1. Ein Faktencheck: Wozu dient das Volksbegehren "Artenvielfalt"?

    Uta Fahrenkamp und Dr. Nick Büscher erläutern, warum Artenvielfalt und intakte Ökosysteme Grundlage sind

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    LANDKREIS SCHAUMBURG (ste). In Rinteln und im Landkreis Schaumburg werden ab sofort Unterschriften für das Volksbegehren "Artenvielfalt" gesammelt. 25.000 Unterschriften brauchen die Initiatoren, damit das Volksbegehren überhaupt zugelassen wird. Diese Hürde gilt als eher symbolisch bei allein 110.000 NABU Mitgliedern in Niedersachsen. 610.000 Unterschriften sind es, die bis Mitte November diesen Jahres dafür sorgen könnten, dass das Volksbegehren als Gesetzesentwurf in den Landtag eingebracht werden müsste. Dieser könnte dann zwar den Gesetzesentwurf ablehnen, müsste allerdings eine Alternative aufzeigen und dann könnte eine Volksabstimmung das Gesetz auch gegen den Willen des Landtags beschließen. Im Sommer 2021 könnte das der Fall sein. Doch worum geht es eigentlich bei dem Gesetzesentwurf? Was wollen NABU und B 90/Die Grünen als Initiatoren überhaupt erreichen? 140 Bündnispartner haben sich niedersachsenweit bereits der Bewegung des Volksbegehrens angeschlossen, darunter beispielsweise auch die Berufsimker aus Niedersachsen. Im Landkreis Schaumburg sind es 35 Unterstützer von Unternehmen über Institutionen und Organisationen bis zu Privatpersonen und Vereine, die Unterschriften sammeln. Auf einen kurzen Nenner gebracht geht es bei dem Volksbegehren um nichts weniger als um unsere Zukunft. Das SW fragte nach bei Uta Fahrenkamp, Ratsdame der Grünen, und Dr. Nick Büscher, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden des NABU, ob das Volksbegehren und die dadurch gewünschte Gesetzesänderung ein Schlag gegen die konventionelle Landwirtschaft ist, die sich vehement gegen das Volksbegehren wehrt, oder ob ein gemeinsamer Weg von Natur- und Artenschutz mit der Landwirtschaft möglich ist. Zuerst einmal die
nüchternen Fakten Von acht Milliarden Arten weltweit gelten derzeit 1 Millionen als stark gefährdet. In Niedersachsen sind von 11.000 Arten die Hälfte gefährdet. Ökosysteme drohen zu kippen, Böden sind durch Wegbrechen von humusfördernden Arten gefährdet, sauberes Wasser wird durch hohen Nitrateintrag immer weniger, Wälder stehen durch Monokulturen, Trockenheit und Borkenkäferbefall vor dem Kollaps. Ursächlich für die vielfältigen Probleme ist der Mensch, oder, wie der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte: "Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet. Erst wenn er das begreift, hat er eine Überlebenschance!" Naturschutz und die Landwirtschaft Eine klare Meinung haben Uta Fahrenkamp und Dr. Nick Büscher zur Frage, wer denn die größten Treiber beim Artenrückgang sind: "Haupttreiber ist die Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Pestiziden auf den Feldern!" Ein Satz, der bereits für viel Unmut in der Landwirtschaft sorgte und für Anfeindungen von NABU-Mitgliedern Anlass bot. Dabei gehe es nicht darum, die Landwirtschaft an den Pranger zu stellen, betonen beide, allerdings müsse man den Fakten ins Gesicht schauen und mit der Landwirtschaft gemeinsam einen Weg aus der Krise suchen. Dazu gehöre es auch, die Fehlanreize von EU-Subventionen zu beleuchten. Die setzten bislang immer auf "...größer, schneller, weiter" statt auf eine ökologische Landwirtschaft. Wie bekommt man den
Rückwärtsgang eingelegt? Ziel des Volksbegehrens ist es, bis 2030 den ökologischen Landbau von jetzt fünf auf dann 20 Prozent der Flächen auszubauen. Dafür müsse es Anreize geben, so Fahrenkamp und Dr. Büscher. Schon jetzt erzielten ökologisch angebaute Produkte einen höheren Marktpreis, von dem die Landwirte profitierten. Dazu komme, dass man den produzierten Überhang von Fleisch, Gemüse und Getreide überdenken müsse, zumal auch noch ein Drittel der erzeugten Produkte in der Mülltonne landet. Dies brauche einen gesellschaftlich-ökologischen Wandel in der Bevölkerung, sind sich die beiden sicher. Ertragsminderungen, die von den bislang konventionell arbeitenden Landwirten immer ins Feld gebracht würden, könnten ausgeglichen werden: "Wie bereits jetzt bei Gewässerrandstreifen", so Dr. Büscher. Derzeit sei es noch so, dass der ökologisch arbeitende Landwirt mit Hecken und Gehölzen auf seinen Ackerflächen bei Erhalt dieser der Dumme sei, weil die Flächen arbeitsintensiver seien. Dabei haben Uta Fahrenkamp und Dr. Büscher durchaus Verständnis für die Probleme der Bauern. Die müssten Hilfe bei der Umstellung ihrer Betriebe erhalten, die durch falsche Subventionsanreize zu dem geworden seien, was sie heute sind. Warum schert NABU aus dem "Niedersächsischen Weg" aus? Auch dazu wissen Uta Fahrenkamp und Dr. Nick Büscher eine Antwort. Der "Niedersächsische Weg" ist eine Vereinbarung zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik und verpflichtet die Akteure, konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen. Auch der Niedersächsische NABU unterzeichnete den Vertrag. Allerdings, so Dr. Nick Büscher, sei dies nur eine Willenserklärung ohne bindende Wirkung und Uta Fahrenkamp ergänzt: "Der Weg ist richtig und wichtig, allerdings nur einmalig mit 120 Millionen Euro hinterlegt, also nicht nachhaltig und nicht verpflichtend!" Zudem ginge die Untere Naturschutzbehörde personell leer bei dem Programm aus, was für NABU und die Grünen nicht akzeptabel sei. Eine Lebensversicherung
für die Menschen In den letzten Jahren, so Dr. Nick Büscher, seien rund 80 Prozent der Biomasse in Niedersachsen weggebrochen. Die im Volksbegehren angestrebten Gesetzesänderungen im Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz, im Niedersächsischen Wassergesetz und im Niedersächsischen Gesetz über den Wald seien quasi eine "Lebensversicherung für uns Menschen". Unter anderem sollen bis 2030 40 Prozent weniger Pestizide eingesetzt werden, Lichtquellen sollen zum Schutz von Arten eingeschränkt werden und auch im Siedlungsbereich sollen Regelungen helfen, die Artenvielfalt zu erhalten oder sogar zu erhöhen. Am Ende wünschten sich die Initiatoren des Volksbegehrens die Landwirtschaft als Partner am Verhandlungstisch, genauso, wie es die Ökolandwirtschaft bereits ist. Dr. Büscher und Uta Fahrenkamp versichern: "Wir haben Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft, die durch die neue Düngeverordnung, die niedrigen Preise und jetzt auch noch das Volksbegehren unter Druck gerät. Aber am Ende ist das Volksbegehren auch eine Kampagne gegen das Höfesterben", so die beiden. Unterschreiben kann man das Volksbegehren in Rinteln in einigen Geschäften, darunter "Buch & Wein" am Kirchplatz, oder im NUZ des NABU. Foto: ste

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