1. #meinherzgehörtmir

    Gewalt gegen Frauen und Zwangsehen verhindern

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    LANDKREIS (mk). Am heutigen Mittwoch, dem 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Diesen Tag hat das Mädchen- und Frauenberatungszentrum BASTA zum Anlass genommen, um über mehrere aktuelle Themen zu informieren. Dabei geht es um neue Projekte, aber auch um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Frauen in Schaumburg und um das Thema Zwangsheirat. Deutlich wurde, dass es nicht, wie zu Beginn der Pandemie befürchtet, zu einer deutlichen Zunahme der häuslichen Gewalt gekommen ist. Ingetraud Wehking konnte berichten, dass es keinen großen Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt gibt. Aufgrund von Corona habe BASTA die telefonische Beratung ausgeweitet, dieses Angebot sei sehr gut angenommen worden. Persönliche Gespräche fanden ausschließlich bei Notfällen satt, für diese hat das Team extra ein "Luftwäschegerät" angeschafft. Birgit Baron fügt hinzu, dass Woche für Woche darüber entschieden wird, wie eine Beratung durchgeführt werden kann. Aktuell gelten die üblichen Zeiten wieder, Gespräche finden nach Absprache statt. Die enge Zusammenarbeit mit den Schulen in Form von Projekten muss derzeit flexibel gehandhabt werden. Die Situation der Klientinnen ist laut Baron sehr unterschiedlich: Einige zögen sich komplett zurück, bei einigen Frauen würden die Gesichtsmasken sogar Angstzustände auslösen. Diese seien auf traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit zurückzuführen. Die allgemein angespannte Situation sowie die diversen Einschränkungen im privaten und öffentlichen Leben hätten bei einigen Klientinnen Depressionen verursacht oder bereits vorhandene verstärkt. Zudem würde es aufgrund von Schul- und KiTa-Schließungen sowie der Arbeit im Homeoffice eng in den eigenen vier Wänden. Die Auswirkungen seien dabei sehr unterschiedlich, wie Baron erklärt. Einige Familien empfänden weniger Stress, weil die Eltern beispielsweise im Homeoffice sind und daher flexibler auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen können. In anderen würden sich hingegen die Probleme verstärken, da es für die Betroffenen keine "Pause" von ihrem Peiniger gibt, weil dieser nun den ganzen Tag daheim ist. Und für die Kinder sei das dann in etwa gleichzusetzen wie mit einem "Leben an der Front". Der Gesprächsbedarf habe sich erhöht, macht Baron deutlich, und so ist die Zahl der telefonischen Krisenintervention angestiegen. Aktion #meinherzgehörtmir Anlässlich des Internationalen Tages "Nein zu Gewalt an Frauen" am 25. November hat die Organisation "terre de femmes" das Jahresthema 2020 unter das Motto "#meinherzgehörtmir" gestellt. Im Mittelpunkt stehen Zwangsehen, allein in Deutschland werden pro Jahr im Schnitt 74 Zwangsehen polizeilich erfasst. Auch BASTA hat sich mit der Problematik im Landkreis Schaumburg befasst, genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Das liegt insbesondere daran, dass diese Ehen nicht von einem offiziellen Standesamt geschlossen werden, sondern im Familienkreis stattfinden. Nur in Einzelfällen kommt es zu einer Anzeige oder gar zu einer Auflösung der Ehe. Im kommenden Jahr möchten die verschiedenen Institutionen ein Netzwerktreffen zu diesem Thema veranstalten. Es geht um Aufklärung beispielsweise von Lehrer*innen und Erzieher*innen aber auch um die eigene Befähigung, denn das Thema ist sehr komplex. Je sicherer das Netzwerk sei, umso eher würden diese Fälle erkannt. Die Bandbreite der Zwangsehen ist groß- von der arrangierten bis hin zu unter angedrohter Gewalt geschlossenen Ehe. Baron betont: "Die Wahl der Mädchen und Frauen geht vor. Wer sich nach der Beratung dennoch für die Ehe entscheidet wird nicht alleine gelassen." Betroffene würden über sämtliche Möglichkeiten aufgeklärt und erhalten umfassende Unterstützung. Nur wenn Gefahr für Leib und Leben bestehe, würde auch gegen den Widerstand des Mädchens gehandelt. Schwierige Kontaktaufnahme Ein großes Problem ist, dass BASTA von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund kaum wahrgenommen wird. Von 150 Fällen stammten gerade einmal zwanzig Frauen beziehungsweise Mädchen aus einem anderen Kulturkreis, macht Wehking deutlich. Eine interkulturelle Kontaktaufnahme sei sehr schwierig, zum einen weil kein Personal vorhanden sei, zum anderen die Sprachbarriere beispielsweise bei geflüchteten Frauen zu groß sei, führt Wehking weiter aus. Und Baron ergänzt, dass es immer noch einen großen Teil der Bevölkerung gebe, der Frauen das Recht auf eine gewaltfreie Beziehung verwehre. Erschreckend sei zudem, dass trotz der Anstrengungen der vergangenen 30 Jahre, junge Mädchen auch heute noch in gewalttätigen Beziehungen feststecken. Und Zwangsheirat sei ein Teil dieser Gewalt. Deshalb unterstützt BASTA die Aktion "#meinherzgehörtmir", denn das Problem sei lange Zeit unterschätzt worden. BASTA beteiligt sich auch an dem Aktionsmonat "Unsere Nachbarschaft ist #stärkeralsgewalt". Mit diversen Informationsmaterialien soll das Bewusstsein geschärft und dem Thema Gewalt gegen Frauen und Männer mehr Aufmerksamkeit verschafft werden. Handlungsmöglichkeiten und Hilfsangebote werden aufgezeigt, Nachbarschaften mobilisiert und sensibilisiert. BASTA ruft Vereine, Kegelclubs und andere Gruppen dazu auf, sich beim Mädchen- und Frauenberatungszentrum zu melden und sich zu informieren. Online-Beratung Aktuell arbeiten vier Beraterinnen mit 99 Wochenstunden bei BASTA. Der Verein hat aus dem Förderprogramm "Hilfesystem 2.0" 3.800 Euro für die Online-Beratung erhalten, hierfür konnte nun entsprechende Hardware angeschafft werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" gefördert und wird durch Frauenhauskoordinierung umgesetzt. Das Projekt zielt auf eine verbesserte technische Ausstattung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen ab. Nun fehlen noch entsprechende Software sowie die personelle Ausstattung. Für eine vernünftige Online-Beratung wäre eine zusätzliche halbe Stelle notwendig. Foto: mk

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