Wie vielfältig und komplex verbunden die Problemlagen der Niedersächsischen Landwirte sind, war auf der Generalversammlung des Raiffeisen Landbundes nicht zu überhören. Landwirtschaftministerin Barbara Otte-Kinast versuchte sich an einer Problemanalyse. Dabei wird ersichtlich: Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen nicht nur an vorhandenen Stellschrauben gedreht, sondern auch geplante Regelungen, zumindest zeitweise, aufgeschoben werden. Denn die vom Bund auferlegten Regelungen bezüglich Pflanzenschutzmitteln, Düngemengen, Flächenbewirtschaftung und Fruchtfolge stünden entgegen der Notwendigkeit, gerade in der aktuellen Zeit angesichts des Ukraine-Krieges, Preissteigerungen und dem steigenden Hunger auf der Welt, den maximalen Ertrag auf den Äckern zu erzielen. Dauerthema sei unter anderem die "scheinbar willkürlich erweiterete" Düngeverodrnung. "Der Raiffeisen Landbund setzt sich seit Jahrzehten für die Landwirtschaft ein und ist dabei sehr umtriebig und trägt Umstellungen mit, das ist nicht selbstverständlich. Dabei wurde noch ein beachtlicher Umsatz von mehr als 200 Millionen Euro erwirtschaftet", so Otte-Kinast. **Hunger bekämpfen** Doch der Krieg verursache nicht nur viel direktes menschliches Leid, sondern wirke sich auch enorm auf die Agrarbranche aus, die eh schon zahlreiche Problemfelder behandeln müsse. "Die Folgen des Krieges bekommt die ganze Branche zu spüren", so die Ministerin. Im Austausch mit dem Krisenstab der Landwirtschaftskammer Niedersachsen versuche das Ministerium immer das Ohr bei den Landwirten zu haben und adäquat zu reagieren. "Die Ukraine fällt als Kornkammer aus. Der Brotpreis ist dabei immer ein Indikator für Stabilität. Wenn die großen Exporte und Dünger ausfallen und die Häfen dicht sind, sind erhebliche Engpässe zu erwarten. Wenig Weizen heißt auch weltweit mehr Hunger. Daher hilft aktuell jeder Baustein", konstatiert Otte-Kinast. So sollen bestimmte Pflanzenschutzmittel für den Anbau von Feldfrüchten nun freigegeben werden. "Wir sind jedoch das einzige Land in der EU, die das nur für Futtermittel, nicht für Nahrungsmittel, freigibt", ärgert sich die Landwirtschaftsministerin. **Fruchtwechselfolge aussetzen** Weiter Abhilfe schaffen könnte beispielsweise die Aussetzung der Fruchtwechselfolge, damit die Landwirte nun mehr Weizen anbauen können. "Nur müssen wir jetzt wissen, was wir säen sollen". Das Landesministerium hätte den entsprechenden Beschluss einstimmig gefasst, nun lasse der Bund auf sich warten. Nach Otte-Kinast' Auffassung müsse ebenso die Vier-Prozent-Brachlegung der Ackerflächen verschoben werden, entsprechende Zeichen würden auch aus Brüssel vernommen werden. "Jetzt, bei einer hungernden Bevölkerung auf vier Prozent der Flächen zu verzichten, ist unsinnig. Wir haben die klimatischen Vorteile in Niedersachsen, die Technik, das wissen, um hohe Erträge zu erzielen. Ich hoffe, das Drama ist inzwischen so groß, dass diese Regelung um ein Jahr verschoben wird. Ich erwarte hier nun Reaktionen vom Bund. Diese Themen müssen vor der Ernte vom Tisch!", fordert Otte-Kinast. Die Entwicklungen seien heute bereits dramatisch: "Die Verbraucher haben das Nachsehen". Vor allen Dingen junge Menschen machen sich über das Klima Gedanken und seien die Verbraucher von morgen, daher sollte die Landwirtschaft bestrebt sein, auch diese Menschen mitzunehmen. **Tierhaltende Betriebe in Not** So erwartet die Landwirtschaftsministerin auch zeitnah vom Bundesministerium Ergebnisse in der Tierwohl-Thematik. "Da ist schon dramatisch für viele Tierhalter, ich weiß nicht, wie Berlin sich das vorstellt. Familienbetriebe in der Kälbermästung, Sauen- und Milchkuhhaltung sind bedroht, und auch die vor- und nachgelagerten Bereiche sind betroffen. Jeder zehnte Arbeitsplatz hängt mit der Landwirtschaft zusammen, es ist wichtig, die Tierhaltung in Niedersachsen zu halten. Viele wollen investieren für mehr Tierwohl, doch der Gesetzgeber gibt nichts Konkretes vor", ärgert sich Otte-Kinast. Geringe Erzeugerpreise, das Wegbrechen der Absatzmärkte sowie Tierseuchen und die Pandemie habe es gerade den tierhaltenden Landwirten schwer gemacht. "Niedersachsen muss Landwirtschafts-Bundesland Nummer eins bleiben, dafür brauche ich auch Sie, die Verbände, den Kontakt zu den Landwirten, um bis nach Berlin durchzudringen!", so Otte-Kinast.
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„Können es uns nicht leisten, nicht das Maximum aus den Äckern zu holen“
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast legt vielfältige Problematiken der Agrarpolitik dar
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