1. Da hatten Teile des Rates doch ein kleines Böckchen

    Rat findet keine Zweidrittel-Mehrheit für Sonderregelung epidemische Lage und wird vorzeitig beendet

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    Eine geschlagene Stunde lang tagte der Stadtrat und beschäftigte sich dabei ausschließlich mit sich selbst und der Frage, ob es denn eine Sonderregelung für epidemische Lagen geben soll und somit Ratssitzungen künftig - längstens drei Monate - online durchgeführt werden können und nicht in Präsenz. Das Ergebnis vorweggenommen: Die Zweidrittel-Mehrheit kam für den Verwaltungsvorschlag nicht zusammen. CDU/FDP und Prof. Dr. Neuhäuser stimmten gegen den Vorschlag und beendeten damit die online Sitzung, noch bevor es in die eigentlichen Entscheidungen ging. Hintergrund der Ablehnung: Am 30. Juni sollte eigentlich eine Ratssitzung in Präsenz im Ratskellersaal stattfinden. Diese wurde abgesagt. Begründung: Zu hohe Inzidenzwerte, zu hohes Risiko im Saal. Doch nur eine Woche später, am 7. Juli, genehmigte die Stadt eine Festveranstaltung in genau diesem Saal, um an die 400-jährige Geschichte der Universität Rinteln zu erinnern; mit reichlich mehr Besuchern, als es auf der Ratssitzung der Fall gewesen wäre. Sind also Ratsmitglieder anfälliger für Corona als der Rest der Gesellschaft, oder war die Begründung der zu hohen Inzidenzen vielleicht doch - wie von einigen Ratsmitgliedern vermutet - eine vorgeschobene Sache, ein politisches Kalkül, weil Ratsmitglieder wie Astrid Teigeler-Tegtmeier wegen Urlaub und Bürgermeisterin Andrea Lange wegen Krankheit nicht an der Sitzung teilnehmen konnten und sich somit gegebenenfalls Mehrheiten verschoben hätten? Antje Rinne (RI - Rintelner Interessen) hatte für die Sitzung am 30. Juni noch geforderte, diese online durchzuführen, dem Antrag wurde jedoch seitens der Verwaltung nicht entsprochen. Am Donnerstag dieser Woche dann die Nachholung der Ratssitzung im online-Format mit gleicher Tagesordnung. Der erste Tagesordnungspunkt nach der Feststellung der Beschlussfähigkeit hatte es gleich in sich, denn es ging um die Frage, ob künftig alle Ratsmitglieder ein verbrieftes Recht auf ihre Teilnahme an Sitzungen via Internet bekommen sollen und ob Ratssitzungen in den kommenden drei Monaten ausschließlich online durchgeführt werden sollen. Ersteres forderte zumindest Heinrich Sasse von der WGS und er kritisierte, dass der gefundene "Kompromiss" in dieser Sache die Ratsmitglieder dazu zwinge, Gründe für eine Online-Teilnahme zu nennen. Für Ortsräte sollte es gar keine Möglichkeit außerhalb von Präsenz geben. Deshalb hatte er bereits einen Ergänzungsantrag vorbereitet, in dem er die Möglichkeiten für Hybridsitzungen, also in Präsenz und zeitgleich online, deutlich erweitern wollte. Ein Szenario übrigens, das einen hohen technischen Aufwand erfordert und zudem geheime Abstimmungen nicht zulässt. Am Ende wurde gar nicht soweit beraten, denn der Beschlussvorschlag der Verwaltung wurde mit 22 Ja zu 13 Nein Stimmen abgebügelt; die erforderliche Zweidrittel Mehrheit war verpasst. Die Begründungen dafür waren vielschichtig. Prof. Dr. Neuhäuser (RI) kritisierte die Absage der Präsenzveranstaltung und stellte heraus: "Viren unterscheiden nicht zwischen Politikern und Feiernden!" Soll heißen: Präsenz-Rat absagen und anschließend Uni-Jubi oder Abi-Entlassung feiern; das passt nicht zusammen. Gleicher Meinung war Sven Wilkening (FDP), der zudem die Kommunikation der Bürgermeisterin bei der Frage der Absage bemängelte. SPD und Grüne seien bei der Entscheidung eingebunden gewesen, der Rest der Ratsfraktionen nicht. Kay Steding (CDU) vermutete sogar eine Absage der Präsenzveranstaltung aus politischen Motiven wegen fehlender Mehrheiten und forderte zudem, die Ratssitzungen außerhalb der Ferien zu terminieren (online Sitzung war am 1. Ferientag). Vergeblich mühten sich die Bürgermeisterin und Vertreter der SPD um Schadensbegrenzung. Hinweise auf anstehende Personalentscheidungen in der Stadtverwaltung, die dann nicht umgesetzt werden könnten und auch die Tatsache, dass der Nds. Städtetag eine solche Regelung doch auch befürworte, halfen nicht. Der Rat wurde nach TOP 2 beendet. Und so ein klein wenig konnte man den "Bock" heraushören, der in den Reihen der CDU und FDP nach der Absage der Präsenzveranstaltung die Hörner wachsen ließ; nicht ohne Grund übrigens. Es blieb schon ein kleines "Geschmäckle" und warum die Präsenzsitzung am 30. Juni tatsächlich abgesagt wurde, dazu gibt es weiter Fragezeichen. Ein richtig gutes Bild warf die Sitzung deshalb auch auf so gut wie keinen der Beteiligten, denn die Themen der Ratssitzung waren nicht ohne Brisanz, insbesondere die Feuerwehrgebührensatzung wurde im Vorfeld reichlich kritisiert, da sie auch Gebühren dann vorsieht, wenn beispielsweise private Rauchmelder Alarm auslösen und Dritte einen "Brand" melden. In diesem Fall sollen die Betreiber der Anlagen (sofern es sich nicht um einen Brand handelt) zur Kasse gebeten werden. Auch stand auf der Tagesordnung die Frage der Beendigung des Projektes "Stronger Combined". Hier sollten eigentlich alternative Verkehrskonzepte für die Stadt entwickelt werden. Herausgekommen sind zwei Leih-Lastenräder. Zwar nicht auf der Tagesordnung, dafür jedoch mit hoher Brisanz, ist derzeit die Frage einer möglichen Kostenexplosion bei der Sanierung der ehemaligen IGS an der Klosterstraße und des Hallenbades. Beide Projekte zusammen würden mit rund zehn Millionen Euro für die IGS und mittlerweile 15 Millionen Euro für das Hallenbad die Stadt finanziell überfordern. Und was das Sitzungsgeld für die verkorkste online Sitzung angeht, da waren sich CDU und FDP schnell einig: "Das wird von CDU/FDP der Tafel gespendet", so Sven Wilkening; "...was die anderen tun, weiß ich nicht!"

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an