RINTELN (ste). Ist es eine persönliche Verfehlung des Rintelner Ratsherren Dr. Ralf Kirstan (RI - Rintelner Interessen), oder wird hier die Bemühung eines Lokalpolitikers für die Belebung der Innenstadt und zur Weiternutzung eines frei werdenden städtischen Gebäudes zu einem politischen Skandal aufgebauscht? Die Bewertung der im Folgenden dargestellten Ereignisse muss jedem Einzelnen überlassen werden, allerdings passt die Aufarbeitung dieses Vorgangs in den Rintelner Wahlkampf, der derzeitig überschattet wird von persönlichen Anfeindungen über anonyme Fake-Accounts in den sozialen Netzwerken, von verschandelten Wahlplakaten mit Hakenkreuzen, von Karikaturen lokaler Politiker mit Hitlerbezug, von 24 zerstochenen Reifen bei der Fraktionsvorsitzenden der SPD, Astrid Teigeler-Tegtmeier, und von Plagiatsvorwürfen auf Wahlplakaten einer Bürgermeisterkandidatin, ebenfalls über einen Fake-Account. Zu tief darf man gar nicht einsteigen in diese Vorgänge, sonst würde man den Protagonisten dieser unterirdischen Verhaltensweisen zu viel Raum einräumen. Der Vorfall, um den es in dieser Berichterstattung gehen soll, ist in Kurzform gebracht Folgender: Dr. Ralf Kirstan war ursprünglich FDP Ratsherr, dann, im März 2020, folgte ein Wechsel zur WGS und schließlich im April 2021 zusammen mit Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser, Björn Rinne und Antje Rinne der Austritt aus der WGS und Gründung der Frakion "RI - Rintelner Interessen". Also Dr. Kirstan ist anerkannter China-Kenner, war mit einer Chinesin verheiratet und ein Motor für die Partnerschaft Rintelns mit der Stadt Tongnan in China. Er hatte die Idee, dem Pflegenotstand in Deutschland mit einer Pflegeschule in Rinteln für chinesische Studenten mit Hilfe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ein Schnäppchen zu schlagen. Vorerst 25 solcher Studenten sollten pro Jahr kommen, perspektivisch bis zu 50 pro Jahr. Das Geschäftsmodell sah vor, dass potentielle chinesische Pflegestudent*innen nach Rinteln kommen, hier eine Pflegeschule - angegliedert an die "Academia Rinteln" und die BBS - besuchen, in einer Art Studentenwohnheim wohnen und dann an Pflegedienste vermittelt werden. Soweit, so unspektakulär und gut für die Belebung der Rintelner Innenstadt. Allerdings, so die Meinung von Heinrich Sasse, trat Dr. Kirstan gegenüber einem potentiellen Investor, der IMMAC Group aus Hamburg, einem der führenden Partner für Healthcare-Immobilien und derzeitigem Investor in ein Altenheim an der Dauestraße und einem weiteren Objekt in der Klosterstraße, in einem Anschreiben so auf, als wenn er legitimiert wäre, Immobilien von Stadt und Landkreis zum Kauf anzubieten. Konkret handelt es sich um das derzeitige Mehrgenerationenhaus (im Eigentum der Stadt und angedacht als Wohnheim für die Studenten) und die IGS am Standort Ostertorstraße, die im Eigentum des Landkreises Schaumburg ist. Hier hätte die Pflegeschule einziehen sollen. Dr. Kirstan hatte dem Investor mitgeteilt, dass Stadt und Landkreis verkaufswillig seien. Dr. Kirstan stellte auch einen Renditeplan für die Unterbringung der Student*innen im dann umgebauten Mehrgenerationenhaus vor und einen Plan, wie man gewinnbringend in einer GmbH das Geschäftsmodell mit den Pflegekräften umsetzen könnte. Ein Name in dieser bislang fiktiven GmbH: "Kirstan!" Auch der Name in der GmbH und die Einleitung des Schreibens an den Investor IMMAC als "Ratsherr und stellvertretender Ratsvorsitzender" stieß bei Heinrich Sasse (WGS) auf Missfallen. Auch, dass Dr. Kirstan die Bereitschaft von Stadt und Landkreis zum Verkauf ihrer Gebäude darstellte und damit nach Ansicht von Sasse signalisierte, dass er berechtigt sei, Verhandlungen im Namen der Stadt und des Landkreises zu führen, kritisierte der WGS-Ratsherr. Sasse befürchtete: Hier will ein Ratsherr seinen persönlichen finanziellen Vorteil aus seinem Mandat ziehen. Sasse wandte sich also an Bürgermeister Thomas Priemer und verlangte Auskunft über eventuelle Verkaufsabsichten der Stadt und des Landkreises und darüber, ob Dr. Kirstan eine entsprechende Legitimation hatte, mit einem Investor darüber zu verhandeln. "Hatte er nicht", so in Kurzform die Antwort des Bürgermeisters und weiter: Noch gäbe es keine belastbare Erklärung, wie mit der städtischen Immobilie Mehrgenerationenhaus weiter verfahren werden solle und auch der Landkreis wolle seine Immobilie nicht verkaufen. Ausschließlich der Hauptverwaltungsbeamte hätte die Legitimation, die Kommune nach außen in Rechts- und Verwaltungsgeschäften zu vertreten. Dr. Kirstan dürfe das nicht. Allerdings dürfe er für seine Stadt werben und auch privat Geschäftsanbahnungen tätigen. Dr. Kirstan selbst sieht den Sachverhalt komplett anders. Es sei richtig, dass er gemeinsam mit anderen Investoren die Idee einer Pflegeschule in Rinteln für chinesische Student*innen vorantreiben wollte und dazu auch die beiden Objekte Mehrgenerationenhaus und IGS Ostertorstraße ins Spiel brachte. Allerdings sei Bürgermeister Thomas Priemer von Beginn an in alle Verhandlungsschritte eingebunden gewesen und hätte die Idee unterstützenswert gefunden; zumindest besser als die Pläne des Landkreises, der über eine Außenstelle des Gesundheitsamtes in der jetzigen IGS nachgedacht hätte. Nachdem ein potentieller Investor aus Bremen weggebrochen sei, habe er in kurzer Zeit und in Kurzform einen Renditeplan für die IMMAC als möglichen neuen Investor aufgestellt und dabei auch seinen Namen in der noch zu gründenden GmbH genannt. Dies sei jedoch noch zu einer Zeit gewesen, da er Mitglied der WGS war und er habe Heinrich Sasse von Beginn an in seine Pläne eingebunden: "Sasse kannte die Vorgänge seit Februar diesen Jahres", wundert sich Dr. Kirstan, dass sein ehemaliger WGS-Kollege gerade jetzt, kurz vor der Wahl, mit diesem angeblichen "Skandal" in die Öffentlichkeit gehe. Die Einnahmen der GmbH seien für einen Fuhrpark und das Gebäudemanagement gedacht und damit er mit seinen politischen Ämtern nicht mit privaten Ideen in Konflikt gerate, sei er extra aus dem Verwaltungsausschuss ausgetreten. Den Vorwurf Sasses, er habe sein Ratsmandat für persönliche Interessen missbraucht, weist Dr. Kirstan von sich. Vielmehr sieht er in den Vorwürfen seines ehemaligen WGS-Kollegen ein bereits von Sasse ihm gegenüber angekündigtes Verhalten umgesetzt: "Er hat mir indirekt gedroht, ich solle wegen der Pflegeschule aufpassen. Das könnte auch unangenehm für mich werden, insbesondere, wenn man auf die Frage von Menschenrechtsverletzungen in China schaue!" Hintergrund der Drohungen von Sasse sei sein Austritt aus der WGS und seine Treue zu Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser in der neuen Fraktion "RI Rintelner Interessen" gewesen: "Herr Sasse wollte, dass ich seine Feindschaft gegen Herrn Prof. Dr. Neuhäuser mit übernehme und stattdessen ihm die Treue in der WGS halte", so Dr. Kirstan. In der Gesamtbetrachtung, das räumte Dr. Kirstan gegenüber dem SW ein, sei es sicher unglücklich gewesen, seinen Namen in der zu gründenden GmbH zu nennen. Sein Ziel sei es jedoch von Beginn an gewesen, die Stadt Rinteln, die Academia Rinteln, die Berufsschule und das Pflegesystem zu stärken und von seiner Idee sei er noch immer überzeugt. Die Frage bleibt nun: Handelt es sich hier tatsächlich um einen handfesten politischen Skandal mit persönlicher Vorteilsnahme eines Ratsmitglieds aus seinem Ratsmandat, oder ist es eine zeitlich bewusst kurz vor der Kommunalwahl gewählte persönliche Diffamierung eines Politikers, der in seiner ehemaligen Fraktion, der WGS, in Ungnade gefallen ist und deshalb ein Rachefeldzug gegen ihn gestartet wird. Die geneigte Leserschaft des SW darf und muss hier diese Frage für sich selbst beantworten. Fest steht allerdings, dass es in der Rintelner Ratspolitik nach diesem Wahlkampf eine Menge verbrannter Erde gibt und dass eine vertrauensvolle Arbeit zum Wohl der Stadt untereinander schwerlich möglich sein wird; egal zu welchem Ergebnis die Leser*innen dieses Artikels gekommen sein mögen. Veit Rauch von der CDU fordert daher von seinen Ratskolleginnen und -kollegen derzeit eine "Ehrenerklärung" ein, dass niemand von ihnen für die Fake-Accounts mit den entsprechenden Anfeindungen zu tun habe. Foto: ste
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Politischer Skandal oder persönliche Diffamierung
Heinrich Sasse beschuldigt Dr. Ralf Kirstan der Ausnutzung seines Ratsmandats für persönliche Interessen
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