GROSS HEGESDORF (al). Was bislang nur mit wenigen Sätzen in der Ortschronik bekannt war, fügt sich dank eines spektakulären Fundes zu einem kompletten Bild aus dem Alltag von Groß Hegesdorf vor hundert Jahren. Zu verdanken ist dies den damaligen Gemeindevätern, die bei der Errichtung eines Ehrenmals für die Gefallenen eine Kupferhülse samt Inhalt einmauerten. Nun war das Denkmal marode und musste für viel Geld saniert werden. Beim Abbruch der alten Steine fand sich diese Hülse, deren Existenz vom Ortschronisten Heinrich Hecht dokumentiert worden war. Über die Einweihung im Sommer 1925 heißt es, dass ein Ortsplan, eine Einwohnerliste kund "gegenwärtige Geldstücke" darin Platz gefunden hätten. Als am Volkstrauertag das Ehrenmal im Rahmen einer Feierstunde eingeweiht wurde, sollte nun auch die längst patinierte kleine Röhre geöffnet werden. Das war leichter gesagt als getan, wie Nachbar Hans-Jürgen Anderten berichtete. Denn in die Hülse war bereits Feuchtigkeit eingedrungen und hatte das Papier mächtig aufquellen lassen. Deshalb musste sie in ganzer Länge aufgeschnitten werden. Erstaunen machte sich breit, als sich in dem kleinen Rohr weit mehr befand als das bislang bekannte. Neben allerlei Geldscheinen mit zahlreichen Nullen aus dem Inflationsjahr 1923 kamen einige Abbildungen von Trachtenträgerinnen, Bilder und Beschreibungen von Kriegsereignissen zwischen 1914 und 1918 sowie einige Zeitungsausgaben hervor, darunter das "Kasseler Sonntagsblatt", die "Schaumburger Zeitung" und der damals in Stadthagen erschienene "Generalanzeiger" ans Tageslicht. Als wahre Sensation aber entpuppte sich der von Hand gezeichnete Ortsplan mit den damals vorhandenen 42 Gebäuden sowie einer ausführlichen Beschreibung von Lehrer Heinrich Otto, der über die Jahre von 1914 bis 1925 berichtete und seinen Ausführungen eine Liste aller Häuser, deren Bewohner und deren Beruf folgen ließ. Mit 125 männlichen und 129 weiblichen Personen summierte sich Groß Hegesdorf auf 254 Einwohner. Heute zählt der Ort noch 220 Bürger. Vorsichtig und mit weißen Schutzhandschuhen kontrollierte Anderten regelmäßig den reichhaltigen Fund. Die auf Tischen im Dorfgemeinschaftshaus ausgebreiteten Bögen sind mittlerweile getrocknet. Neugierig entzifferte er bereits einzelne Passagen, hat in der Liste Heinrich Homeier aus dem Haus Nr. 15 als "Landwirt und Bürgermeister" entdeckt, fand Berufsangaben vom Tischler bis zum "Händler" und auch Anmerkungen wie "Leibzüchter" und "Invalide". Auch in der Niederschrift des Lehrers stieß er auf allerlei Bemerkenswertes. Aus 1915 ist das Sammelergebnis von Kindern überliefert, die in der Feldmark unter anderem Teeblätter, Hagebutten, Schafgarbe, Kastanien und Eicheln suchten. 1918 habe es so viele Bucheckern gegeben, dass sich "die Zweige biegen". Nicht alles ist auf Anhieb wegen der Feuchtigkeitsschäden zu entziffern. Aber Anderten will in Absprache mit Bürgermeister Andreas Kölle und einem versierten Einwohner die Ausführungen in eine allgemein wieder lesbare Form bringen. Das Landesarchiv in Bückeburg soll ebenfalls eingeschaltet werden. Foto: al
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Im Ehrenmal steckt ein Stück Ortsgeschichte
Inhalt einer Kupferhülse verrät den Alltag von Groß Hegesdorf vor hundert Jahren / Probleme mit der Feuchtigkeit
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