1. Vom Glasmacher zum Regierungschef

    Gedenken an Vorkämpfer für Demokratie und Freiheit

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    Er war ein Streiter für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit in einer Zeit, als dies mit spürbaren persönlichen Risiken verbunden war. Die Stadthäger Sozialdemokraten haben eine Stele für Staatsrat Heinrich Lorenz eingeweiht, der in Schaumburg-Lippe in Kaiserreich, während der Weimarer Republik und bis hin zu seiner Absetzung durch die Nationalsozialisten 1933 politisch eine tragende Rolle spielte. Redner Heiko Holste betonte bei der Enthüllung, dass mit der Stele ein wichtiges Zeichen demokratischer Erinnerungskultur gesetzt werde. Lorenz, ein "Motor der hiesigen Arbeiterbewegung" wurde 1906 als erster SPD-Abgeordneter in den Landtag des Kleinstaates Schaumburg-Lippe gewählt, wie Heiko Holste berichtete. 1870 in Liekwegen geboren kam der Glasmacher während seiner Wanderschaft in Norddeutschland zur Sozialdemokratie. Gegen 1900 kehrte er zurück nach Schaumburg, wurde Gastwirt in Stadthagen und zu einem Motor für den Aufbau der hiesigen SPD, dazu organisierte er die Gründung mehrerer Gewerkschaften. Schwarze Listen für "aufsässige Arbeiter": Aktivitäten, die großen Mut erfordert hätten, wie Heiko Holste hervorhob. Unternehmer in Schaumburg-Lippe reagierten damals zumeist mit sofortiger Entlassung auf Beschäftigte, die eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einforderten. Schwarze Listen verhinderten eine Wiedereinstellung in der Region. Als Lorenz 1906 in den durch das Drei-Klassen-Wahlrecht bestimmten Landtag in Bückeburg einzog, habe der gelernte Glasmacher dort vor allem Adligen, Akademikern und Rittergutsbesitzern gegenüber gesessen. Die SPD erstarkte in Schaumburg-Lippe in den folgenden Jahren zusehends. Während der Revolution 1918 nach dem Ersten Weltkrieg und Abdankung des Fürsten sei Lorenz prägende Figur beim Übergang zum Freistaat gewesen. Für den überzeugten Demokraten sei klar gewesen, diese Wende mit freien Wahlen über den Stimmzettel zu gestalten, so Holste. 1927 wurde er Staatsrat und damit Vorsitzender der Regierung. So bekleidete er einen Posten, den man heute als Ministerpräsident bezeichnen würde. Alte Eliten bleiben unversöhnlich: Als bodenständiger, pragmatisch-kompromissbereiter Politiker habe sich Lorenz auch bei Vertretern anderer Parteien großes Ansehen erworben, wie Heiko Holste hervorhob. Auch wenn die Gestaltungsspielräume in dem sehr kleinen Land in der Weimarer Republik und angesichts der krisenhaften Entwicklung gering blieben. Bitter enttäuscht habe ihn, dass die alten Eliten der jungen Republik mit Hass und Feindschaft begegneten. Mehrmals errang die SPD mit ihm als Landtagskandidat die absolute Mehrheit. Schaumburg-Lippe blieb bis 1933 ein "kleines Bollwerk der Demokratie" im Deutschen Reich, wie Heiko Holste betonte. Es war das einzige Land in der Weimarer Republik, in dem bis zuletzt republiktreue Parteien (SPD und die liberale Deutsche Staatspartei) die absolute Mehrheit behaupteten. 1933 wurde Lorenz von den Nationalsozialisten abgesetzt. Nach dem Sieg der Alliierten gehörte er 1945/46 noch einmal der Landesregierung an. Als er 1947 verstarb, wurde er auf dem Friedhof in Stadthagen beigesetzt. Der SPD-Ortsverein hatte sich für den Erhalt der Grabstelle über die üblichen Ruhezeiten hinaus und für die Errichtung der Stele stark gemacht. Gerade Stadtarchivarin Bettina Götz habe sich in die Initiative eingebracht, wie das Vorstandsteam unterstrich.

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