Bundesweit sind die Hilferufe der Frauenhäuser zu hören, die
doch eigentlich ihrerseits dafür da sind, Hilferufe zu hören und
Frauen und Kindern in Notsituationen zu helfen. Aber genau hier
stoßen viele an ihre Grenzen: Die Kapazitäten reichen für den sich
stetig steigenden Bedarf kaum aus. Diese Problematik kennt auch das
AWO-Frauenhaus in Schaumburg: Im vergangenen Jahr allein mussten 59
Hilfesuchende abgewiesen werden, da kein Platz mehr für sie zur
Verfügung stand. Dank einer großzügigen Erweiterung hat sich diese
Problematik entschärft - dennoch bleibt die wichtige Aufgabe, den
hilfesuchenden Frauen und Kindern wieder auf die Beine zu helfen.
Dabei darf "Abweisen" jedoch nicht falsch verstanden werden:
Niemals wird eine Frau, die um Hilfe fragt, im Regen stehen
gelassen. Vielmehr gehen dann, wenn es keinen Platz im regionalen
Frauenhaus gibt, die großen Telefonate los, denn dass Netz an
umliegenden Frauenhäusern wird akquiriert und abgefragt, wo denn
noch ein passender Platz für eine Schutzsuchende frei wäre. Doch
auch diese Suche gestaltet sich immer schwieriger, denn die
Kapazitätsprobleme ziehen sich durch ganz Deutschland. In Hannover
gibt es noch eine 24-Stunden-Noteinrichtung, in der Frauen für vier
Tage unterkommen können, doch natürlich soll eine langfristige
Lösung her, die den Betroffenen einen Raum bieten, zur Ruhe zu
kommen von dem Erlebten. Auch Möglichkeiten, im Freundes- oder
Bekanntenkreis unterzukommen, werden gemeinsam erörtert. Falls
Betroffene in einer bestimmten Region in Deutschland Familie oder
Freunde haben, wird auch versucht, dort einen Platz in einem
Frauenhaus zu bekommen.
Bis zu drei Anfragen am Tag
Und der Bedarf ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen: 2022
haben allein in Schaumburg 52 Frauen und 68 Kinder Schutz im
Frauenhaus gesucht. "Pro Tag bekommen wir bis zu drei Anfragen -
erst heute haben wir zwei bekommen", erklärt Sabine Fischer,
Trauma-Pädagogin und dienstälteste Mitarbeiterin im Frauenhaus. "Es
ist gut, dass das Tabu nicht mehr so groß ist und die Frauen sich
trauen, aber ich glaube, dass wir noch immer an der Spitze des
Eisbergs kratzen", sagt AWO-Kreisverbands-Geschäftsführerin
Heidemarie Hanauske.
Die AWO, die seit 1986 Träger des Frauenhauses in Schaumburg ist,
hat die Kapazitätsproblematik bereits früh und ausdrücklich der
Politik und dem Kreistag geschildert - mit Erfolg, wie sich
Hanauske und Fischer zurückerinnern. So folgte relativ schnell 2020
ein politischer Beschluss zur Finanzierung und die
Frauenhaus-Erweitung konnte in die Wege geleitet werden. Eine
Erweiterung am Bestandshaus war nicht möglich, sodass eine neue
Immobilie gefunden werden musste. Im November 2022 konnte die
Erweiterung eröffnet werden und ist seitdem auch stark
frequentiert. Zu den vorher vorhandenen acht Plätzen sind so
weitere vier hinzugekommen. Die Frauen und Kinder haben dabei ein
Zimmer für sich und teilen sich Küche, Bad und Gemeinschaftsraum
mit den anderen Bewohnerinnen. Dabei unterscheiden sich die
Aufenthalte der Frauen und Kinder oft in ihrer Länge - manche
bleiben nur einige Tage, mache Wochen oder gar Monate. Die
durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt drei Monate.
Langfristiges Ziel ist immer, den Betroffenen unter die Arme zu
greifen, Hilfsangebote zu vermitteln und auch bei der Wohnungssuche
zu helfen, damit sie in ein neues Leben ohne den gewalttätigen
Partner starten können. Doch hier zeichnet sich das nächste Problem
ab, denn die Wohnungssuche gestaltet sich immer schwieriger, wie
Fischer und Hanauske berichten. Daher bleiben die Räumlichkeiten
inzwischen auch länger belegt.
In geregelten Alltag zurückfinden
Auch bei dem Beantragen sozialer Leistungen, dem Kontakt mit dem
Jugendamt und dem Erlernen eines geregelten Alltags helfen die im
Frauenhaus arbeitenden sechs Sozialarbeiter und Sozialpädagogen.
"Die ersten Tage befinden sich manche in einer Schockstarre und
müssen das Erlebte zunächst verarbeiten. Dabei unterstützten wir
sie und vermitteln wenn nötig eine psychosoziale Beratung. Wir
führen Gespräche mit den Frauen und den Kindern und helfen ihnen
auf dem Weg, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir wollen ihnen
zeigen: Du hast die volle Entscheidungskraft. Nach dem Motto: Hilfe
zur Selbsthilfe", erklärt Fischer. Doch selbst nach dem Bezug einer
eigenen Wohnung werden die Frauen, wenn sie es wünschen, nicht
allein gelassen - die Frauenhaus-Mitarbeiter vermitteln etwa auf
Wunsch eine Familienhilfe von Jugendamt.
24-Stunden erreichbar
In der Sozialarbeit rücken auch immer mehr die Kinder in den Fokus:
"Wir bringen ihnen bei, dass sie auch 'nein' sagen dürfen. Zudem
lernen sie auch das soziale Grundlagen für das Miteinander, was in
einem gewalttätigen Haushalt oft zu kurz kommt, und, wie sie mit
Streitigkeiten umgehen und sich bei Gewaltvorfällen richtig
verhalten. Die Kinder denken oft, sie sind schuld, dieses Päckchen
versuchen wir ihnen zu nehmen", erläutern Hanauske und Schneider.
"Gewalt ist dabei unabhängig vom Alter, der Herkunft und
Einkommen", weiß Hanauske. "Die Frauen kommen aus allen
Bevölkerungsschichten, denn Gewalt herrscht überall". Gerade
deswegen ist das Frauenhaus auch 24 Stunden am Tag, sieben tage die
Woche erreichbar. Hilfesuchende können sich unter der 05721.3212
melden und erreichen entweder einen Mitarbeiter des Frauenhauses
oder einen Mitarbeiter der Polizei, die dann alles Notwendige in
die Wege leiten.
Bulli gesucht
Wenn sich die Verantwortlichen etwas wünschen könnten, waren dass
zunächst mehr Kindergartenplätze und Kinderärzte, denn beides ist
in der Region ein knappes Gut. "Gerade diese traumatisierten Kinder
brauchen eine derartige Struktur wie im Kindergarten", weiß
Fischer. Häusliche Gewalt ist in jedem Kontext schlecht für die
Kinder und sie leiden darunter". Daher werden sie auch regelmäßig
mit Kinderaktionen, Kinderversammlungen und Ausflügen auf andere
Gedanken gebracht. Hierfür hat das Frauenhaus einen großen Wunsch:
Einen Bulli oder Caddy, der für die Ausflüge und auch die
Abholfahrten der Frauen genutzt werden können - hierfür müssen
nämlich oft die Privat-PKWs der Mitarbeiter herhalten. "Vielleicht
findet sich ja ein Autohaus oder ähnliches in der Region, dass uns
ein Fahrzeug sponsern würde", hofft Hanauske. Finanziell ist das
Frauenhaus soweit gut aufgestellt, die rund 500.000 Euro
Personalkosten werden, mit Zuschuss in Höhe von 142.000 Euro vom
Land Niedersachsen, vom Landkreis getragen. Aktuell ist eine halbe
Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen-Stelle noch zu besetzen. Die
weiteren Ausgaben werden über Spenden finanziert - "davon bekommen
wir viele, was sehr hilfreich ist", stellt Hanauske fest.
Foto:nh
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„Gewalt ist unabhängig von Einkommen oder Herkunft“
Schaumburger Frauenhaus dank Erweiterung derzeit gut aufgestellt / Mehr als 50 Frauen im Jahr
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