1. Ein soziales Unrecht wurde korrigiert

    Frauen setzen sich durch - Ein Rückblick auf 100 Jahre Frauenwahlrecht mit der Gleichstellungsbeauftragten

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    LANDKREIS (jb). Vieles wird von uns heutzutage als selbstverständlich angesehen, so beispielsweise auch unser Recht auf Mitbestimmung. Doch vor mehr als 150 Jahren hatten Frauen in Deutschland weder ein Wahlrecht, noch ein Recht auf Erwerbstätigkeit oder persönlichen Besitz. Sie waren als Ehefrauen sozial und ökonomisch von ihren Ehemännern oder wenn sie unverheiratet waren von ihren Vätern abhängig. Erst im Oktober 1918 forderten 58 deutsche Frauenorganisationen in einem gemeinsamen Schreiben an den Reichkanzler Max von Baden das sofortige Stimmrecht für Frauen - und konnten sich durchsetzen. Der 12. November 1918 gilt als die Stunde des Frauenwahlrechtes in Deutschland. Und das ist diesen Montag genau 100 Jahre her. "100 Jahre sind, finde ich, in Anbetracht der Geschichte der Demokratie keine lange Zeit, aber lang genug, um unbedingt wieder auf dieses wichtige Thema hinzuweisen", sagt Nadine Pasel, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Schaumburg. "Diese Wahlrechtsreform hat uns den Weg geebnet, andere gesellschaftliche Missstände anzuprangern, so unter anderem die Vergewaltigung in der Ehe, die bis in die 90er hinein noch erlaubt war! Das, was 1918 passiert ist, war sozusagen ein erster Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit." Mehrere tausend Menschen versammelten sich im Oktober 1918 in Berlin, um gemeinsam das Wahlrecht für Frauen zu fordern. Nachdem Philipp Scheidemann am 9. November die Republik ausrief und damit den endgültigen Sturz der Monarchie einleitete, stellte der Rat nur wenige Tage später, am 12. November, sein Regierungsprogramm vor. Darin enthalten war die Proklamation einer großen Wahlrechtsreform, die auch das Frauenwahlrecht enthielt. Von da an waren alle Frauen und Männer ab 20 Jahren wahlberechtigt. Am 30. November trat so das Reichswahlgesetz in Kraft. Im Artikel 109, Abs. 2 der Weimarer Verfassung findet sich schließlich der Satz: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten." Doch zahlreiche Männer hätten es zu der Zeit nicht eingesehen, den Frauen dieses Recht einzuräumen. "Und das ist teilweise auch heute noch so", weiß Pasel. "Denn leider ist es nicht so, dass gesetzliche Vorschriften auch genauso umgesetzt werden. Dafür gibt es ja uns Gleichstellungsbeauftragte." Doch nicht nur Männer seien gegen das Gesetz, es gäbe auch Frauen, die sehr konservativ unterwegs seien. So wird Frauen teils auch heute noch durch ihre Gebärfähigkeit eine Bestimmung für den politikfernen Bereich zugeschrieben. Aber Nadine Pasel sieht dem positiv entgegen. "Es gibt eben Meinungen, die sich nicht von heute auf morgen ändern werden. Aber es geht immer ein Stück weiter voran." So sei auch die Kampagne #metoo, die auf das Ausmaß sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe aufmerksam machen soll, ein weiterer positiver Schritt für die Frauenbewegung, so Pasel. "Die Kampagne hat zumindest in meinen Augen dazu geführt, dass ein Ruck durch alle gesellschaftlichen Schichten gegangen ist. Natürlich sind einige Menschen von der Kampagne genervt. Aber manche Themen, wie sexualisierte Werbung, sind eben einfach noch unreflektiert in der Gesellschaft. Solche Kampagnen helfen." Am 19. Januar 1919 konnten Frauen zum ersten Mal in Deutschland reichsweit bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung wählen und gewählt werden. Über 80 Prozent der wahlberechtigten Frauen gaben ihre Stimme ab, 300 Frauen kandidierten. Und von insgesamt 423 Abgeordneten wurden schließlich 37 Frauen gewählt. Die meisten weiblichen Abgeordneten waren in den Reihen der SPD zu finden, auch wenn der Großteil der Wählerinnen eher den konservativen Parteien ihre Stimme gaben. Als erste Frau der Weimarer Nationalversammlung sprach die Sozialdemokratin Marie Juchacz am 19. Februar 1919: "Ich möchte hier feststellen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist." Doch mit einem Blick auf die heutige Politik kräuselt sich bei Nadine Pasel die Stirn. "Es hat sich nicht so viel getan, wie ich es eigentlich erwartet hätte", sagt sie. "Statistisch gesehen haben wir knapp mehr Frauen als Männer in Deutschland und trotzdem ist die Geschlechterquote in der Politik deutlich verschoben - zu Lasten der Frauen. Der Anteil weiblicher Parlamentarierinnen im Deutschen Bundestag liegt heute lediglich bei 31 Prozent. Ich würde mir wirklich wünschen, dass sich mehr Frauen in der Politik engagieren, denn die Politik braucht Frauen." Zu 100 Jahren Frauenwahlrecht organisierte die Gleichstellungsbeauftragte die Ausstellung "um die Stimme der Frauen", in der 40 Wahlplakate ab 1919 von Reichs- und Bundestagswahlen gezeigt wurden, die sich explizit um die Wahlstimmen der Frauen bemühen. Für Anfang Januar sei aber eine weitere Veranstaltung geplant, in der ein Rückblick auf die 100 Jahre aber auch Ausblicke gezeigt werden sollen, also wie der derzeitige Stand ist und wo es noch hin gehen kann. Am Dienstag, den 15. Januar, ist zudem eine Tagesfahrt in das Historische Museum in Frankfurt geplant, da dort die Sonderausstellung "Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht" gezeigt wird. Verbindliche Anmeldungen nimmt das Amt für Gleichstellung unter gleichstellung.16@landkreis-schaumburg.de entgegen. Unter 05721/ 703254 können sich Interessierte ebenfalls über die Fahrt informieren. Foto: AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung

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