1. Immer jüngere Menschen trinken immer härteren Alkohol

    Thema wird bei Jugendlichen heruntergespielt / Prävention ist das A und O

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    LANDKREIS (jb). 32 Jungen und Mädchen im Alter von 15 bis 20 Jahren wurden 2017 völlig betrunken in Schaumburgs Krankenhäuser eingewiesen. Ein weiterer Jugendlicher war noch nicht einmal 15 Jahre alt. Zahlen, die Sabine Simon von der Fachstelle Suchtprävention vom Diakonischen Werk Schaumburg-Lippe die Stirn kräuseln lassen. "Obwohl der Trend des Komasaufens ja eher rückläufig sein soll, sind die Zahlen der Alkoholvergiftungen weiterhin hoch und noch längst nicht auf ihrem ursprünglichen Stand." Dabei müsse man vor allem beachten, dass nicht jeder nach einem Vollrausch im Krankenhaus landet. "Die Dunkelziffer ist demnach noch höher", sagt sie besorgt. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden, ist laut einer DAK-Studie 2016 erstmals seit 2012 wieder gestiegen. 22.309 Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren wurden in die niedersächsischen Kliniken eingewiesen. "Der Trend geht in die Richtung, dass immer jüngere Menschen immer härteren Alkohol trinken", erklärt Simon. Dadurch würden die Zahlen steigen und seien weiterhin hoch - allerdings auch bei Erwachsenen. Etwa 94 Prozent der Bevölkerung hätten schon einmal Alkohol getrunken. "Viele Jugendliche können den Konsum allerdings noch nicht wirklich einschätzen. Dann kann es sein, dass ein Rausch auch mal komplett nach hinten losgeht", sagt Simon. So hatte sie bereits mit Jugendlichen zu tun, die Oberbauchschmerzen nach einem Vollrausch oder gar Schäden an ihrer Bauchspeicheldrüse erlitten hatten. "Das ist eine derartige Lebensgefährdung, vielen ist das gar nicht bewusst", sagt Simon. Gerade deshalb sei Sensibilisierung vor allem an Schulen äußerst wichtig. Dennoch wird das Thema von Kindern und Jugendlichen eher heruntergespielt. "Es besteht leider immer noch eine zu große Hemmschwelle, die das Thema zum Tabuthema macht", sagt Simon. Unterstützung für Jugendliche und Eltern - Das HaLT Projekt Einen großen Vorteil sieht die Präventionsfachkraft deshalb im Alkoholpräventionsprojekt "HaLT". Im Landkreis Schaumburg wird das Projekt allerdings kaum wahrgenommen. "Ich würde es gerne wieder reaktivieren wollen. Dazu müssten wir das Krankenhaus in Vehlen mit ins Boot holen", sagt Simon. HaLT ist ein kostenloses Angebot, dass an insgesamt 160 Standorten in 14 Bundesländern angeboten wird. "Nach einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus aufzuwachen ist den meisten Kindern und Jugendlichen äußerst unangenehm. Dennoch ist es wichtig, sich Gedanken zu machen, wie so ein Erlebnis in Zukunft vermieden werden kann. Da kommt das Projekt HaLT ins Spiel", sagt Simon. Das Projekt wird in der Regel direkt in der Klinik angeboten, da Menschen während einer stationären Behandlung besonders offen für Verhaltensänderungen seien. Das Krankenhauspersonal informiert Eltern und Jugendliche über das Angebot und bei Interesse wird ein Formular zur Schweigepflichtentbindung unterschrieben. Jugendliche sowie Erwachsene bzw. Eltern erhalten dann in Beratungsgesprächen Unterstützung. Es werden vorbeugende Maßnahmen aufgezeigt, damit sich der Vorfall nicht wiederholt. Dem riskanten Alkoholkonsum soll so präventiv entgegengewirkt werden. "Häufig führt ein Krankenhausaufenthalt nach einem Rausch auch zu einem Vertrauensverlust zwischen Eltern und ihren Kindern. Doch totschweigen bringt nichts. Mit allen Beteiligten wird offen über das Thema geredet. So müssen Eltern nicht nachts wach liegen, wenn ihr Kind auf einer Party ist. Das finde ich besonders wichtig", sagt Simon. Das Projekt gibt Sicherheit und Orientierung für Familien und macht deutlich, dass man auch anders mit Alkohol umgehen kann. HaLT fördert den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol und sensibilisiert Jugendliche als auch Erwachsene. Alkohol? Nicht am Arbeitsplatz - Die Aktionswoche Alle zwei Jahre findet zudem die bundesweite Aktionswoche "Alkohol" statt. In diesem Jahr steht sie vom 18. bis 26. Mai unter dem Motto "Alkohol? Nicht am Arbeitsplatz". Fachleute schätzen, dass circa zehn Prozent aller Beschäftigten - von der Geschäftsführung bis zur Aushilfskraft - zu viel Alkohol trinken. Fünf Prozent von ihnen sollen suchtgefährdet sein. Dadurch fehlen sie bis zu 16-mal häufiger als die Gesamtbelegschaft: wirtschaftliche Einbußen, deutliche Mehrarbeit für Kollegen und bis zu 35 Prozent weniger Arbeitsleistung sind die Folge. Schon geringe Mengen Alkohol vermindern zudem die Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit, dadurch können Arbeitsunfälle schneller passieren. Seit jeher beteiligt sich auch Diakonische Werk in Kooperation mit der Jugendhilfe des Landkreises Schaumburg und der Suchthilfegruppe für Suchtkranke an der Aktionswoche. Höhepunkt soll ein Aktionstag am 21. Mai von 9 bis 12 Uhr im Foyer des Krankenhauses in Vehlen sein. Viele verschiedene Aktionen sind dafür geplant. So können unter anderem Quizfragen wie "Schädigt Alkohol nur die Leber?" oder "Darf man nach zwei Bier immer noch Auto fahren?" beantwortet werden. Auch kann eine Rauschbrille, die 1,3 bis 1,5 Promille simuliert, aufgesetzt werden. Ziel der Aktionswoche ist es, an möglichst vielen Orten viele Menschen zu erreichen. "Wir müssen an das Thema einfach offener rangehen und die Bevölkerung für den Umgang mit Alkohol sensibilisieren. Ein offener Austausch ist unheimlich wichtig, deswegen können uns auch jederzeit Fragen gestellt werden", betont Simon. Das Diakonische Werk bietet zudem zwei- bis dreimal im Jahr einen "Runden Tisch der betrieblichen Suchtprävention" an. Foto: jb/ adobe stock

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