1. In meinem Briefkasten liegt ei...

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    In meinem Briefkasten liegt eine Postkarte. Ich freue mich riesig. Wann bekommt man denn heute noch eine Postkarte? Auf der Vorderseite: Ein Blütenzweig von einem Obstbaum und die Worte "Ich denke an Dich!". Ich drehe die Karte um und sehe, dass sie von jemandem kommt, die ich überaus schätze und mag. Und nun bekomme ich diese Nachricht: Ich denke an Dich! In meine Freude mischt sich sofort mein schlechtes Gewissen: Ich habe mich lange nicht gemeldet. Die an mich gerichteten Ausreden sind: Arbeit - keine Zeit - zu erschöpft - der Garten ruft - … - und Corona. Aber an sie denken, das tue auch ich oft. Warum habe ich nicht auch mal so eine gute Idee, das auch zu zeigen? Das nimmt doch gar nicht so viel Zeit in Anspruch. - Und dann bleibt es doch wieder bei den guten Vorsätzen. Jetzt in Zeiten von Corona, ist es ja sehr leicht, Erklärungen dafür zu finden, warum man sich nicht trifft. Die Angst vor Ansteckung ist groß. Meine Kartenschreiberin und ich gehören zu den älteren Menschen - zur Risikogruppe. So sehr ich mich aber über Hilfsangebote freue, habe ich oft auch das Gefühl einer gut gemeinten Entmündigung. Ich soll nicht mehr auf die Straße, nicht einkaufen oder gar Kaffee trinken gehen, die Kinder nicht sehen, nicht arbeiten. Ich bin aber nicht nur Teil einer Risikogruppe. Ich will nicht gelähmt sein von eigener Angst oder der Sorge anderer um mich. Ich bin jemand, die den Umgang mit meinen Mitmenschen vermisst. Ich möchte gebraucht werden, mich austauschen und Gesichter sehen. Steffensky schreibt dazu: "Man stirbt nicht am Tod allein, man kann auch sterben an der Einsamkeit und daran, dass man zu nichts mehr gebraucht wird. Vielleicht ist dies die häufigste Todesart." Ob diejenigen, die Seniorenheime komplett für Besucher geschlossen haben, davon eine Ahnung haben? "Gott hat uns nicht einen Geist der Angst gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit"- so steht es im 2. Timotheus 1, 7. Also das Virus ignorieren? Na ja, da steht ja nichts vom Geist der Dummheit. Da steht etwas von Kraft und Liebe und Besonnenheit. Drei Worte für eine neue Sicht der Dinge, drei Worte, um die Krise durchzustehen, drei Geschenke, um die eigene Berufung mit erneuerter Freude zu erfüllen: Kraft, Liebe und Besonnenheit. Und ich sehe, dass vieles davon in dieser Zeit umgesetzt wird: Junge Menschen bieten älteren Hilfe an; Musiker*innen und Sänger*innen zeigen mit ihren Darbietungen Bewohnern von Seniorenheimen, dass sie wahrgenommen werden; Pfleger*innen und Schwestern kümmern sich bis zur Erschöpfung um Alte, Behinderte und Kranke … Es gibt Gegengifte gegen die Angst. Jesus, den wir als unseren Erlöser und Herrn bekennen, hat sie am besten verkörpert: den Geist der Kraft, der uns gerade in unseren tiefsten Momenten berühren und verwandeln will, den Geist der Liebe, der uns ein unendliches Übungsfeld für den Alltag bietet und den Geist der Besonnenheit, der uns helfen will, einen kühlen Kopf in turbulenten Zeiten zu bewahren. Denken wir aneinander, pflegen wir in Liebe unsere Gemeinschaft, bleiben wir besonnen in unserem Handeln und Glauben, und setzen wir unsere guten Vorsätze um. Wenigstens mit einer Karte: Ich denke an Dich! Besser noch mit Zeit und einer persönlichen Begegnung. Das will ich jetzt umsetzen!

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an