Das Ringen um den richtigen Weg nimmt massivere Formen an. Es geht um die Balance einerseits ein Wiederanlaufen der wirtschaftlichen Aktivität zu unterstützen und andererseits das Risiko einer zweiten Infektionswelle möglichst gering zu halten. Die Rufe nach klaren Perspektiven für Schulen, Kindertagesstätten, Wirtschaft und Gastronomie werden immer lauter. Für viele Bürger gibt es nur eine Richtung: Rasch zurück zur Freiheit. Psychologisch sind viele an der Schwelle: Ich kann nicht mehr. Der Volksmund skizziert von daher eine klare Forderung: Langsam müssen wir den Pferden wieder etwas zum Saufen geben. Eines darf man jedoch nicht verkennen. Es ist weiterhin erforderlich, Strukturen aufzubauen, die es erlauben mit dem Virus zu leben. Nicht nur die Behörden sondern auch die Bürger sind gefordert eine neue Corona-Kreativität zu entwickeln. Die niedersächsische Landesregierung hat am Montag einen Fünf-Stufenplan vorgestellt. In mehreren Phasen sollen Corona-Maßnahmen laut Ministerpräsident Stephan Weil im Rahmen der "Vernunft" und Verhältnismäßigkeit zurückgenommen werden. Schwerpunkte liegen auf dem Tourismus, der Gastronomie sowie bei der Notbetreuung von Kindern im Kita-Alter. Laut dem präsentierten Vorschlag dürfen Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel schon bald wieder öffnen. Dieser niedersächsische Weg bietet zum ersten Mal ein nachvollziehbares Konzept für die Rückkehr zu mehr Normalität. Egal welche Lockerungen die Mininsterpräsidentenrunde der Länder heute gemeinsam mit der Kanzlerin verkündet, es gibt eine Gewissheit: Jede Entscheidung hat Folgen - auch unkalkulierbare. Die Logik der Gerechtigkeit ist dabei eine andere als die Logik der Virologen. Die Logik der Gleichbehandlung sagt, wenn A, dann auch B. Die Logik der Virologie hingegen ist selektiv. Sie sagt A geht, B geht auch, aber A und B zugleich, da wird das Risiko zu groß. Viele Entscheidungen dürften wohl auch diesmal nicht unbedingt nachvollziehbar sein. Treffend dazu kommentierte Gesundheitsminister Spahn schon in den letzten Tagen: "Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich einander viel verzeihen müssen". Es liegt aber auch an uns, welche Lockerungen weiter erfolgen können. Eines muss allen klar sein: Wir tragen mit unserem Verhalten dazu bei, wie sich das Infektionsgeschehen weiterentwickelt. Ob es unter Kontrolle bleibt oder nicht. Deutschland hat sich bislang in der Corona-Krise so verhalten, dass alle ungläubig auf die Zahlen schauen - vor allem auf die geringen Todeszahlen. Die Politik hat effizient reagiert, die Menschen sind diszipliniert. Das Gesundheitssystem hat sich als besser erwiesen als sein Ruf. Kühl und sachlich finden wir immer wieder die mathematisch errechneten Erkrankungskurven und die definierten sachlichen Linien vor, unter denen die Ansteckungsquote verbleiben muss, damit die Zahl der Infizierten sich stabilisiert und dann verringert. Und mit ihr die Todesrate. Trends kann man aber leider erst mit wochenlangem Abstand erkennen, deshalb ist es eigentlich nur verständlich, dass die meisten Mediziner und die Kanzlerin weiterhin zur Vorsicht mahnen. In dieser explosiven Gemengelage zwischen Wünschen der Lockerung und Freiheit, der Sorge um die Chance den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können, darf eines aber niemals eine Rolle spielen: Das etwa das Leben von Menschen über 80 oder das von Vorerkrankten nicht ganz so wichtig ist. Versuchen wir weiter mit den Einschränkungen zu leben und sehr achtsam mit den kommenden Lockerungen umzugehen. Mein dringender Wunsch lautet: Minimieren wir weiterhin das Risiko: Halten wir stets das bestehende Abstandgebot und die Hygiene ein. Jürgen Rother
-
Lockerung der Maßnahmen mit Vernunft und Verhältnismäßigkeit
Vorschlag soll verlässliche Perspektiven eröffnen / Konzept sieht fünf dynamische Phasen vor
Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum
