"Man muss sich schämen", fasst Kerstin Kassner, Leiterin des
Tierheims Stadthagen, den aktuellen Stand der Anlage in der
Herminenstraße zusammen. Asbestplatten auf dem Dach, das
mittlerweile Regen durchlässt, uralte Nachtspeicheröfen, feuchte
und schimmlige Wände in den Hundeboxen, die nach aktuellen
Tierschutzstandards alles andere als artgerecht sind. Das ist die
Realität, die man bei einem Besuch des Stadthäger Tierheims
deutlich erkennt. "Unwürdig für die Tiere - aber auch für die
Menschen, die sich hier für die Tiere engagieren", unterstreicht
Kassner ihre Einschätzung hinsichtlich der über 60 Jahre alten
Anlage und macht damit sehr deutlich ihrem Unmut über die fehlende
Handlungstransparenz der Stadtverwaltung Luft.
Am 6. Juli findet die alljährliche Mitgliederversammlung des
Vereins statt. Und ziemlich genau mit diesem Datum jährt sich die
Zusage seitens der Stadtverwaltung, dass 2023 die Planung eines
Neubaus abgeschlossen sein wird und im Jahr darauf ein Neubau
entstehe.
Seit dem ist laut der Tierheimleiterin, die seit 2008 diese
Position innehat, leider nicht ein Wort seitens der Verwaltung
gegenüber dem Tierheim gefallen. Erst, nachdem das Schaumburger
Wochenblatt in der letzten Woche eine Presseanfrage an die
Verwaltung gerichtet hat, klingelte das Telefon im Tierheim. Iris
Freimann, Leiterin des Fachbereichs Bürgerdienste im Rathaus
erklärte gegenüber der Tierheimleitung, dass am 30. August in der
öffentlichen Fachausschusssitzung Bürgerdienste, Ordnungswesen und
Feuerwehr (BOF) die Planung für das neue Tierheim vorgestellt wird.
Darüber hinaus sagte die Verwaltung zu, dass vor der BOF-Sitzung
ein Gespräch mit dem Tierheim-Vorstand stattfinden wird. Im
Anschluss daran müsse die Bauleitplanung erfolgen. Laut Stadthagens
Bürgermeister Oliver Theiß wurden die letzten Monate dazu genutzt,
mit dem Dachverband der Tierschutzheime die benötigte Fläche
abzustimmen. Danach sei die zu planende Flächengröße ausgerichtet.
Ein Grundstück wurde bereits ins Auge gefasst. Ob der ursprünglich
genannte Fertigstellungstermin im kommenden Jahr nach wie vor
Bestand hat, konnte der Verwaltungschef auf Nachfrage nicht
zusagen. Der dafür zuständige Fachbereich sei noch nicht
vollständig besetzt. Das könne zur Folge haben, dass sich
Genehmigungen, die zur Fertigstellung notwendig sind, verzögern.
Laut Aussage des Bürgermeisters, sei "das Projekt jedoch nicht mehr
aufzuhalten." Dass bisher gar nichts passiert sei, ließ der
Bürgermeister aus seiner Sicht nicht gelten. Nach einem Besuch im
April 2022 habe die Stadt beispielsweise die Dachrinnen reinigen
und Fenster einstellen lassen, damit zumindest dadurch keine
Feuchtigkeit in das Tierheim eindringen kann. Auch an der
Außenanlage habe der Bauhof gearbeitet. Darüber hinaus habe man
sich auch mit Vertretern des Tierheims infrage kommende Grundstücke
angesehen.
Sonst sieht es eher mau mit den Fakten aus. Für die Fertigstellung
des Neubaus hat die Stadt insgesamt 285.000 Euro in ihren Etat
eingestellt, für die Planung des Baus 16.500 Euro. Bisher wurden
keinerlei Teilbeträge der Planungskosten abgerufen. Bisher stellt
die Stadt die Immobilie zur Verfügung und kommt auch für die
Verbrauchskosten auf. Darüber hinaus wird seitens der Stadt für die
ersten 30 Tage die Versorgung der Tiere sichergestellt. Danach
zahlt das Tierheim aus Mitgliedsbeiträgen und Spendenerlösen das
Futter und die Tierarztkosten für Hund, Katze, Hase. "Da kommt
schnell ein großer Batzen Geld zusammen, wenn man bedenkt, dass die
Pflicht-Kastration einer Katze bereis mehr als 350 Euro kostet",
klärt Kerstin Kassner auf. Insgesamt hat das Tierheim Stadthagen
mit Kerstin Kassner und Frau Schiller zwei festangestellte
Mitarbeiterinnen. Sie werden durch ehrenamtliche Tierfreunde
tatkräftig unterstützt, um den Betrieb des Tierheims am Laufen zu
halten. Wie angespannt die Situation im Tierheim ist, war im
Gespräch mit den Beteiligten zu spüren. "Die Nerven liegen blank,
wenn man täglich zusehen muss, in welcher Umgebung die Tiere hier
gehalten werden", lautet die einhellige Meinung der
Tierschützer.
Nach einem Besuch im März letzten Jahres hatte der
Bundesvorsitzende des Tierschutzbundes Thomas Schöder harsche
Kritik an den Zuständen im Stadthäger Tierheim geübt und damit in
erster Linie die Stadtverwaltung als Betreiberin der Immobilie in
die moralische Pflicht genommen. Die Zustände im Tierheim
bezeichnete Schröder seinerzeit als miserabel. Bereits vor einem
Jahr sagte er deutlich, dass das Tierheim eigentlich geschlossen
werden müsse - so schlecht sei der bauliche Zustand der Anlage. Auf
telefonische Nachfrage des Schaumburger Wochenblatts bestätigt
Schröder die Kontaktaufnahme der Stadtverwaltung. Allerdings war
diese im Juli letzten Jahres, es wurden eine
Flächenbedarfseinschätzung und Beispielbilder angefordert - mehr
nicht. Der Tierschutzbund-Präsident machte in dem Telefonat
unmissverständlich deutlich, was er von der Situation, auch jetzt
nach einem weiteren Jahr, hält. Er teilte seine "bittere
Erkenntnis" mit, dass der Bürgermeister aus seiner Sicht ganz
offensichtlich keinen dringenden Handlungsbedarf erkannt hat und
attestierte ihm "komplettes Dienstversagen" in diesem Fall. Der
bauliche Zustand im Tierheim Stadthagen sei unwürdig für jede
Kommune, so könne man, abgesehen von den Tieren, auch nicht mit
Menschen im Ehrenamt und im Hauptamt umgehen, kritisierte Schröder
weiter die Verwaltungsspitze. Wenn doch bereits vor mehr als einem
Jahr die komplette Tragweite des Schadens ersichtlich war, sei es
nach Worten des Tierschutz-Vorstands nicht nachvollziehbar, dass
nicht nach kreativen Übergangslösungen gesucht wurde. "Wären diese
Umstände in der Kabine einer Jugendfußballmannschaft entdeckt
worden, wäre nach spätestens einem Monat eine Sanierung erfolgt",
beendete Schröder sein Statement.
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Neubau des Tierheims noch immer umkonkret
Zustand vor Ort nach wie vor miserabel Tierschutzbund kritisiert Bürgermeister
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