Die Stadt möchte etwas für das Klima tun - zusätzlich zu den eh auferlegten Aufgaben der energetischen Sanierung städtischer Gebäude und gestarteten Maßnahmen. Dafür wurden bereits im vergangenen Haushalt 100.000 Euro bereitgestellt, ebenso im diesjährigen. Worin diese investiert werden sollen, entwickelt sich jedoch im Ausschuss zur Grundsatzfrage: Möglichst viel Klimaschutz für die Summe, eine dringend notwendige, energetische Haussanierung, die eigentlich eh zu den Aufgaben der Stadt zählt, oder doch ein "Leuchtturmprojekt", dessen großer Nutzen von einem Teil der Ausschussmitglieder als "unnötiger Luxus" bewertet wird? Für die Haushalte 2021 bis 2024 werden jeweils 100.000 Euro für gesonderte Klimaschutzmaßnahmen eingeplant. Doch über den Einsatz wird gestritten. Bereits seit vergangenen Jahr steht das sanierungsbedürftige städtische Haus am Bahnhof 3a im Fokus - die dortigen Mietwohnungen werden noch mit dezentralen Kohleöfen beheizt. Eigentlich herrschte seinerzeit Einigkeit darüber, dass hier was geschehen muss. Gedacht waren Maßnahmen, um die Öfen durch klimaneutrale Alternativen zu ersetzen, die Gebäudehülle und Fenster zu sanieren und das Dach mit PV-Anlagen auszustatten. Ein Auftrag für Planungsleistungen wurde ebenfalls erteilt. Gleichzeitig reichte die Mehrheitsguppe CDU/Grüne/FPD/BfB einen Antrag auf Bau eines Solarcarports auf dem Dr.-Witte-Platz ein. **Dringender Handlungsbedarf** "Ab Bahnhof herrscht noch immer Handlungsbedarf, nun haben wir das Gebäude auch gemeinsam mit der Energieagentur des Landkreises sowie den Stadtwerken betrachtet", berichtet Bauamtsleiter Björn Sassenberg. Im Arbeitskreis sei eine gute Lösung gefunden worden, mit einer Klimawärmepumpe, Solaranlagen und Maßnahmen an der Gebäudehülle die CO2-Bilanz zu verbessern. Jedoch könnte das Dach abgängig sein, zudem sei Feuchtigkeit ins Mauerwerk gesickert. Wie weit, sei noch unklar. Nun müsse geschaut werden, ob das Gebäude so noch gehalten werden könne. Die Verwaltung schlug vor, die Planungen am Bahnhof fortzuführen und die weiteren Untersuchungen abzuwarten: "Dass wir da was machen müssen, ist klar". Das wollte Andreas Paul Schöniger, Fraktionsvorsitz Freie Wähler, noch bekräftigen: "Wir müssen vor allem für die Menschen dort etwas tun. Es ist erschreckend, wie die Stadt die Wohnungen da übergibt. Das ist unmenschlich". **Mögliches Vorzeigeprojekt** Die Investition in einen Solarcarport hält hingegen Hermann Kempf (CDU) für die einzig richtige Maßnahme: Sie sei sowohl Leuchtturmprojekt als auch erwatungsgemäß günstiger. Demnach könne entgegen der vorgestellten Planung die Fläche noch vergrößert werden. Unter den Solarpanel auf der Schmetterlingskonstruktion können E-Autos laden, die notwendige Infrastruktur sei bereits an den Ladestellen vorhanden. Mit einer höheren Leistung könne dieses Projekt weitere Vorteile bringen und sogar marktfähig werden. Dr. Jens Bartling (SPD) hingegen war ganz anderer Meinung: "Warum haben wohl andere Bürger sowas nicht? Weil sie rechnen können". Bartling rechne im Gegensatz zu Kempf damit, dass der Carport wesentlich teurer werden würde. "Für das Geld bekommen wir das Doppelte an PV auf die Dächer. Das (Carport, Anm.d.Red.) ist Verschwendung von Steuergeldern und Schulden, die wir machen. Wir sollten so rechnen, dass wir das meiste Klima fürs Geld kriegen, und dafür ist jedes städtische Dach besser", so Bartling weiter. Es solle ein Dachkataster aufgestellt werden, um potentielle Flächen auf städtischen Gebäuden auszumachen. "Wenn wir keine Dächer mehr haben, dann gerne", so sein Vorschlag. Sachkundiger Bürger Hans-Dieter Lichtner konnte dem beipflichten: Der Carport ist überbezahlt und bringt nichts. Den Bedarf am Bahnhof sollten wir nicht wegwischen, das ist eine Frage von Prioritäten und Vorbildfunktion. Wir sollten den Bewohnern keine dreckigen Kohleöfen zumuten". Hier etwas zu tun und zu investieren, sollte oberste Priorität sein. Kempf hingegen fühlte sich unverstanden, schließlich seien die 100.000 Euro für eine zusätzliche Maßnahme, nicht für generelle energetische Sanierungen, gedacht. **Prioritäten setzen** "Was auch immer wir machen, die Menschen müssen vorgehen. Alles andere wirft ein schlechtes Bild auf die Stadt", versuchte Maria-Christina Steijn (Linke) zu vermitteln. "Es ist unsere städtische Grundpflicht, ein vernünftiges Wohnen zu bieten und müssen das Geld effizient einsetzen", so Bartling. Kempf schlug wiederum als Kompromiss vor, die Stadt solle Dachflächen verpachten für Solaranlagen: "Die Bürger würden sich freuen und Investoren wären leicht gefunden". Somit wären die 100.000 Eurp für den Carport übrig. "Das soll doch nicht am Geldmangel scheitern, es ist doch genügend vorhanden. Alle investieren derzeit in grüne Maßnahmen", so Kempf weiter. "Das ist kein Vorzeigeprojekt, sondern unnötiger Luxus zur Beschattung von E-Autos", so das vernichtende Urteil Reinhard Luhmanns (SPD). Ausschussvorsitzende Cornelia Laasch konstatiert: "Wir sind uns nicht einig, außer dass am Bahnhof 3a dringend irgendetwas passieren muss". Geeinigt wurde sich dann schlussendlich auf einen zwischenzeitlichen Kompromiss, mit folgendem Beschluss: Das Haus am Bahnhof solle erstmal weiter saniert werden, für das Carport hingegen genauere Kosten ermittelt werden samt Hoch- und Tiefbau sowie bei einer möglichen Vergrößerung und zeitgleich, was für die gleiche Summe auf den städtischen Dächern möglich wäre. Wofür dann schließlich die 100.000 Euro investeirt würden, werde später entschieden. Foto:nh Carport Pro: Vorzeigeprojekt voraussichtlich günstiger als 100.000 Euro könnte marktfähig werden "Grüne Maßnahme" unabhängig von Pflicht zum energetischen Sanieren Contra: "Überbezahlter Luxus" Nur Fahrer von Elektro-Autos profitieren Mögliche Kostensteigerungen zu erwarten Zu wenig Klima fürs Geld Gebäude am Bahnhof Pro: Stadt wird seiner Vorbildfunktion gerecht Pflicht zum Bereitstellen von vernünftigem Wohnen Städtische Priorität liegt bei Menschen Dringender Bedarf Verbesserung Co2-Bilanz Contra: Dach könnte abgängig sein Durch feuchtes Mauerwerk evtl ganzes Haus abgängig energetisches Sanieren gehört zu generellen Aufgaben der Stadt und sollte nicht aus dem Sondertopf bezahlt werden
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Der Konsens ist Uneinigkeit
Hitzige Debatte um Einsatz der 100.000 Euro für den Klimaschutz
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