1. Hausärzte sind gefragter denn je

    Landkreis Schaumburg ist statistisch gesehen gut versorgt / Kritik an Bedarfsplanung der KVN

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    LANDKREIS (jb). Schaumburg sei in Bezug auf Hausärzte und Fachärzte eigentlich gut versorgt - zumindest statistisch gesehen. Denn die Schaumburger selbst haben ein ganz anderes Gefühl, was die ärztliche Versorgung im Landkreis angeht. Das war das eindeutige Ergebnis der Diskussionsveranstaltung "Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum" in der gut gefüllten Wandelhalle, organisiert von der SPD-Bundestagsabgeordneten Marja-Liisa Völlers. Ein Arzt sei für etwa 1670 Einwohner zuständig. 180.000 niedergelassene Ärzte gäbe es derzeit bundesweit. "Und wir gehen davon aus, dass der Bedarf an Ärzten noch weiter steigen wird", sagt Sabine Dittmar (Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion). Der gesamte Arztbereich im Landkreis Schaumburg sei laut der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) jedoch grundsätzlich gut versorgt. In Bad Nenndorf und Rodenberg beträgt der Versorgungsgrad von Hausärzten 107,8%, weswegen hier nur noch eine halbe Stelle besetzt werden könne. In Stadthagen sind es 96,6%, in Rinteln 91,5%. Erst unter 75% spreche man von einer Unterversorgung. In Bückeburg gibt es mit 111% sogar eine Überversorgung, weswegen sich dort derzeit kein neuer Hausarzt ansiedeln darf. Ähnlich sieht es auch bei der fachärztlichen Versorgung im Landkreis aus. "Bei allen Ärztegruppen liegt hier eine Überversorgung vor, lediglich zwei Nervenärzte könnten sich in Schaumburg noch ansiedeln", erläutert der Vorstandsvorsitzende der KVN Mark Barjenbruch. Kritik an
Bedarfsplanung Einige Zuschauer kritisierten diese mit Zahlen bestückte Bedarfsplanung. So erklärte Albert Brüggemann (SPD Bückeburg), dass es nichts nütze mit Zahlen zu jonglieren, sondern jetzt dringend etwas getan werden müsse. Denn wie auch Sabine Dittmar und Friedrich Schütte (Vorstandsvorsitzender der BKK24 Schaumburg) vorab erwähnt hatten, hätten Ärzte gerade im Bereich der Allgemeinmedizin einen hohen Altersdurchschnitt. Das würde bedeuten, dass in naher Zukunft viele Hausärzte in Rente gehen würden und es dann schwierig wäre, genug Nachfolger zu finden. "Man bräuchte mittlerweile zwei neue Kollegen für einen ausscheidenden Arzt, da sich der Wunsch nach einem halbwegs geregelten Arbeitseinsatz heutzutage viel mehr durchsetzt. Das betrifft vor allem junge Ärzte", sagte Barjenbruch. Einer der Gründe warum auch Allgemeinmediziner Ulrich Mohr aus Bückeburg gegenüber dem SW erklärt, dass die Bedarfsplanung der KVN auf jeden Fall verbesserungsfähig sei. Ein weiterer Grund: 1995 sei jeder Mensch etwa fünf Mal im Jahr zum Arzt gegangen, 2016 wäre diese Zahl bereits auf durchschnittlich zehn Arztbesuche pro Jahr gestiegen. Auch die Versorgungserwartung der Patienten und die immer öfter fehlende Gesundheitserziehung wären somit entscheidende Punkte, die es zu verändern gilt, sagt Mohr. Um dem bevorstehenden Mangel an Allgemeinmedizinern entgegen zu wirken, könne laut Völlers unter anderem die Landarzt-Quote helfen. Jeder zehnte Medizin-Studienplatz soll dabei an Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, im Anschluss als Allgemeinärzte in unterversorgten Regionen zu arbeiten. Ein Referentenentwurf dazu läge vor, noch müsse dieser allerdings mit dem Wissenschafts- und Gesundheitsministerium abgestimmt werden. Terminservice- und
Versorgungsgesetz Ursula Hupe (SPD Lauenau) kritisierte den fehlenden Bereitschaftsdienst im Flecken. Am Freitagnachmittag könne man beispielsweise keinen Hausarzt mehr erreichen und müsste nach Vehlen ins Krankenhaus fahren. Doch für ältere Bürger sei dies kaum möglich. Hier müsste dringend etwas geändert werden, sagt sie. Auch kritisierte sie die teils bis zu fünf Monate langen Wartezeiten für einen Termin bei Fachärzten. Hier wies Dittmar jedoch auf das im Mai letzten Jahres in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz hin, das gesetzlich versicherten Patienten schneller ermöglichen soll einen Termin bei einem Facharzt zu erhalten und dies gleichzeitig für die Hausärzte lukrativer machen soll. Dass dieses Gesetz jedoch vor allem bürokratischen Aufwand bringt, erklärt Mohr dem SW. Kaum Hausbesuche, wenig Transportmöglichkeiten Wilfried Koch (Seniorenbeirat Nenndorf) bemängelte, dass viele Hausärzte gar keine Hausbesuche mehr durchführen würden und auch Ulrich Mohr bestätigt, dass Hausbesuche immer weniger werden würden. Dittmar reagiert sofort darauf und erklärt, dass Hausbesuche mit zum Berufsbild des Hausarztes gehören und es nicht sein könne, dass diese nicht mehr durchgeführt werden. Sie erklärte, dass Hausbesuche am besten Bestandteil der Zulassung eines Arztes werden sollten. Sowohl Koch als auch Willi Gerland (Seniorenbeirat Rodenberg) kritisierten, dass die Transportmöglichkeiten im Landkreis stark ausbaufähig wären. Unter Pflegestufe 3 müsse man das Taxi zum Arzt selber bezahlen und auch die Nutzung solcher Anruf-Taxis sei nicht immer möglich. Hier sei eine wesentlich bessere Mobilität im ländlichen Raum nötig. Foto: jb/fotolia

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