1. Von Erziehungskultur und Wohnungsbau

    Viele Veranstaltungen prägen gesellschaftliches Leben Bückeburgs / Attraktives Umfeld lockt Investoren an

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    BÜCKEBURG (wa). Wie schafft es eine Gesellschaft, auf die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen einzugehen und sich gleichzeitig aus dem engen Korsett, einer gewissen Spaltung von "arm und reich" zu befreien? Ist gesellschaftlicher Wandel gemeinschaftlich und wertschätzend möglich? Im Jahresabschlussinterview spricht das Schaumburger Wochenblatt (SW) mit Bückeburgs Bürgermeister Reiner Brombach (RB) über die Themen Erziehung und Kinderbetreuung sowie Wohnungsbau und Migration. SW: Herr Brombach, was würden Sie sagen, was macht das Leben in Bückeburg aus? RB: Es sind die vielen Veranstaltungen des Schlosses, die besonders attraktiv sind und mit denen wir am wenigsten Arbeit haben - das macht der Fürst mit seiner Hofkammer und seinen Veranstaltern ganz allein. Das sind Veranstaltungen, um die uns rundherum sicherlich viele beneiden. Nicht nur Landpartie und Weihnachtszauber, sondern auch noch vieles nebenbei, wie beispielsweise kürzlich das Konzert mit Max Mutzke. Das sind Events, die ziehen Personen, die würden sonst eher nicht zu den städtischen Veranstaltungen kommen. Das ist etwas, was wir hier anbieten können, um das Leben in Bückeburg schön zu gestalten. Auch die Bautätigkeit in Bückeburg ist erkennbar vielfältig und umfassend - das hat man in keiner anderen Stadt Schaumburgs und auch nicht angrenzend in Ostwestfalen. Das zeigt für mich, dass Bückeburg für Investoren ein sehr attraktives Umfeld darstellt. Die vielen privaten Bauten, egal ob hinter der Kirche oder wenn Sie durch die Stadt fahren. Überall sehen Sie Kräne. Hinzu kommen unsere städtischen Bauten, wie die Julianen-Kindertagesstätte im ehemaligen Blindow-Gebäude. SW: Stichwort Julianen-Kindertagesstätte, was gibt es Neues zu berichten? RB: Der erste Bauabschnitt ist bereits fertiggestellt und bezogen. Der Zweite wird im Mai 2019 fertiggestellt. Die Julianen-Kindertagesstätte bietet dann zwischen 50 und 75 weitere Kindergartenplätze und 120 Krippenplätze. Das hat sich ergeben, weil die Nachfrage nach Krippenplätzen weiter steigend ist. Es werden immer mehr Eltern, die arbeiten oder Freizeit haben wollen. Um soziale Kontakte zu gewinnen, wird das Kind also schon im jüngsten Alter in die Krippe gebracht. SW: Wie empfinden Sie diese Entwicklung - als Eltern die Kinder die meiste Zeit nicht mehr zuhause zu betreuen sondern in öffentlichen Einrichtungen betreuen zu lassen? RB: Bei vielen Menschen ist es eben die Notwendigkeit, dass beide Elternteile arbeiten gehen, um sich weiterhin den hohen Lebensstandard leisten zu können. Das ist ein gesellschaftlicher Wandel. Ich kenne viele Menschen, bei denen der Mann zuhause geblieben ist, aber zu großen Prozentzahlen ist es noch umgekehrt, und wenn eine Frau eine gute Ausbildung hat, und sie nicht so viele Jahre aus dem Beruf heraus möchte, weil sie dann eventuell nicht mehr attraktiv auf dem Arbeitsmarkt ist, halte ich das für eine gute Möglichkeit zur Entwicklung von allen Menschen. SW: Was ist mit Menschen, die gern bei ihren Kindern bleiben möchten, sich aber ohne Arbeitsstelle schlecht fühlen, weil sie denken, nicht als wertvolles Mitglied der Gesellschaft anerkannt zu werden? RB: Das ist leider immer so gewesen, dass die Tätigkeit als Hausfrau oder Hausmann mit der Kennzeichnung "nur" genannt wird. Haustätigkeit ist keine rentenfähige Tätigkeit. Wenn man sagen würde, jeder, der im Haushalt tätig ist, wird genauso geschätzt, wie jemand, der arbeitet, würde man da sicherlich eine andere Wertung reinbekommen. In den 50er/60er Jahren war der Kindergartenplatz eine Ausnahme und maximal vormittags. Das hat sich bis heute als ganz normale Alltagsgestaltung mit Ganztagsbetreuung entwickelt. Ich denke, das ist in unserer Gesellschaft eine Entwicklung, die man nicht aufhalten sollte, beziehungsweise nicht aufhalten kann. Für Kinder ist das sehr positiv zu sehen, wer hat zu Hause schon Vater oder Mutter, die erzieherisch ausgebildet sind. SW: Meinen Sie damit, Kinder sind in der Hand von Erziehern besser aufgehoben? RB: Erziehung ist nicht Dressur. Man zeigt einem Kind, was in dieser Gesellschaft gegebenenfalls erstrebenswert ist. SW: Was für das jeweilige Kind erstrebenswert ist, könnte es doch selbst herausfinden, wenn es die Möglichkeit dazu bekäme? RB: Nein, das ist provozierend, was Sie da fragen. Das ist schlichtweg Blödsinn. Wenn Sie einem Kind keine Richtschnur geben, und Kinder streben gerade dazu sich an Schnüren entlang zu hangeln, ja, einige Kinder können das auch ohne, aber ein Großteil der Kinder ist damit völlig überfordert. Alle Kinder, die sehr kreativ und sehr selbstbewusst sind, die können sich so entwickeln, doch alle anderen haben große Schwierigkeiten. Sie müssen sich hinterher irgendwie in die Gesellschaft eingliedern. Wenn das alle Selbsterfinder und Kreativkünstler sind, wird die Grenze, die ihnen später gesetzt wird wesentlich schmerzhafter sein. SW: Meinen Sie, Kinder, die sich frei entwickeln, können nicht Teil der Gesellschaft sein? RB: Ich habe keine Schwierigkeiten die Freiheit der eigenen Entwicklung zu akzeptieren, aber der kleinste Teil der Menschen, ist hinterher in der Lage völlig losgelöst von der Gesellschaft, zu leben. Was will der- oder diejenige machen? Jedes Kind wird davon träumen, einen möglichst hoch angesehenen Job zu haben. Es ist nichts grausamer, als wenn man einen Menschen lange Zeit gewähren lässt und ihm die Grenzen erst relativ spät setzt. Ein Beispiel: 50 Prozent der jungen Menschen machen heute Abitur. Damit wird ihnen suggeriert, ihnen stehe beruflich alles offen und plötzlich gibt es den Numeros Clausus an Universitäten und Einstellungstests bei sonstigen Berufen und demjenigen wird gesagt: "Du hattest jetzt eine wunderschöne Kindheit, aber zu dem was du willst, bist du nicht geeignet. Du hast nicht den Intellekt, nicht die Kreativität, du hast keine Möglichkeiten diesen Job zu ergreifen. Insofern halte ich es für wesentlich humaner, wenn man als Erfahrener den Menschen sagt, wo gegebenenfalls Möglichkeiten für ihn bestehen. Ansonsten möchte jeder Junge wahrscheinlich Fußballstar werden, bis man ihm in der A-Jugend sagt: "Du bist höchstens geeignet, mal 3. Kreisklasse zu spielen". SW: War es ihr Traum einmal in einer Verwaltung tätig zu sein? RB: Nein. Das Jura-Studium habe ich sehr bewusst angestrebt, wollte aber nicht in eine Verwaltung. Ich habe gesehen, als Jurist kann ich Richter oder Staatsanwalt werden oder in die freie Wirtschaft gehen. In der Entwicklung meiner Ausbildung habe ich aber erkannt, dass das hier ein sehr interessanter Bereich in der Verwaltung ist, ich wollte immer eigenverantwortlich arbeiten. So hat sich Schritt für Schritt diese Entscheidung ergeben. Als Kind hat man wahrscheinlich Träume, die erheblich davon abweichen, zu dem, was man später wirklich umsetzen kann. Und da sind wir wieder an dem Punkt: Wenn man Menschen ohne Einschränkung sich nach ihren Träumen entwickeln lässt und sie im späteren Alter aus diesen Träumen herausreißt, ist das aus meiner Sicht wesentlich härter und grausamer, als wenn man einem jungen Menschen sagt: "Ich glaube, das, was du dir erträumst, wird für dich schwer zu erreichen sein." SW: Macht es aus Ihrer Sicht keinen Sinn, Vorstellungen über das eigene Leben zu haben? RB: Wir leben in einem Land, in dem man seinen Träumen durchaus sehr lange nachhängen kann, doch irgendwann beginnt das Leben jenseits der Träumerei. Es sei denn, also, es gibt Menschen, die leben völlig losgelöst von allen wirtschaftlichen Ansprüchen und leben "Hauptsache ich bin zufrieden". Die suchen sich eine Hütte im Wald, sind niemandem Untertan und gehen ihren eigenen Empfindungen und Bedürfnissen nach, aber das ist eben ein äußerst kleiner Teil der Gesellschaft. SW: Herr Brombach, vielen Dank für Ihre Meinung dazu. Kommen wir zurück zu den Bautätigkeiten in Bückeburg. Würden Sie sagen, es ist richtig, dass die meisten neugebauten Wohnungen in Bückeburg sehr hochpreisig angeboten werden? RB: Ich gehe davon aus, dass jeder der hier investiert, dass er sich vergewissert, dass er diese Wohnungen oder auch Häuser vermarkten kann. Die Sparkasse hat ebenfalls gebaut und da weiß ich von vielen Interessenten. Wenn ich hier als Privatmensch baue, fragt die Stadt auch nicht, ob ich einen Nutzer dafür finde. Die Preise sind sehr hoch, ja. Aber das ist das Risiko desjenigen, der hier baut. Es sind noch einige weitere Bauten in Planung, über deren Preise hier in Bückeburg sicherlich mancher staunen wird. SW: Könnte es passieren, dass Bückeburg eine Art Speckgürtel Schaumburgs wird? RB: Diese Vermutung haben schon viele geäußert. Dafür reicht die Anzahl der Häuser nicht, dass sich hier eine vollkommen veränderte Gesellschaft bildet. Bückeburg ist einfach attraktiv gelegen. Im Hinblick auf die gute Verkehrsanbindung ist unsere Stadt eben sehr attraktiv für Bielefelder und Hannoveraner, die in einer halben Stunde mit der Bahn in der nächstgrößeren Stadt, an ihrem Arbeitsort sind. Es gibt Leute, die leben lieber in einer Kleinstadt mit einem breiten kulturellen Angebot, als am Rande von Hannover, in einer ziemlich gesichtslosen Gegend. Das mag der Grund sein, warum Investoren in Bückeburg Chancen sehen. Es heißt manchmal, dass man sozialen Wohnungsbau betreiben sollte, ich denke, wenn da keine Nachfrage ist - und wir haben durchaus Bauten an der Petzer Straße zum Beispiel - es hält sich sehr gut die Waage mit den anspruchsvollen Häusern, die hier derzeit entstehen. Das ist aber nicht so groß, dass man sagen könnte, hier ist Silicon Valley und alle anderen sind außen vor. Es wird eine sehr gemischte Bevölkerung geben, wie sie bislang auch besteht. SW: Was kostet wohnen in Bückeburg? RB: Je nach Standard liegt man zwischen 4,50 Euro und 10 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Im gehobenen Standard sind 8 bis 9 Euro der normale Preis. SW: Wie sehen Sie die aktuelle Lage zum Thema Migration? RB: Ich sehe es so, dass eine humanitäre Pflicht besteht, all derer, die etwas haben, Menschen zu helfen, die nichts haben und Menschen, die flüchten, um ihr Leben zu retten, vorübergehend aufzunehmen. Ich bin mir aber darüber im Klaren, dass Europa mit 500 Mio. Menschen überfordert wäre, wenn sich Afrika mit 1,2 Milliarden auf den Weg machen würde. Das kann auch keine Lösung sein. Meine feste Überzeugung ist, helfen, ja, aber kein Mensch verlässt seine Heimat, wenn ihn nicht die Umstände dazu zwingen. Deshalb muss es die Aufgabe aller sein, daran mitzuwirken, dass Menschen in ihrem Umfeld unter menschenwürdigen Verhältnissen bleiben können. Man muss erste Hilfe leisten, aber man kann es sicher nicht in dieser Form, in dem man die Menschen in Gänze der Völker zu einem Ortswechsel auffordert. Das würde ihnen nicht helfen und es würde uns nicht helfen. SW: Gibt es noch etwas, was für die Bückeburger wichtig ist, zu wissen? SW: Auf welche städtischen Events können wir uns freuen? RB: Das Bürgerbataillon lädt zum Bürgerschießen. Und wir feiern mit unserer Partnerstadt Nieuwekerk 45 Jahre Freundschaft. Foto: wa RB: Wir haben kürzlich einstimmig den Haushalt verabschiedet. Die Vergnügungssteuer wird auf 20 erhöht und auch die Hundesteuer wird ein wenig angehoben.

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an