1. Bergmanns Plauderecke
    „Was ich schon immer mal sagen wollte…“

    Böllern vs. Tradition

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    Gemeinsam mit unseren besten Freunden pflegen wir seit Jahren eine liebgewonnene Tradition - das Wintergrillen. An einem Wochenende im Dezember treffen wir uns mit 10-12 Personen und Grillen/Essen/Trinken draußen unter Heizpilzen bzw. im Wintergarten. Im vergangenen Jahr hatten sich dabei mein Freund und ich einmal wieder über das Böllern an Silvester unterhalten. Wir wollten den Jahreswechsel gemeinsam bei ihnen feiern. An der Stelle ein Tipp für "Thekenwissen": Silvester ist die amtlich einzig richtige Schreibweise. Der Vorname kann auch mit y geschrieben werden. Da ja bekanntermaßen diese Art zu feiern in den vorangegangenen 2 Jahren nicht möglich war - es durften sich ja nur X-Menschen der einen Familie mit X- Menschen der anderen Familie treffen (ausgenommen waren Kleinkinder, Hunde, Katzen, Hamster und Meerschweinchen) - diskutierten wir das Für und Wider von Feuerwerk. Dieses war ja auch zwei Jahre lang verboten. An der langen Tafel entbrannte eine zeitweise recht emotional geführte Diskussion, bei der von der völligen Ablehnung jeglicher Knallkörper bis zu "Das gehört zu Silvester dazu", alles dabei war. Die Gespräche endeten quasi mit einem Kompromiss - wir einigten uns auf ein Ja zur Tradition - aber nur für Feuerwerk bis zu einer Höhe von 6 Metern, also keine Raketen und erst recht keine reinen "Böller". Das alles machte mich dann nachträglich sehr nachdenklich. Feuerwerk ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits im 12. Jahrhundert, nach Erfindung des Schwarzpulvers, wurden in China böse Geister mit Feuer und Rauch bekämpft. In Europa soll im Jahr 1379 das erste Feuerwerk in Italien abgebrannt worden sein, 1506 in Deutschland. Mittlerweile ist es in vielen Teilen der Welt üblich, zu bestimmten Anlässen bunte Raketen als ganze Kunstwerke zu verschießen. Man denke nur einmal an die Harbour-Bridge in Sydney; an diesem Silvester mit über 100.000 Raketen. Also: Tradition - Ja. Auf der anderen Seite drängen sich natürlich die Gegenargumente förmlich auf. Viele Tierliebhaber, insbesondere Hunde - und Katzenhalter müssen Jahr für Jahr versuchen, ihren Lieblingen an Silvester ein Beruhigungsmittel ins Essen zu mischen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Vögel und andere Wildtiere ebenso unter Stresssymptomen leiden wie Nutztiere in den Ställen. In der Silvesternacht werden über 2.000 Tonnen Feinstaub in der Luft verteilt, nach Angaben des Umweltbundesamtes zwischen 1 % und 2,5 % (je nach Durchmesser der Teilchen) der Jahresgesamtmenge. Die derzeit eh stark belasteten Krankenhäuser erleben nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der Silvesternacht mit Böllerei durchschnittlich mehr als dreimal so viele Schwerverletzte, wie in den Jahren ohne. Nicht nur der zu leichtfertige Umgang mit erlaubtem Kategorie F2-Feuerwerk, Übermut und alkoholbedingte Enthemmung spiegeln sich hier wider, sondern auch der zunehmende Gebrauch von importierten, nicht zugelassenen, Sprengkörpern. Wie sich eine offensichtliche Veränderung des Sozialverhaltens bestimmter Menschen in Verbindung mit Alkohol außerdem auswirkt, zeigen dramatisch die Bilder aus den Großstädten, wo Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei gezielt beschossen wurden. Ich habe viele unterschiedlich Feiern zum Jahreswechsel seit meiner Jugend erlebt, solch ein Verhalten gab es früher nicht. Der Verband der pyrotechnischen Industrie schätzt den Umsatz bei diesem Jahreswechsel auf circa 120 Millionen Euro, so viel etwa wie vor Corona. Was könnte man mit dem Geld Gutes erreichen, wenn es - was natürlich nur theoretisch möglich ist - für andere Zwecke ausgegeben würde. Natürlich drängt sich der Wunsch nach Spenden auf. Bereits 1981 bat das evangelische Hilfswerk unter dem Motto "Brot statt Böller" darum, für notleidende Menschen in der Welt auf das Feuerwerk zu verzichten. Unsere kleine Feiertruppe hat nun 364 Tage Zeit, sich diese Gedanken von Neuen zu machen. Soll die Tradition siegen oder die Vernunft? Am Neujahrmorgen erhielt ich schließlich eine Nachricht von unserem Gastgeber. Einer der ausgebrannten Vulkane, zugegebenermaßen ein sehr großer, war irgendwann in den frühen Morgenstunden noch in Flammen aufgegangen und es musste ein Feuerlöscher herhalten, da die Hecke in Gefahr geriet. Wenn ich alles zusammenzähle - ich glaube, mein Entschluss steht schon fest.

    Ihr Axel Bergmann

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