1. Morgens zu Besuch in der Backstube

    Zahl der Azubis sinkt: Warum der Bäckerberuf attraktiver ist als oft gedacht / 400 Brötchen pro Tag in der Auslage

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    LANDKREIS (jl). An das frühe Aufstehen gewöhne man sich, begrüßt mich Marc Planert. Es ist 6 Uhr am Morgen und er gerade zurück aus der Frühstückspause. Während er erzählt, dass er bereits seit drei Stunden gemeinsam mit seinem Vater Wilhelm, von dem er vor wenigen Wochen die seit 1933 familiengeführte Bäckerei in Riehe übernommen hat, in der Backstube steht, habe ich nur einen Wunsch: Raus aus der Jeansjacke. Sommerliche Temperaturen im Mittzwanzigerbereich und eine hohe Luftfeuchtigkeit ("Wir arbeiten mit Wasserdampf, damit die Brote und Brötchen einen natürlichen Glanz bekommen") treiben mir umgehend Schweißperlen auf die Stirn. Einen Freudentanz legen indessen meine Riechzellen hin. Wie das duftet, als die Plundern aus dem gemauerten Steinbackofen kommen. Indessen macht sich der 67-Jährige daran, die Teigportionen für die Kornbrote mithilfe der sogenannten Schwabenwaage abzuwiegen. Mit der könne man sich gut herantasten und schnell ein Auge, ein Gespür dafür bekommen, was ein Pfund Mehl vom Volumen her ist, begegnet er meinem Blick, der nur digitale Waagen kennt. Für mich noch sehr früh, ist hier die Hauptarbeit bereits gelaufen. Neben dem Gros der Brote und verschiedenen Gebäcken liegen auch schon die rund 400 Brötchen in der Auslage im Laden. An einem Sonnabend wäre es die vierfache Menge. Damit erklärt sich auch, warum an diesem Tag die Arbeit bereits um Mitternacht beginnt. Dafür ist hier der Sonntag frei, Auszubildende hätten dadurch eine normale Fünf-Tage-Woche, wenn auch der Sonnabend immer mal wieder dazugehört, wie der zweifache Familienvater berichtet, während er die Korbbrote aus dem Ofen holt. Dass an diesem Tag in vielen anderen Bäckereien gearbeitet wird, sieht er kritisch: "Das Sonntagsbacken hat viel kaputt gemacht, einige Leute verbrannt." Denn, und das bestätigt auch die Kreishandwerkerschaft, die Zahl der backenden Azubis ist deutlich rückläufig. Im vergangenen Jahr waren es demnach nur drei in Schaumburg, die eine Ausbildung zum Bäcker begannen. Hinzukommt das Bäckereisterben der Vergangenheit, das die Auswahl für Bewerber stark reduziert hat. Vor gut 25 Jahren habe es noch an die 70 Betriebe in Schaumburg gegeben, erinnert sich Planert, der 1997 seine Lehre abgeschlossen hat. Heute zählt die Innung nur noch elf Bäckereien. Dabei bringt der Beruf viele Vorteile mit sich. "Wer früh aufsteht, hat auch früh Feierabend", betont der Rieher. In seinem Fall ist das gegen Mittag der Fall, ein Auszubildender hätte schon früher seine Stunden voll. Ein weiterer Anreiz: "Man kommt schnell rein in die Aufgaben und kann selbstständig arbeiten", weiß der 45-Jährige. "Die Lust dazu muss natürlich da sein, ebenso wie das handwerkliche Geschick." Und das Kopfrechnen sollten Interessenten auch beherrschen -"Zettel und Stift können wir hier nicht gebrauchen". Was ihm selbst am meisten Spaß an seinem Beruf macht? "Das Kreativsein", schießt es aus ihm heraus. "Dass man nicht zwölf Monate das Gleiche, sondern saisonbedingt immer wieder was Neues macht und dadurch für sich selbst Abwechslung reinbringt." Worte, die er beim Verteilen frischer Erdbeeren auf dem Kuchenteig mit Schlemmercreme spricht. Ende August seien es dann die Zwetschgen. "Und ich freue mich jeden Morgen auf mein frisch gebackenes Brötchen", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. In der Zeit hat Wilhelm Planert mit der Portionierungsmaschine aus dem Teig für die Rosinenbrötchen 30 kleine Bällchen geformt. Neben dem großen Rührgerät im Grunde die einzige maschinelle Unterstützung. Alles andere übernehmen die eigenen Hände. Zum Beispiel das sogenannte Rundwirken der Brotteige, das Ausrollen des Kuchenteigs, das Verzieren der Gebäcke. Oder anders ausgedrückt: Bäcker zu sein bedeutet, traditionelles Handwerk zu leben. Im kommenden Jahr will sich auch Familie Planert wieder bemühen, eine/einen Azubi/ne einzustellen. Text/Foto: jl

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