1. Von Männern mit Sopran und Frauen mit Bariton

    Beate Josten spricht aus der Sicht des Kehlkopfes / Die weibliche und männliche Klangwelt

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    OBERNKIRCHEN (wa). Das sollten Frau und Mann sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: In der Kommunikation fokussiert sich der Zuhörer nur 40 Prozent auf den Inhalt des Sprechers. Viel wichtiger, mit 60 Prozent besetzt sind die Lautstärke, die Stimmmelodie und der Sprechstil im Allgemeinen. Darüber hat passend zum Weltfrauentag am 8. März, die Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin sowie Opernsängerin Beate Josten in geselliger Runde gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten Dörte Worm-Kressin im Trafohäuschen informiert. Als Baby quasselt jeder Mensch Unisex, erst nach und nach im Laufe seiner Kindheit und spätestens bei den Jungen im Stimmbruch bildet sich die weibliche oder männliche Oktave aus. Was allerdings nicht heißt, dass ein Mann nicht auch in der Sopranstimme singen könnte, wie beispielsweise der österreichische Opernsänger Arno Raunig beweist. "Wir könnten, wenn wir denn wirklich wollten, alle Opernsängerinnen sein", betonte Beate Josten. Zwar bräuchten wir dafür eine etwa zwölfjährige Stimmausbildung, aber machbar wäre es für jeden Menschen. Die Stimme sei laut Josten nicht angeboren, sondern angehört. Das Problem: "Viele haben bei ihrer Stimme eine Lernhemmung. Doch damit nehme ich mir auch viel Entwicklungspotenzial", sagte Josten. Männer mit Sopranstimme oder Frauen mit Bariton haben sich lediglich die uns angeborene Nachahmungsfähigkeit zunutze gemacht. Während vor 50 Jahren die meisten noch sehr irritiert gewesen sind, wenn eine Frau mit tiefer Stimme sprach, so haben die Schauspielschulen heute mittlerweile Probleme, Frauen mit weiblich gesunden Stimmen zu finden. "Frauen geben mehr Luft in ihre Stimme, Männer sprechen aus dem Brustraum heraus." Viele weibliche Politikerinnen und Frauen in Führungspositionen nutzen jedoch eine tiefe Stimme, um sich (bewusst oder unbewusst) in der "Männerwelt" ernst genommen zu fühlen. Doch im Beruf gebe es keine geschlechtlichen Unterschiede, sondern lediglich soziale Stile durch die Stimme. In der Politik beispielsweise: "Wer in einen langen Prozess muss, der sollte einfach sehr monoton sprechen", hielt Josten als Anekdote bereit. Das mache die Zuhörer nahezu irre und sie würden zu allem "Ja" sagen. Die Melodieführung der eigenen Stimme entscheidet, ob jemand gern zuhört und der Sprechende ernst genommen wird oder ob der Sprechende unsicher oder gar gelangweilt erscheint. Ein Stilmittel der Stimme ist außerdem die Tonhöhe: hoch und schrill oder tief und erdig. "Hohe Stimmen sind heilig und wecken Vertrauen." Die Lautstärke ist ein weiteres Stilmittel. So nutzen viele Männer beziehungsweise Menschen Druck in der Stimme, um Macht auszudrücken. Frauen riet Beate Josten ihre "Hauchstimme" unter Kontrolle zu behalten und nur dann einzusetzen, wenn die Situation passt, denn sie zeige in bestimmten Kontexten auch Unsicherheit. Männer könnten dagegen einmal weniger nachdenken und einfach drauf los sprechen, weil es Offenheit zeige. Das letzte Stilmittel benannte die Obernkirchnerin "Hoppla, jetzt komm ich!" und sie riet die eigene Stimme nicht unter der Funzel verkümmern zu lassen, sondern gern ins "Spotlight" zu stellen - auch wenn die Stimmruhe - das Schweigen in vielen Situationen ebenso ein wichtiges Stilmittel sei. "Unsere Stimme ist überqualifiziert, sie kann viel mehr, als wir denken", erklärte Josten. Foto: wa

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an