1. Wenn Menschen einsam sterben

    Diakonisches Werk muss Angebote einschränken / Mehr Beratung nachgefragt

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    LANDKREIS (mk). Der Corona-Virus beeinflusst alle Bereiche des Lebens, so auch die Arbeit des Diakonischen Werkes der ev.-luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe e.V., wie Geschäftsführer Gunter Hartung im Gespräch mit dem Schaumburger Wochenblatt erläutert. Und dabei geht es nicht allein um die Auswirkungen auf Beratungsangebote und die finanzielle Situation, sondern insbesondere um die menschliche Komponente. Ganz besonders tragisch: der ambulante Hospizdienst konnte kaum Begleitungen durchführen, viele Menschen seien daher einsam gestorben, wie Hartung erklärt, "ein menschliches Drama". Das Diakonische Werk ist in den unterschiedlichen Bereichen tätig - von der Beratung über Besuchsdienste bis hin zum ambulanten Hospizdienst steht es den Menschen in schwierigen Situationen zur Seite. Pro Jahr erhält es dafür durchschnittlich eine Million Euro an zweckgebundenen Mitteln, ein Teil der Angebote muss jedoch ohne öffentliche Zuschüsse finanziert werden. Dazu gehören unter anderem die Sozial-, die Ehe- und die Lebensberatung. Auch einzelne Projekte werden nur gefördert, wenn das Diakonische Werk einen Eigenanteil beisteuert. Für den ambulanten Hospizdienst übernehmen die Krankenkassen einen Teil der Kosten. Andere Einnahmen werden ausschließlich in Form von Spenden generiert. Aufgrund der Pandemie rechnet das Diakonische Werk mit bis zu 70 Prozent weniger als noch im Vorjahr, wie der Geschäftsführer mitteilt. "Das ist das Geld, was man so als Sahnehäubchen obendrauf geben kann." Viel komme über die Kollekte in den Gottesdiensten zusammen, aber auch Konzerte, Basare und Ähnliches konnten nicht stattfinden: "Keine kirchlichen Veranstaltungen, keine Sammlungen, kein Geld", bringt es Hartung auf den Punkt. Allein in diesem Bereich fehlen etwa 7.000 Euro. Ein einsamer Tod Ein Bereich hat besonders gelitten und zu einem menschlichen Drama ungeahnten Ausmaßes geführt: Im vergangenen Jahr konnte der ambulante Hospizdienst kaum Begleitungen durchführen - weder im privaten Bereich noch in den Alten- und Pflegeheimen durften die ehrenamtlichen Sterbebegleiter tätig werden. Teilweise sei die Begleitung vollständig zusammengebrochen. Die Folge: viele Menschen sind einsam verstorben, Angehörige konnten sich nicht verabschieden, Trost und Unterstützung blieben aus. "Das ist wirklich eine Katastrophe", macht Hartung deutlich. Inzwischen sei die Begleitung offiziell zwar wieder gestattet, viele Einrichtungen täten sich aber schwer damit, Fremde in ihre Räumlichkeiten zu lassen aus berechtigter Sorge vor einer Ansteckung und Ausbreitung des Corona-Virus. Aber auch die ehrenamtlichen Sterbebegleiter, die meist selbst zur Risikogruppe gehören, hätten große Sorge, das Virus in die eigene Familie zu bringen. Ein persönlicher Austausch oder gar eine Supervision könne zurzeit nicht stattfinden, ebenfalls eine große Belastung für die Ehrenamtlichen. Alleine mit der Sucht Suchtkranke kämpfen in Zeiten von Corona häufig alleine gegen ihre Zwänge an. Niedrigschwellige Angebote, wie zum Beispiel die Selbsthilfegruppen, können nicht stattfinden. Dabei ist gerade dieser offene Austausch meist der erste Schritt, sich beispielsweise in einer Klinik professionell helfen zu lassen. Zudem sind diese Gruppen wichtig, um Personen nach einem stationären Entzug Stabilität in ihrem Alltag zu ermöglichen. Die Pandemie-Situation stelle für viele eine weitere Belastung dar. "Das bereitet uns große Sorgen", erläutert Hartung. Mittlerweile dürfen Therapieeinrichtungen wieder behandeln. Allerdings hätten viele Betroffene nun Angst vor Kontakten und würden das Angebot daher nicht nutzen. Der Aufnahmestopp in stationären Einrichtungen während des ersten Lockdown wirke sich auch finanziell aus: Zurzeit gibt es keine Anfragen beim Diakonischen Werk und Hartung rechnet mit Einbußen zwischen 6.000 und 8.000 Euro. Mehr Beratungsbedarf Die private Schuldnerberatung war im Lockdown möglich, mit entsprechendem Hygienekonzept und als Einzelgespräch. "Das hat gut funktioniert", bilanziert Hartung. Vieles sei telefonisch durchgeführt worden. Die "offene Sprechstunde" könne jedoch nicht mehr angeboten werden, Beratungen sind ausschließlich nach Terminvereinbarung möglich. Dabei sei das offene Angebot wichtig, denn viele Betroffene würden sich spontan entscheiden, sich helfen zu lassen und stünden dann vor verschlossenen Türen. Die Niedrigschwelligkeit habe eingebüßt. "Es hat sich viel verändert, aber es ist nicht so, dass es nicht funktioniert", stellt Hartung klar. Wichtig sei: "Wir sind erreichbar." Auch die Ehe- und Lebensberatung ist weitergelaufen und hier hat es nach Auskunft des Geschäftsführers eine deutliche Zunahme der Anfragen gegeben. "Wir sind der Nachfrage vor Weihnachten kaum Herr geworden", macht Hartung deutlich. Der Lockdown mit seinen Kontaktbeschränkungen wirke sich auch auf Paare aus. Homeschooling, Homeoffice - die Belastungen stiegen und viel bleibe an den Frauen hängen, wie Hartung beobachten konnte. Das führe zu Konflikten innerhalb der Familie. Das Diakonische Werk sei weiterhin eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die Hilfe und Unterstützung benötigen, betont Hartung. Aus diesem Grund wird auch weiterhin eine Beratung angeboten, wenn auch in etwas anderer Form. Seiner Meinung nach werden sich die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft erst in ein paar Jahren zeigen. Foto: DiakonischesWerk

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