Am 1. November übernahm die parteilose Andrea Lange das Amt der Bürgermeisterin der Weserstadt Rinteln. Was hat sich seither getan. Wo liegen die Schwerpunkte ihrer Arbeit? Was steht noch ganz oben auf ihrer Agenda? Das SW fragte nach bei Andrea Lange, wie sie das durch Corona klaffende Haushaltsloch stopfen will, wo sie Einsparpotential sieht, wo sie Möglichkeiten für die weitere Wirtschaftsförderung und Ansiedlung von Betrieben erkennt und wie sie die Entwicklungschancen der Rintelner Innenstadt einschätzt. Hier ihre Antworten. SW: Frau Lange, am 1. November traten sie ihren Dienst als Bürgermeisterin an, jetzt neigen sich die ersten 100 Tage bereits dem Ende entgegen. Wie ist die erste Bilanz ihres Wirkens, was konnten Sie bereits an Maßnahmen anschieben, die sie sich auf die Agenda gesetzt hatten? Andrea Lange: Ich bin sehr schnell im Rathaus in Rinteln 'angekommen'. In den ersten 100 Tagen habe ich mich in eine Vielzahl von Sachthemen vertiefend eingearbeitet und freue mich sehr, dass ich dabei nicht nur die Unterstützung der Dezernenten, sondern auch die des gesamten Rathausteams und des Bauhofs erfahre. Die Corona-Pandemie prägt auch den Alltag in der Stadtverwaltung und hat mir den Einstieg in meine neue Aufgabe nicht leichter gemacht. Notwendige Maßnahmen u.a. zum Arbeitsschutz waren und sind noch immer zu treffen, um die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung zu sichern. Der persönliche Austausch mit den Bürger*innen war leider nur eingeschränkt möglich, das bedauere ich sehr. Dennoch konnte ich einige Einladungen unter Beachtung der notwendigen Maßnahmen wahrnehmen und auch neben meinem klassischen Sitzungskalender bereits an drei Ortsratssitzung teilnehmen. Das hatte ich vor der Wahl zugesichert und werde dies auch in diesem Jahr weiter fortsetzen. Seit meinem Amtsantritt in Rinteln fördere und stärke ich die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit der Fachbereiche. Hierzu habe ich schon viele Gespräche geführt. Nicht nur in Wirtschaftsunternehmen auch in der Verwaltung ist dies oft eine Schwachstelle, die zu Effizienzeinbußen und gestörten Arbeitsabläufen führt. Aber gerade mit Blick auf die vor uns liegenden Herausforderungen der nächsten Jahre ist es wichtig, klare Aufgabenstellungen zu schaffen und die Abläufe gut aufeinander abzustimmen. Nebenbei führt dies nicht nur zu besseren Ergebnissen, es steigert auch die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist ein festes Fundament. Das Gesamtergebnis hängt i.d.R. nicht nur von einer Einzelleistung, sondern vielmehr von einer optimalen Zusammenarbeit aller Abteilungen ab. Bei der Wahl hatte ich mich für mehr Miteinander in der Ratsarbeit eingesetzt. Ich stehe für einen Austausch mit allen Fraktionsvorsitzenden und Fraktionen, so haben mich bereits alle politischen Akteure in den letzten 3 Monaten kennengelernt. Es ist wichtig, dass Gesprächskanäle immer offen stehen und man in einem vertrauensvollen Austausch miteinander ist. Meiner Ansicht nach führt dies dazu, Themen richtig zu diskutieren. Mit dem weiteren Fortkommen des Themas Brückentorkomplex liegt die erste Bewährungsprobe vor uns. Die Erfahrungen der vergangenen 100 Tage stimmen mich jedoch zuversichtlich, dass hier ein konstruktiver und ergebnisorientierter Austausch erfolgt. Wie bei meiner Antrittsrede Anfang November bereits angeführt, begonnene Konzepte und Projekte sind noch umzusetzen. Mit den Kolleginnen und Kollegen der Amtes für Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und Öffentlichkeitsarbeit arbeite ich an der Umsetzung des Förderbescheids "Perspektive Innenstadt", im Projekt "#wesererleben" erfolgte Ende Dezember der Übergang in die nächste Projektphase, das Radwegekonzept wurde gerade den Ortsräten übermittelt, im Hinblick auf die Nachfolgenutzung der IGS-alt am Kollegienplatz konnte durch einen konstruktiven und vertrauensvollen Austausch mit den Jugendlichen des Jugendtreffs und #jugendkomm eine einvernehmliche Lösung zum Umzug von der Ostertorstraße zum Kollegienplatz erzielt werden. SW: Was steht ganz oben auf ihrer To-Do-Liste für die nächsten 100 Tage? Andrea Lange: In den nächsten 100 Tagen sind die Planungen zur Nachfolgenutzung der IGS-alt am Kollegienplatz unbedingt weiter voranzutreiben. Am "Ball bleiben und weiterspielen" heißt es auch beim Radwegekonzept; hier soll es vorangehen. Ein weiteres Thema der nächsten 100 Tage wird das Schulentwicklungskonzept, notwendige Gespräche und Abstimmungen sind zu führen. Wir brauchen in Rinteln mehr Ärztinnen und Ärzte. Hier habe ich bereits mit der KVN (Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen) Ende letzten Jahres ein Gespräch geführt. In diesem Jahr sind weitere Gespräche zu führen. Da es hier keine schnelle Lösung gibt, wird dies Thema auch über die nächsten 100 Tage bleiben. Die Deutsche Bahn wird bei der Trassenführung insbesondere in diesem Jahr den Planungsprozess von der "groben Planung zur feinen Linie" weiterführen. Ein Regionaltreffen führte die Deutsche Bahn hierzu bereits im Januar 2022 durch. Ich werde mich dafür einsetzen, dass auch im Bereich Rinteln ein Infotermin stattfinden wird. Und "last but not least" steht das Vorankommen beim Brückentorkomplex oben auf der "To-Do-Liste". Ich freue mich, dass hier nun endlich nach vier Jahren Bewegung in die Entwicklung des Gebäudekomplexes gekommen ist. SW: Wo legen Sie ihre Schwerpunkte in der Arbeit? Andrea Lange: Zusammen mit dem Amt für Wirtschaftsförderung werde ich die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Wirtschaftsunternehmen stärken und den regelmäßigen Austausch suchen. In den Gesprächen mit den Bürger*innen wurden auch immer wieder der Zustand der Spielplätze im Stadtgebiet aufgeführt. Hier will die Verwaltung ebenfalls tätig werden und mit einer konzeptionellen Betrachtung und Prüfung auch ein nachhaltiges Ergebnis erzielen. Aber keins der von mir im Wahlkampf angesprochenen Themen (Klimaschutz, Digitalisierung, Wirtschaft, Menschen...) ist in den nächsten fünf Jahren zu vernachlässigen. Auch nach Amtsantritt gab es dazu keine Überraschungen für mich. Ich hatte einen realistischen Blick. Es sind große Herausforderungen vor denen wir stehen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass der Wille zur Zusammenarbeit auf allen Ebenen und Bereichen da ist. D.h. sowohl innerhalb der Verwaltung, im Austausch Verwaltung und Bürger*innen und zwischen Verwaltung und politischen Gremien. Wir haben "keine Zeit uns politisch zu verkämpfen". SW: Haben Sie bereits Einsparpotentiale im Haushalt entdeckt und wenn ja, wo? Gibt es Bereiche, wo Sie aus Sicht einer Bürgermeisterin Einsparungen ablehnen? Andrea Lange: Der Kämmerer der Stadt Rinteln stellte den politischen Gremien einen Haushaltsentwurf vor, dem eine umfassende und ausführliche Prüfung von mehreren Wochen vorausging. Dieser Entwurf durchlief sowohl zwei Finanzausschusssitzungen mit einem einstimmigen Ergebnis, den Verwaltungsausschuss und Rat der Stadt Rinteln mit jeweils wenigen Enthaltungen, ansonsten Zustimmung. Bei einer Rekordinvestitionssumme von 18 Millionen Euro (u.a. Hallenbadsanierung, Umnutzung der IGS-alt Kollegienplatz, Digitalisierung,...), kein leichtes Unterfangen für den Kämmerer und die Verwaltung, den Haushalt dennoch solide aufzustellen und dabei die Zukunftsfähigkeit im Blick zu behalten. Insbesondere dem Kämmerer gilt für die geleistet Arbeit großer Dank und ich freue mich, dass auch die Politik den Haushalt mit diesem Ergebnis verabschiedet hat. Am Tag nach der Ratssitzung wurde der Haushalt dem Landkreis Schaumburg zur Genehmigung vorgelegt. Ich hoffe auch möglichst zeitnahe Genehmigung. Insbesondere zum zweiten Teil ihrer Frage: Rinteln soll als familienfreundliche Stadt wahrgenommen werden. Wir brauchen unsere jungen Familien und hierfür die entsprechende Kinderbetreuung. SW: Wenn es um die Frage geht: "Online-Ratssitzung oder Präsenz-Ratssitzung?" Wofür schlägt ihr Herz eher? Andrea Lange: Über diese Frage wurde in verschiedenen politischen Gremien erst kürzlich beraten. Den hier gefassten Beschluss, dass die Verwaltung zusammen mit der "Arbeitsgemeinschaft Digitalisierung in der Stadt Rinteln" beauftragt wurde, Regelungen vorzubereiten mit dem Ziel, rechtskonforme Bild- und Tonaufnahmen von Ratssitzungen zu ermöglichen und genauer zu regeln, ist nach meiner Ansicht der richtige Weg. Die Tücke steckt meistens im Detail. Ich bin der Auffassung, dass diesbezüglich eine breit verankerte Einigkeit der Ratsfrauen und Ratsherren sichergestellt werden sollte. Der oben bezeichnete Weg trägt genau dazu bei. SW: Wie wollen Sie den Verfall einiger Fachwerkhäuser in Bäckerstraße, Krankenhäger Straße und Enge Straße, also quasi im Schatzkästchen unserer Altstadt, verhindern? Gibt es Möglichkeiten, die modernen Wohnansprüche von Eigentümern mit den manchmal starren Erhaltungsvorschriften des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen? Andrea Lange: Seit dem Jahr 2000 habe ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit eine enge und gute Zusammenarbeit mit der unteren Denkmalschutzbehörde, dem NLD und den Eigentümern denkmalgeschützter Gebäude kennengelernt. Die Hauptaufgabe der Denkmalschutzbehörde liegt in der Erhaltung des Denkmals. Deshalb ist jede Initiative der Eigentümer, dem Leerstand denkmalgeschützter Gebäuden entgegenzuwirken, grundsätzlich positiv zu bewerten. Leerstand und Verfall dienen keinem Denkmal. Bei den Planungs- und Ausführungsgesprächen sind mir die möglichen Spannungsfelder, insbesondere zwischen Brandschutz und Denkmalschutz oder auch Klimaschutz/PV-Anlagen und Denkmalschutz natürlich bekannt. In frühzeitigen Gesprächen vor Ort kann die untere Denkmalschutzbehörde den Eigentümern mit ihren Fachplanern erläutern, wie eine denkmalgerechte Ausführung gelingen kann. Ich sehe in dieser Beratung und Begleitung der Eigentümer/Bauherren die Möglichkeit der konsensualen Lösung. In diesem Rahmen kann auch frühzeitig gemeinsam mit der unteren Denkmalschutzbehörde über ggfs. Möglichkeit von Förderungen gesprochen werden. SW: Wie wird Rinteln nach fünf Jahren Bürgermeisterin Andrea Lange aussehen? Andrea Lange: Bei der Wahl haben mir die Rintelner*innen ihr großes Vertrauen ausgesprochen, dessen bin ich mir unverändert bewusst. Ich freue mich über meine neue Aufgabe und werde diese nach bestem Wissen und Gewissen, vollem Zeiteinsatz und Energie und meiner ganzen Kraft in den nächsten Jahren angehen. Wie wird Rinteln in fünf Jahren aussehen? Das Ziel ist natürlich nachhaltig und zukunftsgerecht aufgestellt, familienfreundlich und wirtschaftlich stark. Wie antwortete Franz Beckenbauer auf Fragen, die in die Zukunft gerichtet waren: "Schaun mer mal, dann sehn mer scho." Das war ja oftmals sehr erfolgreich!
-
100 Tage Bürgermeisterin Andrea Lange
Eine erste Bilanz ihres Wirkens und ein Blick in die Glaskugel der nächsten 100 Tage
Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum