1. Weiterhin mit Polizeivermerk geführt

    Initiative „Bad Nenndorf ist bunt“ wehrt sich gegen Stigmatisierung

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    Für das jahrelange Engagement wurde "Bad Nenndorf ist bunt - Das Bündnis gegen Rechtsextremismus e.V." im Jahre 2018 durch Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Jürgen Uebel nahm es stellvertretend für die vielen Beteiligten von "Bad Nenndorf ist bunt" in Berlin entgegen. Steinmeier betonte in seiner Laudatio: "Wir brauchen Menschen, die nicht wegschauen, wenn mit täglichem Hass und Wut gegen Minderheiten die Grundlage der Demokratie attackiert wird, sondern diejenigen, die sich Rassisten entgegenstellen - mutig, kreativ, aber friedlich." Das war vor knapp fünf Jahren. Jetzt entdeckte Uebel, der Gründer der Bürgerinitiative, dass er und weitere Vertreter der Initiative in der zentralen Datenbank der niedersächsischen Polizei unter dem Kürzel "PMK", als Person für "politisch motivierte Kriminalität", geführt werden. "Das ist aus meiner Sicht ein Skandal und völlig inakzeptabel", erklärte Uebel gegenüber dieser Zeitung. "In den Unterlagen wurde ich beispielsweise als tatverdächtig eingetragen, Plakate für ein Kulturfest im Kurpark aufgehängt und somit eine angebliche Sachbeschädigung begangen zu haben", schildert er die Zusammenhänge. "Aber zu diesen, wie auch zu weiteren Vorwürfen bin ich nicht einmal angehört worden", betont Uebel. Ein weiterer Vorwurf der Polizei: Er hätte im Jahr 2014 trotz entsprechender Anweisung der Polizei "Musik am Rande einer Demonstration nicht leiser gedreht". Hierbei soll es sich laut Polizei um eine Veranstaltung gehandelt haben, "für die ich verantwortlich gewesen sein soll". Uebel äußerte sich fassungslos und massiv irritiert darüber. "Bei politisch motivierte Kriminalität denke ich an Gewalttäter und Terroristen. Völlig haltlos im Zusammenhang mit meinem und dem Engagement weiterer Aktiver", erklärt Uebel. Seine Kritik: In den Akten der Polizei werden ungeprüfte Verdachtsmomente benannt, die darüber hinaus auch für viele Jahre im Polizeisystem verbleiben und vielen zugängig sind. Jürgen Uebel, ein ehemaliger Apotheker aus Bad Nenndorf, sieht darin eine Stigmatisierung, die als Folge auch zu einer Einschüchterung von Aktiven werden könnte, die sich daraufhin aus ihrem Engagement zurückziehen, um nicht in einer Kriminalstatistik zu erscheinen.
    Zehn Jahre lang, immer am ersten Augustwochenende, wurde Bad Nenndorf von Neonazis für ihre Aufmärsche als "Trauermarsch" ausgewählt. Bis zu 1.000 Anhänger der Neonazis nahmen daran teil. Jürgen Uebel und viele weitere Aktive nutzen hierbei ungewöhnliche Methoden, um sich gegen diese Neonaziaufmärsche zu wehren. Ihre lauten Partys und fröhlichen Gesänge entlang der rechten Aufmarschstrecke in Bad Nenndorf waren schließlich erfolgreich. Die Aufmärsche sind nach zehnjährigem konsequentem Einsatz ausgeblieben. "Der rechte Spuk war in Bad Nenndorf vorbei", so Uebel. Aber das scheint alles nicht zu zählen, so sein Eindruck, und wehrt sich gegen die Einträge in der Polizeistatistik.
    Nach einem Beitrag hierzu im NDR-Fernsehen gibt es jetzt Unterstützung für Jürgen Uebel. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen Bundestagfraktion und Sprecher der niedersächsischen Landesgruppe, Helge Limburg, reagierte umgehend und teilte mit, dass die Datenspeicherungen der Polizei im Umfeld des Engagements gegen den Neonaziaufmarsch offenbar nicht mehr gerechtfertigt seien. In einer entsprechenden Meldung des NDR rät er der Polizei, es nicht auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen, "sondern die Daten sofort zu löschen". Niemand könne ernsthaft behaupten, dass von diesen Menschen politisch motivierte Straftaten zu befürchten seien, so Limburg. Auch er verweist darauf, dass eine weitere Speicherung abschreckend für zivilgesellschaftliches Engagement wirken könne.

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