LANDKREIS (tw). Als der Landwirt Dr. Willi Kremer-Schillings auf seinem Internet-Blog "Bauer Willi" vor wenigen Tagen dazu aufrief, grüne Kreuzen auf Feldern aufzustellen, ahnte er wohl nicht, welche Bewegung er damit in Gang setzen sollte. Nun scheint es so, als habe er einen Nerv getroffen. Inzwischen stehen deutschlandweit Land auf, Land ab grüne Kreuze. Und es werden immer mehr - auch im Schaumburger Land. Wir haben mit Landwirten aus der Region gesprochen und sie gefragt, was es mit diesen grünen Kreuzen auf sich hat. Der Helsinghäuser Henning Hecht, der Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt, erklärt den Hintergrund der grünen Kreuze so: "Wir drücken hiermit unseren Unmut über die aktuelle Landwirtschaftspolitik aus." Für alles habe die Politik heute einen Schuldigen gefunden, wenn es um Gesundheit und Umwelt geht, kritisiert Hecht - und das sei allzu oft die Landwirtschaft. Nachdem dann noch die Bundesregierung am 4. September ein Agrarpaket verabschiedet hat, das zu erheblichen Einschnitten in der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung führe, sei bei einem Großteil seiner Berufskollegen und ihm ein Punkt erreicht worden, an dem es einfach nicht mehr so weiter ginge, macht Hecht klar. "Wir haben selbstverständlich auch eine große Verantwortung und dennoch sind wir einfach nicht immer für alles verantwortlich", ärgert sich auch Marco Volker aus Riehe und schiebt nach: "Unsere Kulturlandschaft ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern über Generationen gewachsen." Würde man den politischen Äußerungen über die Landwirtschaft jedoch Glauben schenken, hätte das schon gar nicht mehr sein können, "da wir doch bereits längst die Luft verschmutzt, das Wasser verunreinigt und den Boden zerstört haben", bemerkt der Agraringenieur mit einem Augenzwinkern. Was den Horster Diplom-Landwirt Volker Antholz zum Aufstellen eines grünen Kreuzes bewegt hat, ist neben der Kritik an einer "erdrückenden Bürokratie", die "Heuchelei in großen Teilen von Gesellschaft und Politik". Landwirte, findet Antholz, seien für alles die "Buhmänner, obwohl doch jeder selbst mal bei sich anfangen sollte, seine Lebensweise zu hinterfragen". Stattdessen sei die Bereitschaft, die Konsumgewohnheiten und die Lebensweise zu verändern, gering. Der Landwirt kritisiert: Der Run auf Sonderangebote bei Lebensmitteln sei nach wie vor ungebrochen, ohne Rücksichtnahme darauf, welche Jahreszeit herrsche und was gerade geerntet werde. "Wichtig ist nur, dass das Portemonnaie nicht so stark belastet wird, um sich für das gesparte Geld andere und eigentlich unwichtige Konsumgüter kaufen zu können", gibt der Horster Ackerbauer zu bedenken. Nach seiner Beobachtung sei dies nicht nur die Erwartungshaltung der Bevölkerung, sondern auch das Anliegen der Politik. Darunter leiden würden jedoch still und leise die Landwirte. Auch sein Berufskollege Thorsten Dehne haut in diese Kerbe. Der Horster Landwirt sagt ganz klar: "Wenn wir als Gesellschaft den Willen haben, zugunsten von Klima und Umwelt, unsere Ressourcen zu sparen, dann muss uns auch klar sein, was das bedeutet: wir alle müssen dann unseren Lebensstandard radikal runterfahren. Doch ich wage zu bezweifeln, ob diese Konsequenz jedem so bewusst ist." Im Klimaschutz voran zu gehen und auch besonnene Einschnitte in Kauf zu nehmen, damit könne auch Dehne gut leben, doch er mahnt: Bei einem deutschen CO2-Anteil von gerade einmal zwei Prozent im weltweiten Vergleich, dürfe man keine Wunder erwarten, wenn wir uns hierzulande im Verzicht üben. In und um Rodenberg hat Jürgen Wulf, einer der letzten wenigen Bauern der Deisterstadt, grüne Kreuze aufgestellt. Ihn stimme es sehr traurig, erzählt er, dass die heimische Landwirtschaft immer weiter mit höheren Auflagen belegt werde. Der Rodenberger bemerkt: "Bereits jetzt haben wir die höchsten Standards in der Welt, doch wird das alles ad absurdum geführt, wenn wir immer mehr Lebensmittel aus dem Ausland importieren, die diese Standards nicht erfüllen." Gleiches Recht solle für alle gelten, die Lebensmittel für den deutschen Markt produzieren, findet Wulf. Dann würde sich auch der günstige Produktionspreis ausländischer Importgüter anpassen. Sein Wunsch, der wohl der Wunsch aller Landwirte ist: "Bitte keine höheren Hürden und Auflagen mehr und endlich faire Preise für unsere hochwertigen Lebensmittel - damit aus den symbolischen Kreuzen nicht sehr bald echte Kreuze für die letzten restlichen Bauernhöfe in der Region werden." Foto: privat
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Nicht einfach immer für alles verantwortlich
Die Geschichten hinter den grünen Kreuzen auf den schaumburger Feldern
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