1. Steuer-Wirrwarr geht an die Existenz

    Zu geringe Erlöse: Branchenverbände fordern gleiche Steuersätze für Essen / "Der Gastronomie fehlt die Lobby"

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    LANDKREIS (jl). "Zum Hieressen oder zum Mitnehmen?". Eine Frage, die Kunden vor allem an Kassen in Fastfood-Läden hören. Wer den Grund einmal hinterfragt, stößt auf ein Steuersystem, das immer mehr zur Existenzbedrohung für einige Gastronomiebetriebe wird. "Es geht nicht um die Papiertüte, sondern um zwölf Prozent Unterschied bei der Steuer", bringt es Klaus Pittack junior, Vize-Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Schaumburg und Gastronom aus Bad Nenndorf, auf den Punkt. Bei der hiesigen Kreisversammlung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes wurde erneut Kritik am Mehrwertsteuer-Wirrwarr laut. Seit Jahren fordern die Branchenverbände die gleichen reduzierten Steuern für Essen oder anders ausgedrückt: die Chancengleichheit für die Gastronomie. Und seit Jahren passiert - nichts. Begünstigt sind Lebensmittel im Einzelhandel und Handwerk. Holen sich Kunden also im Supermarkt, beim Bäcker oder Schlachter etwas, muss der jeweilige Betrieb nur sieben Prozent Mehrwertsteuer abführen. Hinter der Tütentomatensuppe steht wie beim mittäglichen Haxen-Menü zum Mitnehmen oder beim "Kaffee to go" laut Gesetz eine ermäßigt besteuerte Lieferung. "Da kann die Gastronomie mit ihren 19 Prozent nicht mithalten", sagt Kirsten Jordan, Geschäftsführerin des Dehoga-Bezirksverbandes Hannover. Sie spricht von einer Wettbewerbsverzerrung. Der höhere Satz wird fällig, wenn der Gast die Gerichte vor Ort auf bereitgestellten Sitzmöbeln verzehrt oder dafür etwa Service- und Spülleistungen erbracht werden. Die Speisenabgabe steht dann in Verbindung mit der Bereithaltung der Infrastruktur. Ergo überwiegt der Dienstleistungsanteil die bloße Lieferung. Und für den Wirt bleibt netto weniger über. Bei gleichem Aufwand, wie Jordan betont: "Die Stühle sind da, es wird geheizt, das Licht ist angeknipst und der Gast geht auf Toilette und verbraucht Wasser." Gastronom Pittack verdeutlicht die Problematik am Schützenfest in Bad Nenndorf, das er und seine Familie mit dem Schützenverein auf die Beine stellen: "Trotz 600 bis 700 Gästen, die gut und gerne trinken und essen, haben wir jedes Mal ein Problem, da mit einer schwarzen Null herauszugehen." Die Verköstigung ist durch bedienende Servicekräfte und bereitgestelltes Geschirr mit einer Leistung verknüpft. Das hat einen 19-prozentigen Steuersatz zur Folge, und das bei einem hohen finanziellen Aufwand. "Die Erlöse sind zu gering. Das geht an die Existenz", weiß Pittack speziell von Kollegen im dörflichen Raum. "Die arbeiten 60 Stunden jede Woche und können nicht davon leben, das kann es doch nicht sein", ärgert er sich. Auch Jordan kritisiert: "Die Belastung für die Wirte steigt immer weiter, manche sind am Rande ihrer Gegebenheiten." Existenzbedrohend, weil Betriebskosten - egal ob für Waren, Personal oder Reinigung -über die Jahre gestiegen seien. Diese könnten aber ebenso wenig wie unterschiedliche Summen je nach Verzehrart auf die Preise für Schnitzel und Co. umgelegt werden: "Da machen die Gäste nicht mit." Zum Vergleich: Für die Hotellerie wurde der Mehrwertsteuersatz bereits 2010 gesenkt. Danach gab es laut Jordan einen regelrechten Aufschwung an Investitionen in der Branche. Allein bis 2012 seien deutschlandweit 1,8 Milliarden Euro zusätzlich in Neuanschaffungen, Renovierungen sowie An- und Umbauten geflossen. "Und das wünschen wir uns auch für die Gastronomen, dass sie Geld über haben, um zu investieren." Die Forderung seinerzeit galt für das gesamte Gastgewerbe, betont die Bezirksgeschäftsführerin. Und dennoch ist für den Gastronomiebereich noch keine steuerliche Entlastung in Sicht. Eine Prognose wolle und könne sie daher nicht geben. Der Gastronomie fehle die Lobby, die etwa die Industrie habe, sagt Pittack. Daher rechnet auch er kaum mit einer zeitnahen Änderung der Situation. Die Entscheidung fällt in Berlin. Durch die Wahlkämpfe rückte das Thema zwar verstärkt in den Fokus, bisher aber ohne Folgen. Vor Ort könne die Kommunalpolitik etwas tun, macht die Bezirksverbandschefin deutlich: "Sie kann durch die Bundestagsabgeordneten Einfluss auf die Bundespolitik nehmen." Foto: jl/Archiv

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