Am 1. August startete das neue Ausbildungsjahr in den
Schaumburger Firmen und Betrieben. Diese sind zum größten Teil in
den zwei Interessenvertretungen, der Kreishandwerkerschaft
Niedersachsen-Mitte, zu der Schaumburg gehört, sowie der Industrie
- und Handelskammer (IHK) Hannover mit einer Geschäftsstelle in
Stadthagen, gemeldet. Als Ansprechpartner für die Handwerksbetriebe
steht der Syndikusanwalt Andre Harting für die Landkreise Hameln
und Schaumburg zur Verfügung. Die Interessenvertretung für Firmen
und Betrieb aus Industrie und Handel in Schaumburg leitet Martin
Wrede mit seinem Team. Zum Start des neuen Ausbildungsjahres
verschaffte sich das SW einen Eindruck der beiden Fachmänner.
Handwerkerschaft: In dem Verbund Niedersachsen-Mitte mit den
Kreisen Schaumburg, Hameln, Nienburg und Diepholz sind circa 4.600
Betriebe mit etwa 25.000 Mitarbeitern gemeldet. Von den derzeit
3.800 Auszubildenden lernen knapp 300 ihren neuen Beruf in
Schaumburger Betrieben.
IHK: Die IHK Hannover mit den acht gehörenden Landkreise - von
Göttingen bis Diepholz - hat ungefähr 10.000 Mitglieder, wobei
grundsätzlich eine Mitgliedschaft in der Kammer verpflichtend
ist.
Zum Ausbildungsbeginn hatten 378 neue Auszubildende ihren Vertrag
im heimischen Landkreis unterschrieben. Im Vorjahr waren es
lediglich 319. Martin Wrede freut sich über die Steigerung von 18,5
Prozent. "Schaumburg ist mit dieser Steigerung führend im
Kammerbezirk!"
In einigen Handwerksberufen sind die Zahlen stabil, in anderen
gehen sie kontinuierlich zurück
Handwerkerschaft: In den Handwerksbetrieben starteten in diesem
Jahr 143 junge Menschen ihre Ausbildung - 2022 waren es 138.
Auch wenn die Zahl der Auszubildenden in diesem Jahr etwas über dem
Vorjahresstand liegt, so sind es über einen längeren Zeitraum nach
Angabe von Andre Harting, tendenziell immer weniger junge Leute,
die einen handwerklichen Beruf ergreifen. Ganz deutlich ist es bei
den Berufen Bäcker, Fleischer mit den dazugehörigen
Fachverkäufer-Ausbildungen, zu erkennen. Glücklicherweise sind die
Ausbildungszahlen bei Kfz-Mechatronikern, Tischlern sowie im
Bereich Elektro/Metall und Sanitär/Heizung/Klima, seit Jahren
stabil.
IHK: Die 378 neuen Ausbildungsverträge teilen sich auf in 264 bei
den kaufmännischen Berufen und 114 im industriell/gewerblichen
Bereich. Nach Angaben des Geschäftsstellenleiters vermerkt der
Kammerbezirk langfristig leichte Zuwächse in allen Bereichen. Auch
wenn über Personalmangel bei Gaststätten und Hotels geklagt wird,
bei den entsprechenden Ausbildungsberufen ist ein deutlicher
Zuwachs zu vermelden. Die Einschränkungen während der Corona-Zeit
hatten einen großen Einfluss auf die Einstellungszahlen, so Wrede.
Durch den Wegfall von Betriebspraktika und persönlichen Kontakten
lagen die Auszubildendenzahlen in den beiden Jahren deutlich unter
dem Durschnitt. "Der Ausbildungsmarkt ist ein Spiegel der
regionalen Wirtschaftsstruktur und der konjunkturellen
Entwicklung," zieht Martin Wrede sein persönliches Fazit aus der
Zeit.
Die schulische Ausbildung von Bäckern konnte in diesem Jahr an
der Berufsschule Stadthagen erstmalig nicht durchgeführt
werden
Handwerkerschaft: Dass insbesondere die konjunkturelle Entwicklung
einen wesentlichen Einfluss auf die Einstellungszahlen bei
bestimmten Handwerksberufen hat, zeigte Andre Harting am Beispiel
des Bäckerberufes. Zum 31. Juli wurde in Schaumburg kein neuer
Bäcker zur Ausbildung eingestellt. Bekanntermaßen hatten auch in
Schaumburg eine Reihe von zum Teil alteingesessenen Bäckereien
ihren Betrieb geschlossen.
Ein bekannter großer Bäckereibetrieb mit Firmensitz kurz hinter der
Grenze zu Nordrhein-Westfalen, hatte acht neue Ausbildungsverträge
abgeschlossen. Statt nach Stadthagen müssen die jungen Leute nun
zur Berufsschule nach Herford oder Bielefeld reisen. Ebenfalls
erkennbar ist ein deutlicher Rückgang bei den Auszubildendenzahlen
im Hochbau. Bei den Maurern und Zimmerern starteten 2022 noch fünf
Auszubildende, in diesem Jahr nur noch drei. Bei der verkürzten
Ausbildung zu Hochbau-Facharbeitern steht in diesem Jahr eine Null.
Harting sieht unter anderem die schwierige Lage in der unsicheren
Entwicklung in der Baubranche. Die Zahlen bei Bauanträgen und
Baukrediten sind um etwa 30 Prozent eingebrochen (wir berichteten).
Harting sieht große Verbesserungsmöglichkeiten bei strukturellen
Veränderungen - Stichwort Vernetzung - auch beim Verkehr. Wenn in
Schaumburg in einem Beruf nicht ausgebildet werden kann, ist
Hannover noch erreichbar - Rinteln oder Hameln mit öffentlichen
Verkehrsmitteln jedoch nicht.
IHK: "Das Angebot an Stellen ist riesig - auch in Schaumburg",
stellt Martin Wrede unumwunden fest. Die Vergütung spielt seiner
Ansicht nach keine wesentliche Rolle bei der Wahl des
Ausbildungsplatzes. Der Ausbildungslohn ist gesetzlich
vorgeschrieben. Nach Angaben des Bundesinstitutes für Berufsbildung
(BIB) ist der Anteil von Abiturienten, die nicht gleich in ein
Studium einsteigen, sondern zumindest zunächst eine Ausbildung
anstreben, in den letzten Jahren von 23 Prozent auf 30 Prozent
gestiegen. Gerade für die Gruppe von jungen Erwachsenen bietet das
Duale Studium eine ausgezeichnete Alternative. Die IHK arbeitet
dabei bereits mit Kooperationen unter anderem mit dem Campus
Minden. Auf die öffentlich gewordene Schieflage eines der großen
Arbeitgeber Schaumburg - Riha-Wesergold- angesprochen, wollte Wrede
nicht eingehen. "Als IHK kommentiere ich das nicht!" Ganz allgemein
ist der Geschäftsstellenleiter der Ansicht, dass neben den
allgemeinen Entwicklungen bei den Energiepreisen und der Inflation,
der offensichtliche Fachkräftemangel für die derzeitige Situation
auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich ist. Wichtig ist seiner Ansicht
nach eine Entschlackung des allgemeinen Abgabeniveaus (Steuern) und
besonders der Bürokratie.
"Wir reden nicht mehr von prekären
Ausbildungsvergütungen!"
Handwerkerschaft: Auch Andre Harting bietet mit dem Hinweis auf ein
Duales Studium eine interessante Alternative für Gymnasiasten an.
Viele Handwerksbetrieb suchen nach geeigneten Personen, die in den
kommenden Jahren den Betrieb übernehmen können. Diese Perspektive,
eine Weiterausbildung zum Handwerksmeister, die große
Jobsicherheit, aber auch die Höhe der bereits in der Ausbildung
gezahlten Vergütungen, sind positive Perspektiven für angehende
Handwerker. Ein Tischler-Azubi erhält in der dreijährigen
Ausbildung Vergütungen von anfangs 740 Euro bis zu 1.000 Euro im
dritten Jahr. Ein Auszubildender im Sanitärhandwerk beginnt mit 855
Euro und erhält am Ende über 1.000 Euro. Mit Blick auf die Werbung
für das Handwerk setzt Andre Harting als Interessenvertretung in
der Zukunft auf eine Reihe von Maßnahmen. Persönliche Kontakte und
insbesondere die Netzwerkarbeit nehmen hierbei eine besondere Rolle
ein. Schulinformationstage, die bislang in den mittleren
Schulformen besucht wurden, sollen auf die gymnasialen Stufen
ausgeweitet werden. Mit Hilfe der Medien werden die großen Chancen
im Handwerk beworben. Der Syndikusanwalt für Hameln und Schaumburg
will zukünftig bereits jüngere Menschen für das Handwerk
begeistern. Großveranstaltungen, beispielsweise von
Jugendfeuerwehren, könnten dabei als Forum dienen. Mit Blick auf
die zurückliegende Regionalschau und die vielen Interessenten an
den Handwerker-Ständen, resümierte Harting:" Jedes
Ausbildungsverhältnis zählt. Aus ganz vielen Praktikanten werden
Azubi!"
IHK: Martin Wrede arbeitet, wie der gesamte Kammerbezirk, mit
zielgruppenorientierten Maßnahmen, zum einen mit den
Schulabgängern, zum anderen mit den Unternehmen. Unter dem
Stichwort "Ausbildungsmarketing", finden interessierte junge
Menschen alle wichtigen Informationen im Netz. Ein eigener Bereich
spricht besonders die Eltern der Schulabgänger an. Der Suchbegriff
"#könnenlernen" öffnet Informationsseiten der IHK auf allen
bekannten Internetportalen. Mit dem Programm "AZUBI GESUCHT?"
wendet sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (bmwi)
direkt an kleine und mittelständische Unternehmen. Mit dem Ziel
einer passgenauen Besetzung wird den Unternehmen eine eins zu eins
- Betreuung angeboten. Grundsätzlich ist Wrede optimistisch, die
Arbeitsplätze in Schaumburg zu halten. Der allgemeine
Transformationsprozess ist durch die Krisen beschleunigt worden.
Andre Harting sieht eine sehr positive Entwicklung bei der
Integration von ausländischen Jugendlichen. "Sobald die
Sprachbarriere überwunden ist, haben wir positive Erfahrungen
gemacht."
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Im Gespräch mit Martin Wrede und Andre Harting
Das Schaumburger Wochenblatt (SW) sprach mit dem Syndikusanwalt der Handwerkerschaft und dem Geschäftsführer der Industrie – und Handelskammer
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