1. Als ich vor zehn Jahren nach D...

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    Als ich vor zehn Jahren nach Deutschland kam, bin ich in eine ganz andere Kultur eingetaucht. Alles war neu und mir fremd, zum Beispiel die Kirchenlieder. In meiner Heimat wird völlig anders gesungen. Sicher hat meine Gemeinde anfangs so manches Mal gestaunt, wenn sie meinen Gesang gehört hat! Aber inzwischen sind mir viele Lieder wohlbekannt, ich höre und singe sie gern. Vor kurzem nun habe ich ein neues Kirchenlied kennen gelernt, das mir sehr gefällt: "Geh aus, mein Herz, und suche Freud". Der evangelische Theologe Paul Gerhard hat Mitte des 17. Jahrhunderts den Text für dieses fröhliche und schwungvolle Lied geschrieben. In der ersten Strophe fordert er "sein Herz" auf, hinauszugehen in die Natur und die Schönheit der Schöpfung Gottes zu genießen. Er beschreibt in berührenden Bildern die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt: Da sind die schönen Gärten, da ist die Lerche, die sich in die Luft schwingt, die Nachtigall, die herrlich singt, der Storch, der sein Nest baut, das Reh, das herbeispringt, die unverdrossene Bienenschar. Vor unserem inneren Auge lässt Paul Gerhard ein großes Gemälde entstehen. Man könnte meinen, dieser Liedtext sei von einem Menschen geschrieben worden, der keine Sorgen kennt. Aber genau das Gegenteil war der Fall! Paul Gerhard hat Leid und Not, Krieg und Tod bitter durchleben müssen. Als er diese Worte schrieb, war der 30jährige Krieg gerade erst vorbei. Seine Heimat lag in Schutt und Asche, die Pest breitete sich aus. Er sorgte sich um seine Frau, die in tiefer Trauer war, denn zum wiederholten Mal mussten sie den frühen Tod eines ihrer Kinder beklagen. So hat er die Einladung an "mein Herz" wohl nicht nur an sich selbst gerichtet, sondern vor allem an seine Frau. Viele von uns sind derzeit ebenfalls niedergedrückt, denn die Pandemie hat die meisten von uns doch mitgenommen. Auch unter uns Geistlichen gibt es nicht wenige, die zermürbt und in Sorge um die Zukunft ihres Gemeindelebens sind. Es ist doch eigentlich unsere Aufgabe, den Menschen Trost zu spenden, aber jetzt brauchen auch wir gelegentlich Trost. In dieser Situation, denke ich, hilft es, der Einladung Paul Gerhards zu folgen, in die Natur hinauszugehen und ganz genau hinzuschauen, alles aufmerksam wahrzunehmen, was wir sehen und hören. Denn wenn man achtsam und bedächtig spazieren geht, nimmt man so viel mehr wahr, so zum Beispiel im Moment die unterschiedlichen Grüntöne der Blätter, die nun wieder wachsen, und die vielen herrlichen Blumen. Wer keine Kopfhörer aufhat, kann die schönsten Vogelstimmen hören, auch den markanten Ruf des Kuckucks. Man kann sich daran erfreuen und das ist Balsam für die Seele! Für Paul Gerhard war die Natur wie ein Buch, in dem wir lesen und so manche Spur Gottes entdecken können - und die Gaben, die er uns schenkt. Wie Paul Gerhard bin ich davon überzeugt: Wer diese Gaben Gottes sucht und findet, der findet letztlich eine tiefe Freude im Herzen. Gerade in der diesjährigen Frühlingszeit sagt uns Gott: "Sei nicht mutlos! Steh auf und geh hinaus! Du wirst sehen: Das Leben wird wieder schön!".

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