1. "Wir müssen alle offenbar wer...

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    "Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi". So formuliert es der Apostel Paulus in seinem zweiten Brief an die Korinther. Sie sind überrascht, gar erschrocken über dieses Wort? Das verstehe ich. Christus - nicht nur Heiland und Retter, sondern auch Richter. Anscheinend nicht der, der alle einfach so durchwinkt und Fünfe gerade sein lässt. Jemand, der noch einmal draufschaut und mein Leben beleuchtet. Und wir, die wir im Leben so manches Mal ungeheuer viel Energie aufwenden, damit unsere dunklen Gedanken und Handlungsmotive, unsere Ängste und Hartherzigkeiten anderen möglichst verborgen bleiben, müssen vor diesem Richter dereinst Farbe bekennen. Davor wird es kein Entrinnen geben, und Gott weiß wohl, was da alles im Lebensbuch drinstehen könnte. Dinge, wo wir dachten, die seien schon längst ausradiert und übermalt. Wem wird angesichts solcher Aussichten nicht mulmig zumute? Richten, das machen wir lieber selber. Urteilen über solche, die anders denken, glauben, handeln als wir. Wir wissen schließlich, woran man sich zu halten hat, was die Norm ist. Für die sich so mancher übrigens gern auf Gott beruft. Noch am Beginn des 21. Jahrhunderts behaupten vereinzelt Christen, bei ihrer Kriegsplanung Gott auf ihrer Seite zu haben. Gut, das es da immer noch den Volkstrauertag gibt. In diesem Jahr lädt der Volksbund Deutsche Kriegsgräber e.V. dazu ein, des Kriegsendes vor 75 Jahren zu gedenken. An so einem Tag stellt sich die Frage, wie wollen wir unser Miteinander gestalten, sowohl im Großen, wie auch im Kleinen. Sowohl im Blick auf unsere Geschichte als auch auf Gegenwart und Zukunft. Erinnern wir uns aufrichtig unserer Geschichte und der damit verbundenen Schuld, damit Frieden und Versöhnung weiterwachsen? Oder stelle ich nicht bei mir selber fest, dass seltsamerweise fast immer nur "die anderen" Schuld haben? Warum ist das so? Vielleicht, weil ich mir durchaus meines eigenen Versagens bewusst bin, aber nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Vielleicht, weil der inneren Belastung die Furcht korrespondiert, von Mitmenschen bloßgestellt zu werden, wenn sie erfahren, wie es in Wahrheit um mich bestellt ist. Dann wäre der Angriff durch Schuldzuweisung nichts als ein schlechter Versuch eigener Verteidigung. Das kann Mitmenschen in arge Bedrängnis bringen und brachte Jesus damals sogar den Tod am Kreuz. Im Letzten aber wird diese Haltung scheitern: "Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi." Für mich klingt darin nicht nur eine Mahnung an, sondern auch eine Hilfe. Sein Angebot, mich Gott zu offenbaren, mir in Anwesenheit eines Bruders, einer Schwester von der Seele zu reden, was Leben durch meine Schuld belastet und mir Vergebung zusprechen zu lassen, gilt schon jetzt. Einmal aber wird gewiss alles Verbergen ein Ende haben, das Gute und das Böse, das mich ausmacht, wird hell beleuchtet sein. Darüber werde ich wohl zu Tode erschrecken. Und ich bin darauf angewiesen, dass der Richter Gnade vor Recht ergehen lassen wird.

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