Bereits früh am Mittwochmorgen herrscht reges Treiben bei der Bückeburger Tafel - zahlreiche Ehrenamtliche arbeiten routiniert und gut gelaunt, wie ein Uhrwerk, in den verschieden Räumlichkeiten in der Dammstraße und sortieren Waren, räumen den "Supermarkt" ein und organisieren die Abholfahrten. Um 13 Uhr wird die Ausgabe öffnen und die Kunden dürfen frei aus dem Tafel-Angebot wählen - die Kunst ist dabei, die Waren so gut zu organisieren, sodass für jeden ein reichhaltiges Angebot bereit steht. "Wir haben zwar momentan ausreichend Waren, aber eigentlich niemals genug", konstatiert Tafel-Vorsitzender Michael Baumgärtner. Täglich wird in der Dammstraße geräumt und organisiert, was das Zeug hält. Allein 20 Märkte stellen täglich Waren zur Verfügung, die abgeholt, sortiert, gelagert oder in die Ausgabe gebracht werden muss. "Wir sind froh, dass wir langjährige, zuverlässige Partner haben, die uns mit Tonnen an Waren beliefern". Dennoch schwankt das Warenaufkommen: Mal hat die Tafel so viel, dass sie die Waren an Tafeln in der Region, auch mit den DRK-Tafeln in Schaumburg, und darüber hinaus verteilt. Genügend sei es aber nie, stellt Baumgärtner fest. "Wir retten Lebensmittel und geben sie weiter, damit nichts weggeschmissen werden muss. Und wenn wir die verderblichen Waren in Gänze nicht selbst an unsere Kunden verteilen können, geben wir sie gerne an andere Tafeln weiter". Hinter dem Warenmanagement steckt jede Menge Organisation, mehrere Kühlhäuser und Lagerräume werden stetig befüllt, um anschließend wieder ausgeräumt zu werden. Von den Trockenwaren hat die Tafel, die sich rein über Mitgliederbeiträge, Spenden und die geringfügigen Einnahmen aus der Ausgabe finanziert, immer einen gewissen Vorrat, um auch zu schwächeren Zeiten den Kunden genügend Waren bieten zu können. "Wir kaufen nichts hinzu hier", so Baumgärtner. "Das wäre nur das allerletzte Mittel", fügt er hinzu. **Freie Auswahl** Alle Waren kommen entweder von den Märkten direkt oder werden von Privatpersonen oder Vereinen gespendet. Die Ausgabe, an drei Tagen in der Woche, funktioniert dabei wie ein Supermarkt: Gegen einen kleinen Betrag dürfen sich die Kunden einmal wöchentlich die Produkte frei auswählen. "Wir sind froh, dass wir das so anbieten können und nicht selber Kisten packen, die dann ausgegeben werden", so Baumgärtner. So könne jeder aus dem wählen, was er mag. "Es macht ja auch keinen Sinn, wenn wir den Menschen etwas in die Hand drücken, was sie nicht wirklich mögen und dann vielleicht wegwerfen". Dabei achten die mehr als 50 Ehrenamtlichen auch auf kulturelle Gepflogenheiten und Unverträglichkeiten. "Die Geflüchteten aus der Ukraine zum Beispiel kennen und mögen kein Schwarzbrot. Wenn wir sowas wissen, können wir natürlich reagieren", erklärt Baumgärtner. **Bedarf steigt enorm** Dabei hat sich die Situation der Bückeburger Tafel, seit 22 Jahren privat organisiert über den gemeinnützigen Verein, innerhalb der vergangenen sechs Wochen deutlich verschärft. Die Kundenzahlen sind in dieser Zeit von 600 auf 900 Kunden in der Woche angestiegen. "Trotz Vorbereitung wurden wir ein bisschen überrannt von der Masse. Vor zwei Wochen musste ich das erste Mal jemanden wegschicken", erinnert sich der Vorsitzende. "Mit schwerem Herzen, doch in diesem Falle handelte es sich um Geflüchtete, die in der Herderschule leben, und dort eine Vollversorgung erhalten", erklärt Baumgärtner. Es sei zeitnah das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht und eine Lösung gefunden worden. "Die Geflüchteten, die bei Privatmenschen untergekommen sind, haben es noch schwerer und müssen sehen, wo sie bleiben. Daher bekommen sie bei uns aktuell die Waren noch, ohne etwas zu bezahlen". Erst wenn sie am 1. Juli in die Grundversorgung kommen, müssen sie auch den Beitrag von 1,50 Euro pro Erwachsenen und 25 Cent pro Kind und Einkauf leisten. Bei der Kommunikation helfen die eigenen Ehrenamtlichen: "Wir haben glücklicherweise ein paar dabei, die Russisch sprechen und, neben der eigentlichen Arbeit, einen riesen Job machen und übersetzten, erklären und vermitteln, darüber bin ich sehr froh". **20 Neukunden in der Woche** Doch nicht nur durch die Geflüchteten sind die Kundenzahlen gestiegen. "Allein diese Woche waren es 20 Neukunden", stellt Baumgärtnner fest. Aktuell kommen auch mehr Rentner und Empfänger von Grundsicherung zur Bückeburger Tafel - steigende Lebenserhaltungskosten sorgen auch in diesen Bevölkerungsschichten für weniger Geld im Portmonee. "Wir sind stolz, dass wir hier so viele motivierte Ehrenamtliche haben und wir den Menschen diese Möglichkeit bieten können. Das ist eine schwere, aber sehr erfüllende Arbeit", konstatiert Baumgärtner. **Hilfsbereitschaft ist groß** Möglich sei das aber auch nur durch die hohe Hilfsbereitschaft in Bückeburg. Sowohl Bürger, Spender, Vereine und Institutionen hätten immer ein offenes Ohr, wenn der Vorsitzende um Hilfe frage. Dass die Ukraine-Flüchtlinge umsonst einkaufen dürfen, ist beispielsweise dem Lions Club zu verdanken. Auch das Bückeburger Bürgerbataillon hilft finanziell aus. Mit der neuen Foodsharing-Community habe der Verein sich besprochen und eine Lösung gefunden, um sich gegenseitig nicht zu kannibalisieren, sondern Synergieeffekte zu schaffen. "Das Netzwerk hier funktioniert, das macht die Arbeit in Bückeburg sehr schön. Hier funktioniert die Dorfgemeinschaft noch und wenn man nach Hilfe fragt, bekommt man auch welche". **Nie genug Waren** Dennoch muss auch Baumgärtner anmerken, dass die Warenspenden im Summe weniger werden - zum einen ,weil die Märkte wirtschaftlicher, "schlauer" planen und gleichzeitig die Kundenzahlen und somit der Bedarf steigen. "Wir wollen auch weiterhin wie ein Supermarkt bleiben und den Kunden ein verlässliches Angebot bieten, auch wenn wir eigentlich keine Vollversorgung leisten können. Im Moment tendiert es aber in diese Richtung. Wenn wir morgen unsere Arbeit einstellen würden, gäbe es ein großes Problem. Noch haben wir ausreichend Waren und die Lage im Griff. Doch uns wird auch kräftig geholfen, dafür an alle einen großen Dank". Foto:nh
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„Wir haben zwar ausreichend, aber eigentlich nie genug Ware“
Stark gesteigerter Bedarf bei der Bückeburger Tafel / Besondere Herausforderungen
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