1. Reise durch die Vergangenheit

    Ein Holocaustüberlebender berichtet / Für Toleranz und ein friedliches Miteinander einsetzen

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    OBERNKIRCHEN (tr). Zum 75. Mal jährt sich dieses Jahr die Befreiung der Juden aus den Konzentrationslagern Deutschland und der Befreiung der Terrorherrschaft des Nazi-Regimes. Aus diesem Anlass lud die "Initiative Stolpersteine" den Holocaust-Überlebenden Tsewi J. Herschel nach Obernkirchen ein, um von seinem Leben während und nach dem Holocaust zu berichten. Tsewi Herschel wurde in den letzten Jahren der Nazi-Herrschaft in den Niederlanden im Jahre 1942 geboren und verbrachte die ersten Monate in Zwollen. Im Jahr darauf zwang man seine Familie von Zwollen ins Amsterdamer Ghetto zu ziehen. Seine Eltern gaben ihn dort in die Hände der Familie Schwencke, dessen 17-jährige Tochter Christine Tsewi als ihren Sohn ausgab, um ihn aus dem Ghetto zu schmuggeln. Bei den Schwenckes blieb er jedoch nicht, sondern wuchs bei Willem und Margje de Jongh und deren fünf Kindern in Oosterbeek auf. Während der Operation "Market Garden" fiel das Haus der de Jonghs einem Bombardement zum Opfer, woraufhin die de Jonghs und Tsewi nach Spakeburg evakuiert wurden. Nach dem Kriegsende, als davon auszugehen war, dass vergangene Traumata aufgearbeitet und bewältigt werden könnten, ereilte Tsewi das nächste: Seine Großmutter väterlicherseits riss ihn aus dem bekannten, familiären Umfeld der de Jonghs und zwang ihm einen fremden Glauben auf, zwang ihn koscher zu essen und änderte seinen Namen "Henkie", den er von den de Jonghs erhielt, um seine jüdische Abstammung zu kaschieren, zu Herman. Seine Großmutter begann ihn, im jüdischen Glauben zu erziehen. Mit acht Jahren fand Tsewi heraus, dass seine Eltern während des Kriegs in dem Konzentrationslager Sobibor bereits 1943 vergast worden waren. Er war eine Waise, was seine Großmutter ihm aber nicht mitteilen wollte. Tsewi fand das Achiv seines Vaters, Nico Louis Herschel, und dessen Tagebüchern. Darin enthalten, der Lebenskalender, den Nico für seinen Sohn Tsewi angefertigt hatte. Sein Vater, als auch seine Mutter, waren überzeugte Zionisten und planten, ihr Leben irgendwann in Israel fortzusetzen. Tsewi Herschel besuchte Israel 1960 als er 18 Jahre alt war. Für ihn stand fest, dass er das Land zu seiner Heimat machen würde. 1986 zog er mit seiner Familie von Amsterdam nach Israel und lebt seitdem dort. Er hat zwei Töchter und inzwischen zwei Urenkel, die auch in Israel geboren wurden. In seiner Wahlheimat setzte Herschel sich dafür ein, dass die Familie Schwencke und de Jongh die Ehrenmedaille für ihre Hilfsbereitschaft erhielten. Im Schlusswort erinnerte Herschel daran, dass Brücken aus Mut und Toleranz gebaut werden müssen, um zu verhindern, dass sich die Vergangenheit wiederhole. Die heutige Generation trage keine Schuld an den Taten ihrer Urgroßeltern oder Großeltern, aber sie nähmen die Schuld mit in die Gegenwart und Zukunft, wenn sie nicht bereit seien, sich für Toleranz und ein offenes Miteinander einzusetzen. Foto: tr

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