LANDKREIS (mk). Die Corona-Pandemie wirbelt seit nunmehr einem Jahr das Leben aller durcheinander. In der aktuellen Krise gibt es Personenkreise, die in besonderem Maße von den Einschränkungen betroffen sind. Dazu zählen unter anderem die zahlreichen Selbsthilfegruppen. Denn ein persönlicher Austausch ist zurzeit nur sehr eingeschränkt statt, dabei sind diese Treffen für Betroffene von zentraler Bedeutung. Die Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen Kreisverband Schaumburg bietet als zentrale Anlaufstelle, Hilfe und Unterstützung. In Selbsthilfegruppen schließen sich Menschen zusammen, die ein Thema verbindet. Oftmals finden diese in einer Selbsthilfegruppe Expertinnen und Experten in eigener Sache. Die Teilnehmenden einer Selbsthilfegruppe profitieren von der Erfahrung und dem Wissen der anderen, unterstützen sich gegenseitig. In Zeiten von Corona unterstützt die Kontaktstelle nicht nur in Sachen Selbsthilfe, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen, in denen sich Betroffene mit Sorgen, Ängsten und Verunsicherungen konfrontiert und alleine fühlen. Allen Bürgerinnen und Bürger in Schaumburg, die sich ein offenes Ohr, Zuspruch und Krisenbewältigungsstrategien wünschen, stehen die Mitarbeitenden im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Seite. Einige Gruppenleiter standen dem Schaumburger Wochenblatt Rede und Antwort zur aktuellen Situation und den damit verbundenen Herausforderungen. In dieser Woche sprachen wir mit Iris Wesling von der Autismus Selbsthilfe-Gruppe. SW: Findet ein aktueller Austausch statt? Iris Wesling: Ein aktueller Austausch in der Gruppe findet nicht statt. SW: Wie sieht der Austausch derzeit aus? IW: Es kommt vermehrt zu Einzelanfragen, zum Beispiel bezüglich Motivation die Hausaufgaben zu erledigen oder Schulaufbahnanfragen. Vermehrt liegt das "Homeschooling" den Autisten nicht so. Ihnen fehlt das abstrakte Vorstellungsvermögen, die Vorstellungskraft oftmals. Visuelle, konkrete Beispiele liegen ihnen eher. SW: Wo können dich Betroffen melden? IW: Betroffene/Interessierte können sich gern für Beratungen bei der "Gruppenleitung" telefonisch melden. Wir vereinbaren dann einen Einzeltermin mit viel Abstand. Am Telefon ist eine Beratung kaum möglich. Ferner können dann Adressen und Informationsmaterial mitgegeben werden. SW: Wie kann die Teilnahme in der Selbshilfegruppe helfen? IW: Durch (gleiche) Erfahrungen der Gruppenteilnehmer kann oft geholfen werden, zum Beispiel weiterführende Schule finden, die "Autismus" freundlich ist. SW: Aktuell sind keine persönlichen Treffen möglich, wie wirkt sich das auf die Betroffenen aus? IW: Die Betroffenen und die Gruppenteilnehmer wünschen sich gerne wieder einen persönlichen Austausch. Bis dahin versuchen sie aber durchzuhalten. Man tauscht sich in Abständen telefonisch aus und wartet ab und hat Hoffnung auf ein baldiges Treffen. Die Sorgen und Nöte werden kaum auf politischer Ebene wahrgenommen. Die pflegenden Eltern müssen mehr wahrgenommen werden. Diese fungieren in Doppel- oder sogar Dreifachfunktion: Arbeit/Homeoffice; Haushalt/Familie und Pflege zu Haus. Die Unterstützung von der Politik fehlt total. Zum Beispiel in Bezug auf frühere Impftermine, es handelt sich auch um pflegende Personen. Manchmal gibt es auch "Pflegegeld" oder die Unterstützung durch einen Assistenten/Schulbegleiter. Diese wird aber in Pandemie Zeiten nicht gewährt. Die seelischen und psychischen Reaktionen sind ansteigend. Die Beratung des/der Betroffenen durch die "pflegenden Eltern" zu Haus ist schwierig. Die Nöte werden mit zunehmender Pandemie beziehungsweise dem Homeschooling weiter steigen: Computerspiele werden gespielt anstatt Schulaufgaben zu erledigen. Häufig gibt es (sinnloses) Chatten mit den Mitschülern, aber keine produktive "Arbeit". Auch ziehen sich besonders die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend zurück. Sie nehmen nur noch zu Mahlzeiten am Familienleben teil. Oft hilft es, wenn ein Außenstehender, ein objektiver Berater (Pate/ Onkel, Tante, lieber Nachbar, u. a.) Tipps und Ratschläge in dieser Zeit gibt. Vielleicht in einem Gespräch über den Gartenzaun. Man muss behutsam daran arbeiten: Motivation, Integration ins das tägliche Familienleben, Tagesstruktur, Kommunikation, Bewegung, Sport. Gerade die Gemeinsamkeit mit Freunden fehlt zunehmend, auch den Autisten. SW: Gibt es noch andere Unterstützungsangebote, die bei Bedarf helfen können? IW: Eventuell können sich Betroffene an die Beiräte für Behinderung in ihrer Kommune wenden. Oder sich sogar an die Landesbeauftragte Frau Wontorra in Hannover wenden. SW: Vielen Dank für das Gespräch. Foto: Adobe Stock
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Selbsthilfe nur bedingt möglich
Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter sprechen über die aktuelle Situation
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