1. Gebet oder Waffen?

    von Pastorin Wiebke Dankowski, ev.-luth. Erlöser-Kirchengemeinde Krankenhagen

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    Der morgige Sonntag, liebe Leserinnen und Leser, trägt den Namen "Rogate", also "Betet!" Letztens haben wir in einer Gemeindegruppe darüber gesprochen, welche Rolle das Gebet in unserem Leben spielt. "Not lehrt beten", wurde da als Erstes zitiert. Ja, das ist wohl so, wobei das hoffentlich nur den Anfang des Betens meint und nicht ausschließlich die gelegentliche Not, wenn man nicht mehr weiterweiß. Oder wendet man sich nur dann an Gott, wenn man dringende Wünsche hat? Gelungene Kommunikation ist das auf Dauer noch nicht. Aber natürlich hat Gott auch ein ganz offenes Ohr für unsere dringenden Wünsche und brennenden Sorgen. Der Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine hat viele Menschen aufgewühlt. Nach der Überwindung von Schock und Sprachlosigkeit gab es Demonstrationen, Solidaritätsbekundungen und tatkräfige Unterstützung für die Flüchtlinge. Vielerorts wurden und werden Friedensgebete gehalten. Dabei gehen mir immer noch die Worte eines ukrainischen Politikers nach, der im Fernsehen sagte: "Wir brauchen kein Mitleid, wir brauchen keine Gebete, wir brauchen Waffen." Waffen statt Gebet? Sind betende Menschen nur Traumtänzer oder gar Drückeberger? Oder stellen sie sich nicht doch auf ganz eigene Weise der Realität mit ihren drängenden Fragen und Grenzsituationen? Mich jedenfalls bedrücken zunehmend Ratlosigkeit und Sorge, wenn ich sehe, in welch atemberaubenden Tempo bisherige friedenspolitische Verhaltensmaßstäbe ad acta gelegt werden und die Ausgaben für Aufrüstung und Militärhilfe in schwindelerregende Höhen steigen. Und da ich mir nicht sicher bin, wohin dieser Weg führt, ob es der richtige Weg ist und welche Folgen er für uns alle hat, suche ich auch Rat und Orientierung im Gebet. Wenn ich dem vielzitierten Satz "Gott will keinen Krieg" zustimme, dann brauche ich alle Tage Besinnung und Gottes Hilfe, um diesem seinem Willen zu entsprechen, um Gott zu fragen und Antwort zu bekommen. Die Antwort folgt nicht immer auf dem Fuße, aber ich erwarte sie. Und auch das gemeinsame Gebet hilft hier weiter, die gemeinsame Suche nach Antwort, der gegenseitige Trost und auch die Information. Deutlich kleiner ist der Kreis beim wöchentlichen Friedensgebet in St. Nikolai in Rinteln geworden als am Anfang. Haben wir uns schon an den Krieg gewöhnt? Fällt es zu schwer, die Balance zu halten von Betroffenheit und Sehnsucht nach Normalität? Gerade hier kann das Gebet helfen, die Spannung auszuhalten und auch innerlich ins Gleichgewicht zu kommen. Und das gibt dann dem "Not lehrt beten" nochmal eine tiefere Dimension.

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