa 20
Megawatt aus einer PV-Anlage benötigt. Das entspricht etwa der
Fläche von 20 Hektar und damit ist der Georgschacht neben den
Vorteilen der kompletten Sanierung von Altlasten ein ideales
Gelände für eine der größten Freiflächen-PV-Anlagen
Norddeutschlands.
"Nur mit den Dächern allein, wird die Energiewende nicht
gelingen!"
Sehr erfreut zeigte sich der 44-jährige Ingenieur über den Zubau
von PV-Anlagen auf Schaumburgs Dächern. Im ersten Halbjahr 2023
waren bereits mehr Dachanlagen installiert worden, als im ganzen
Jahr 2022. Insgesamt sind über 6.000 Anlagen auf den Dächern von
Wohnhäusern und Gewerbeobjekten im Landkreis bei der
Bundesnetzagentur registriert. Selbst die Anschaffung von
Balkonkraftwerken begrüßt Wilkening. In der Summe, leisten die
Kleinanlagen einen erkennbaren Beitrag zur Produktion grünen
Stroms. Keine andere Anlage amortisiert sich so schnell, wie ein
Balkonkraftwerk. Sorge hingegen bereitet dem Wasserstoffmanager das
Thema Windenergie im Landkreis Schaumburg. Nach dem
Niedersächsischen Klimaschutzgesetz müssen 2,2 Prozent der
Landesfläche als Windvorranggebiete ausgewiesen werden.
Heruntergebrochen auf die kommunale Ebene, bedeutet das für
Schaumburg jedoch, dass hier lediglich 0,07 Prozent ausgewiesen
werden müssen. Der Grund für die erhebliche Beschränkung sind die
Vorgaben der Bundeswehr, die mit ihren Standorten in Achum und
Wunstorf strenge Höhenbegrenzungen vorgeben. Diese sind für moderne
Windenergieanlagen jedoch nicht mehr rentabel. In Zahlen
ausgedrückt: Bei einer Landkreisfläche von 676 Quadratkilometern
würden bei 2,2 Prozent etwa 14, 9 Quadratkilometer Fläche
ausgewiesen werden. Schaumburg muss jedoch lediglich 0,07 Prozent
ausweisen und das entspricht gerundet 0,48 Quadratkilometer.
Wilkening würde sich hier mehr Flexibilität wünschen. "Wenn der
politische Wille auf allen Ebenen da ist, sind die Ziele der
Energiewende erreichbar," lautet sein positives Fazit.
-
Wasserstoffregion Schaumburg – was ist geblieben von der Idee?
Das Schaumburger Wochenblatt im Gespräch mit Wasserstoffmanager Martin Wilkening
Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum