1. "Einfach mal hinsehen!"

    Silvesterinitiative ruft zu mehr Aufmerksamkeit gegenüber Mitmenschen auf / Hemmschwellen abbauen

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    LANDKREIS (ste). Die Rintelner Silvesterinitiative e.V. ist für viele Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Schaumburg nicht mehr wegzudenken. Immer mehr Menschen befinden sich in schwierigen Lebensumständen und Notlagen, bei denen staatliche Mittel häufig nicht mehr greifen. Nicht nur finanzielle Hilfe ist da gefragt, sondern Lösungswege und Hilfestellungen stehen bei dem gemeinnützlichen Verein auch auf der Tagesordnung. Von zahlreichen Familien können Käthe Kemna und Claudia Depping vom Vorstand der Silvesterinitiative berichten, die trotz eigener Bemühungen nicht ohne zusätzliche Hilfe ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dabei Familien genauso wie Alleinerziehende, Alleinstehende und Rentner. Die Folgen der existenziellen Notlagen sind dann häufig die soziale Ausgrenzung. Aber nicht jeder Hilfesuchende bekommt die von ihm gewünschte Unterstützung. "Alles wird von uns genauestens überprüft. Dazu gehört auch, dass die Hilfesuchenden ihre finanzielle Lage anhand von Dokumenten und Kontoauszügen darlegen müssen", so die beiden ehenamtlich engagierten Frauen. Denn aus dem großen Topf greifen kann der gemeinnützige Verein, der auf Spenden angewiesen ist, nicht. Darum freut sich die Initiative über jede Spende und Bereitschaft an den Projekten, wie die Weihnachtswünsche für die Kinder und die Herzenswünsche für Senioren. Doch immer wieder müssen die beiden Frauen feststellen, dass es noch schlimmere Fälle gibt, für die es, früher erkannt, auch Lösungen gäbe. Zum "Einfach mal hinsehen" rufen sie dazu auf. Im eigenen Umfeld, in der Nachbarschaft oder auch im Kollegenkreis gibt es sie auch, die Menschen, die Hilfe zur Selbsthilfe benötigen. Dazu gehört natürlich auch das Abbauen von Hemmschwellen gegenüber Menschen, die augenscheinlich anders sind als der "Normalbürger". "Es tut niemandem weh, mal einen Anruf bei Hilfsorganisationen zu tätigen, um die nötige Hilfe anzuschieben", so die Vorsitzende Käthe Kemna. Einen ganz besonderen Fall schilderten die beiden Frauen dann von einem Mitte 60-jährigen Mann aus Obernkirchen, der in einem sozialen Brennpunkt wohnte. Als Elektromeister verlor er vor über zwanzig Jahren sein Unternehmen und lebte seither vom Flaschen sammeln. Damit finanzierte er seine Wohnung und seinen Lebensunterhalt. Jedem sollte jetzt klar sein, dass so etwas nicht lange gut gehen kann - zumal er sich aus Scham nirgends meldete und auch keine Krankenversicherung mehr hatte. Anfang des Jahres kam dann die ganze Wahrheit ans Tageslicht. Ein Vollstreckungsbeamter wollte als letzte Chance Gewerbesteuer eintreiben, die fast dreißig Jahre offen war. Sofort erkannte er, dass hier Einiges im Argen ist. Der Mann, der vor 20 Jahren Säure in das eine Auge bekam und seit zehn Jahren im anderen Auge ein Krebsgeschwür hatte, konnte kaum noch sehen und so auch nicht mehr selbst für sich sorgen. Seit zehn Jahren hatte er keine Rechnungen mehr bezahlt und acht davon bereits keinen Strom mehr. Sofort war dem Beamten klar, dass hier Hilfe nötig ist. Im ersten Schritt kaufte er selbst ein paar Lebensmittel, um dem abgemagerten Mann unter die Arme zu greifen. Dann informierte er sämtliche für die Hilfe nötige Behörden und Organisationen. Danach ging alles fix. Die Silvesterinitiative sorgte für ausreichend Lebensmittel für den Mann, der übrigens weder Alkohol- noch Drogenprobleme hatte. Und der Fachdienst des Landkreises Schaumburg für Alten- und Seniorenhilfe kümmerte sich um weitere Hilfe. Es wurden Vergleiche mit den Gläubigern geschlossen, damit unter anderem der Strom wieder funktioniert und vieles mehr, dabei auch Arztbesuche bis zum Krankenhausaufenthalt. Doch leider alles zu spät. Im Juni ist er in der Palliativbetreuung gestorben. "Rundherum um diesen Fall sind alle erschüttert, wie es soweit kommen konnte", so Käthe Kemna. "Schade ist, dass Menschen einfach wegschauen ohne Hilfe zu rufen", so Kemna und Depping, "darum bitten wir alle Bürgerinnen und Bürger nicht wegzuschauen, sondern lieber einmal mehr Hilfe zu rufen, als zu wenig, um aus Anonymität Aufmerksamkeit werden zu lassen!"Foto: ste

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