Vor einer Woche hat die Sonne den nördlichen Wendekreis erreicht
und ist auf ihren Höchststand geklettert. Im Jahreslauf ist damit
der Höhepunkt überschritten. Heller kann es nicht mehr werden. Die
Skandinavier haben das Mittsommerfest mit traditionellen Liedern
und mit Tanz um den geschmückten Mittsommerbaum gefeiert.
Wenn junge Mädchen in dieser Nacht 7 verschiedene Wiesenblumen
pflücken und unter ihr Kopfkissen legen, dann erscheint ihnen im
Traum ihr künftiger Ehemann.
Aber nur, wenn sie beim Pflücken absolut still waren, so die
Legende. Christliche und überlieferte Bräuche kommen sich in dieser
Zeit sehr nahe.
In der alemannischen Tradition ist das Fest eng mit dem
christlichen Johannesfest am 24. Juni verbunden. Es bezieht sich
damit auf Johannes den Täufer. Normalerweise wird bei Heiligen der
Todestag als Gedenktag genommen. Bei Johannes ist das anders: hier
zählt der Geburtstag. Da die Geburt Jesu auf den 24. Dezember
verortet wurde, wird folglich der Geburtstag des 6 Monate älteren
Johannes am 24. Juni gefeiert. Ab dem Johannistag oder zeitnah dazu
endet das Spargelstechen und auch der Rhabarber sollte wegen des
höheren Säuregehaltes nicht mehr verzehrt werden.
Die Johannisbeeren werden reif, das Johanniskraut blüht und im
Naturkreislauf endet die Zeit des Wachsens. Mit dem Johannistag
beginnt die Zeit der Reife und der Ernte. Auch wenn wir es noch
nicht merken, die Tage werden wieder kürzer, die Sonne nimmt ab und
wir gehen auf Weihnachten zu, auf die Geburt Jesu, auf die Geburt
des Lichtes der Welt.
Johannes, der als Prediger in der Wüste die Menschen zur Umkehr
aufruft und mit drastischen Worten ermahnt, der sie im Jordan mit
Wasser zu einem Neubeginn tauft, sagt von sich selbst und über
Jesus: "Er muss wachsen und ich muss abnehmen." Er nimmt sich
zurück und macht den Weg frei für Jesus.
Auch in unserem Leben gibt es Zeiten des Wachstums und Zeiten des
Zurücknehmens und des Reifens. Das ist der natürliche Lauf des
Lebens, so wie es uns die Sommersonnenwende zeigt.
Daran erinnert uns der Johannistag: Ständiges und aus den Fugen
geratenes Wachstum ist ungesund und oft zerstörerisch, für uns
selbst und in der Wirtschaft sowie beim Konsum. Es stört die von
Gott angelegte kosmische Ordnung von Wachsen - Reifen - Ernten. Wir
brauchen nicht ständig auf das "immer mehr, immer schneller,
größer, weiter…" setzen. Wir dürfen uns in dem jeweiligen
Lebensabschnitt einrichten und reifen. Für die Zeit der Reife
brauchen wir Ruhe. Sonst überhören wir das leise Rufen Gottes,
seine Melodie, sein "fürchte dich nicht!" Gönnen wir uns diese
Ruhe.
Machen wir es wie Johannes: nehmen wir uns zurück und machen den
Weg in uns frei für Jesus. Damit er in uns wachsen kann.
In diesem Sinne wünsche ich uns einen "gesegneten Sommer!"
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Der Sommer ist da!
Diakon Günter Fichte, Katholische Kirchengemeinde Bad Nenndorf
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