1. -Angedacht- Auf weiten Raum Ic...

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    -Angedacht- Auf weiten Raum Ich freue mich in diesen Krisen- und Einschränkungszeiten immer an Entdeckungen, Aussprüchen und Geschichten, die unser kleines und aktuell so bedrohtes Leben (War es eigentlich jemals nicht bedroht?) in einen weiteren Horizont stellen und etwas Abstand schaffen. Zum Bewußtsein unserer Endlichkeit ist mir gerade wieder ein Foto von einem Grabstein auf einem Friedhof in Kassel in die Hände gefallen. Der Verstorbene hat sich folgende Sätze auf seinen Stein schreiben lassen: "Millionen Jahre waren, ehe es mich gab. Jahrmillionen werden vielleicht nach mir sein. Irgendwo in ihrer Mitte waren ein paar Sommer, in denen für mich Tag war auf dieser Erde. Für diese Zeit danke ich dir, Gott." 
Das klingt gar nicht nach Traurigkeit. Hier hat jemand sein Leben in den großen Ablauf der Zeit gestellt und es in seiner Überschaubarkeit und Begrenztheit fröhlich angenommen. Das Geheimnis dieser so positiven Haltung: Dieser Mensch kann sein Leben als Geschenk sehen und hat in Gott ein Gegenüber gefunden, dem er dafür dankbar sein kann. Diese Dankbarkeit gibt seinem Leben - mag es im Vergleich auch nur ein Staubkorn in der Zeit sein - eine große Qualität. Natürlich kann das auch ernüchternd sein. Ich mag auch fragen: Was ist mein Leben wert, wenn es im Vergleich von Jahrmillionen nur so kurz ist? Man nimmt sich selbst so wichtig und verschwindet dann doch unter der Erde und wird wohlmöglich bald wieder vergessen sein. Diese Erkenntnis kann aber auch befreien von allzuviel Sorgen und Ballast, den man sich im Leben anhäuft (Materielles kann man ja eh nicht mitnehmen...). Sie kann helfen, die guten Tage bewußter und dankbarer zu leben und die schlechten Zeiten im Vergleich nicht überzubewerten und ihnen zu viel Bedeutung zu geben. Das Erleben von Zeit ist ja sowieso sehr relativ und hängt davon ab, wie ich diese Zeit fülle. Darum schließe ich mit einem jüdischen Witz, der für mich auch zu den schönen Entdeckungen in diesen Tagen gehört, weil er so manches erfrischend relativiert: Ein Vertreter kommt in ein Städtchen und bestellt beim jüdischen Schneider dort eine Hose. Als die Hose nicht rechtzeitig fertig wird, fährt der Vertreter weg. Jahre später kommt er wieder in das Städtchen, da bringt ihm der Schneider die Hose. Der Vertreter ist sauer: "Gott hat die Welt in sieben Tagen erschaffen, und Sie brauchen sieben Jahre für eine Hose!" Der Schneider streicht zärtlich über die Hose: "Ja. Aber schauen Sie sich an die Welt - und schauen Sie sich an diese Hose!" Andreas Kühne-Glaser, Superintendent Rinteln

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