Würden Sie gerne einmal in eine andere Zeit reisen? Ich weiß
natürlich, dass das nicht möglich ist, aber die Frage kann ja doch
gestellt werden. Mir wird sie manchmal von einem Freund gestellt.
Er denkt sich dann, dass ich die Zeit, in der Jesus gelebt und
gewirkt hat, auswählen würde. Dann könne ich ja sehen, wie es
wirklich war mit seinen Wundern - und vor allem mit seinem Tod und
seiner Auferstehung. Ich antworte dann immer, dass mir mein Glaube
ausreicht - das Zeugnis der Bibel, das Zeugnis derer, die vor mir
den Glauben gelebt haben. Zumal die Bibel besser überliefert ist
als nahezu alle Autoren der Antike, die heute noch im
Lateinunterricht übersetzt werden müssen - als Lateinlehrer weiß
das auch mein Freund. Allerdings bleibt es beim Glauben. Zwar wird
niemand die historische Existenz von Jesus leugnen - dafür gibt es
genug außerbiblische Zeugnisse. Was dieser Jesus aber für mich und
mein Leben bedeutet - diese Frage muss ich mir schon selbst
beantworten. Diese Frage muss jede, muss jeder für sich selbst
beantworten. Und sicher wäre es für den eigenen Glauben hilfreich,
mehr Gewissheit zu haben. Dieser Wunsch nach Gewissheit ist ganz
menschlich. Und diesen Wunsch hatte nach dem Osterereignis sogar
einer der engsten Freunde Jesu, der mit ihm durch das Land gezogen
war - der Apostel Thomas. Er war, so berichtet es der Evangelist
Johannes, nicht dabei, als sich Jesus den Aposteln ein erstes Mal
zeigte. Und er konnte dem Zeugnis seiner Freunde nicht glauben, er
antwortete ihnen: "Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen
Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel
und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht." Acht
Tage darauf trat Jesus wieder in ihre Mitte. Thomas war dabei,
konnte Jesus berühren und glaubte. Für mich gilt der Satz, den
Jesus dann sagte: "Selig sind, die nicht sehen und doch
glauben."
Ich kehre zu meiner Ausgangsfrage zurück. Die Zeitmaschine ist noch
nicht erfunden und wird auch nicht erfunden werden. Und wenn ich in
eine Zeit zurückreisen könnte, würde ich mir ohnehin eine andere
Zeit aussuchen. Denn für die Existenz Jesu und seine Relevanz für
mein Leben muss ich nicht in seine Zeit zurückversetzt werden. Sie
fragen sich jetzt, in welche Zeit ich gerne einen genaueren Blick
werfen würde? In welcher Zeit ich den Debatten gerne gelauscht
hätte und vielleicht auch gerne aktiv teilgenommen hätte? Es wäre
die Zeit, in der das, was Christinnen und Christen an diesem
Sonntag feiern, definiert worden ist. Wir feiern nämlich den
Dreifaltigkeitssonntag. Als Christen verehren wir einen Gott in
drei Personen - den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Gut
dreihundert Jahre nach Jesu Leben, Tod und Auferstehung wird genau
darüber diskutiert. Das Christentum ist nicht mehr eine verfolgte
Religion. Kaiser Konstantin erlaubt es den Christen, ihren Glauben
zu praktizieren, und später wird dieser Glaube sogar zur
Staatsreligion. In dieser Zeit - nämlich im vierten und fünften
Jahrhundert - werden entscheidende Dinge des christlichen Glaubens
formuliert - so die beiden Glaubensbekenntnisse, die Grundlage des
gemeinsamen christlichen Glaubens über unsere Konfessionsgrenzen
hinweg sind.
Das Ringen um diese Texte fand damals nicht in geheimen
theologischen Zirkeln statt. Es wurde ganz öffentlich ausgetragen -
auf Konzilien, aber auch auf den Marktplätzen der Städte. Das
stelle man sich heute mal vor, dass sich nicht nur Kirchenleitungen
und Theologen darüber auseinandersetzen, sondern auch unsere
Politikerinnen und Politiker und jede, jeder von uns. Damals aber
hatten diese Diskussionen eine solche Relevanz. Ob es unbedingt gut
war, dass sich die Kaiser damals einmischten? Natürlich ging es
dort auch um Macht. Dennoch würde ich mir heute manchmal wünschen,
dass die christliche Religion mehr Relevanz hätte. Dass Menschen
nicht nur auf den Vater, Sohn und Heiligen Geist getauft werden,
sondern dass dieser eine Gott in drei Personen eine größere Rolle
im Leben der Menschen spielt. Ich sage das deshalb, weil ich für
mich erkannt habe, dass ich durch mein Leben viel besser mit diesem
Gott gehen kann als ohne ihn.
An den Diskussionen von damals kann ich in der Rückschau nur mit
Hilfe von Büchern teilnehmen. An den Diskussionen von heute kann
ich mich aktiv beteiligen. Und zwar als Christ und mit dem, was ich
glaube und für gut und richtig halte. Und da gibt es genug Themen,
die mir da einfielen und die teils auch heute auf unseren
Marktplätzen diskutiert werden: die Bewahrung der Schöpfung, der
Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tod, die
Diskussionen um gerechten Krieg und gerechten Frieden. Mischen wir
uns als Christinnen und Christen in diese Debatten ein!
Ich wünsche Ihnen einen schönen Dreifaltigkeitssonntag!
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Mischen wir uns in diese Debatten ein
Magnus Kaatz, Küster, Leiter Ortsteam, Obernkirchen
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