Wir haben August und sind damit mitten in der Haupturlaubszeit -
dem Sommerurlaub. Millionen Deutsche sind derzeit irgendwo anders
als zuhause. Von der Nordseeküste bis nach Südafrika, von
Skandinavien bis zum Indischen Ozean verbringen sie ihre
Erholungszeit mit Unternehmungen, sportlichen Aktivitäten, Kultur
oder einfach nur zum Entspannen in anderer Atmosphäre. Viele Reisen
werden selbstverständlich mit dem eigenen Auto unternommen, einige
nutzen die Bahn, einige wenige auch den Fernbus. Spätestens, wenn
es aber in die südeuropäischen Länder - Italien, Spanien,
Griechenland, etc. - geht, dann ist das Flugzeug die erste Wahl. Es
ist preiswert (oder auch billig), geht schnell und ist in der Regel
gut durchorganisiert und dann auch zuverlässig (zumindest das
Argument ist bei der Bahn nicht immer zutreffend). Spätestens bei
der Frage, ob ich mein Reiseziel auch mit einem anderen
Verkehrsmittel erreichen kann, stoße ich hier an meine Grenzen -
und selbst wenn es ginge, wäre ich mehrere Tage unterwegs. Nun
stehen meine Frau und ich vor der Entscheidung, zum Jahresende eine
Fernreise zu unternehmen. Da stellt sich die Frage nach
Alternativen nicht. Gern kann man sich dazu ja einmal Reiseberichte
von Menschen zu Gemüte führen, die ohne Flugzeugnutzung nach Indien
gereist sind! Tatsächlich entstand während unserer Urlaubsplanung
eine Diskussion über das Thema Umweltschädigung und damit auch über
die Frage nach Flugscham. An dieser Stelle wieder einmal etwas
"Thekenwissen": Das Wort ist eine sprachliche Neuprägung, die in
den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist (Neologismus). Seit
2020 ist es im Duden zu finden, nachdem es erst 2017 - aus Schweden
kommend (flygskam) - hier auftauchte. Der Wertewandel vor dem
Hintergrund eines gestiegenen Umweltbewusstseins half bei der
Geburt der Wortschöpfung. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts
drängte es den Menschen, die Welt kennenzulernen, die eigenen vier
Wände einmal zu verlassen und sich auf dem Globus umzuschauen - und
an der Stelle war auch für uns klar - wir wollen uns nicht schämen,
für eine Reise über 10.000 km wieder das Flugzeug zu benutzen. Ich
habe es da mit der Argumentation recht einfach; mein erklärtes
Hobby ist das Tauchen und da bieten sich weder Nord- oder Ostsee,
noch das Steinhuder Meer an (alles mit dem Auto oder Zug
erreichbar). "Es ist in Ordnung, einen Flieger zu nehmen, wenn man
anders nicht an sein Wunschziel kommt!" (Ex-Bundesverkehrsminister
Andreas Scheuer 2019 in der Bild). Ich entscheide mich nicht aus
Prinzip oder weil Andersdenkende es von mir erwarten, gegen eine
Flugreise - auch nicht in die Südeuropäischen Urlaubsländer. Was
aber spricht gegen einen Ausgleich durch eine CO2 - Steuer auf
Kerosin - dann kostet der Flug eben ein paar Euro mehr, aber in
anderen energieintensiven Bereichen funktioniert es doch auch. Im
Übrigen stehe ich auf dem Standpunkt, dass wir uns nicht jegliche
Freude - hier meine ich die Urlaubsreisen - versagen müssen.
Klimakleber, Flughafenblockierer, Flugzeugbeschmierer,
Autobahnbesetzer, Restaurantdemolierer…, könnten sich einmal mit
dem Gedanken beschäftigen, wie ihre eigene Gesamtklimabilanz,
natürlich in einem adäquaten Verhältnis zur gesamtdeutschen
Bevölkerung, aussieht. Auf einer Reise zu den Malediven entstehen
ungefähr fünf Tonnen CO2. Auf jeden Fluggast umgerechnet,
entspricht das etwa der Hälfte der Jahresbilanz pro Person. Ich
habe dennoch ein gutes Gewissen, wenn ich ein- zweimal im Jahr eine
Fernreise per Flugzeug unternehme, dabei aber zuhause eine
Photovoltaikanlage betreibe, Kurzstrecken mit dem Fahrrad erledige
und eine hohe fünfstellige Summe in die energetische Sanierung
unseres Hauses investiere und damit meine Gesamtklimabilanz wieder
ausgleiche. Flugzeuge sind für etwa 2,5 Prozent des gesamten CO2 -
Ausstoßes verantwortlich, bei einer Fernreise entspricht der CO2 -
Ausstoß pro Person und Kilometer circa dem eines mit 1,5 Personen
besetzten Pkw (Statista). Auch ich werde zukünftig weiterhin
versuchen, meinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern -
vielleicht nächstes Mal ein E-Auto oder eines mit grünem,
türkisfarbenem oder blauem Wasserstoffantrieb kaufen, aber -
Flugscham- nein! Wenn ich ein Flugzeug benutze, dann nicht einfach
deshalb mache, weil ich es kann, sondern weil ich anders nicht an
mein Wunschziel gelange.
Einen schönen Urlaub wünscht
Ihr Axel Bergmann
-
Bergmanns Plauderecke
„Was ich schon immer mal sagen wollte…“Flugscham – habe ich sie eigentlich auch?
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