OBERNKIRCHEN (wa). Es ist ihr erstes Jugendbuch und deshalb wie gemacht für eine Lesung für Schüler: Die österreichische Schriftstellerin Julya Rabinowich las vergangenen Donnerstag aus ihrem Buch "Dazwischen: Ich" für Schüler der IGS Obernkirchen im Stiftssaal. Sie war im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Treff im Stift" in der Bergstadt zu Gast und hielt zwei Abendlesungen für Interessierte. Julya Rabinowich, russische Immigrantin in Wien erzählt in ihrem Buch die Geschichte des geflüchteten Teenagers Madina. Dabei jongliert sie wortgewandt zwischen zwei Welten: Der Welt, die Madina in ihrem patriarchalen Zuhause erlebt und der "neuen" Welt einer pubertierenden 15-Jährigen in Europa. Ihr Vater, schreibt Madina in ihr Tagebuch, sei ohne sie verloren. Denn er hat Angst auf Menschen zu zugehen, weil er noch mehr Angst hat Fehler zu machen. "Für geflüchtete Kinder ist es eine große Belastung. Sie müssen für ihre Eltern übersetzen und übernehmen damit eine große Verantwortung", sagt Rabinowich, die dies nicht nur selbst in ihrer Familie erlebt hat, sondern auch während ihrer Tätigkeit als Simultandolmetscherin in der Flüchtlingsarbeit in Wien. Madina beschreibt es so: "Ich übersetze Worte, die ich vom Sinn her nicht verstehe. Ich könnte auch allein zu den Behörden gehen". Relativ neutral bringt Rabinowich in einem Teil des Buches auf den Punkt, wie schwer es besonders für geflüchtete Menschen sein muss, sich in lieblosen bürokratischen Behörden zurechtzufinden. "Wie ein Leierkastenspieler wiederhole ich die Antwort auf die Frage, warum wir geflüchtet sind: Weil unser Haus nicht mehr steht, weil es zerbombt wurde." Sie erkläre dann, dass ihr Vater gesucht werde, weil er Krankenpfleger ist und natürlich Schwerverletzte versorgte, die auf seiner Türschwelle lagen. So kamen nicht nur Zivilisten zu ihm, um sich helfen zu lassen, sondern auch die Soldaten – und dies allein machte ihn zum "Mittäter". Rabinowich unterlässt es, große Dramen oder Traumata auszugraben, lieber spielt sie mit Sätzen wie: Sie habe habe großes Glück, denn sie habe Laura. "Irgendwann erzähle ich vielleicht mal von denen, die weniger Glück gehabt haben als ich. Aber das möchte ich noch nicht." Laura, an ihrem Geburtstag ein aufgetakelter Storch und zu 200 Prozent überdreht, ist Madinas beste Freundin. Ihr 15. Geburtstag ist im Buch Madinas erste Party, die sie nur besuchen darf mit ihrem 6-jährigen Bruder Ramin als Aufpasser im Schlepptau - angeordnet vom Vater und die persönliche Abholung seinerseits zu einer Zeit, zu der die Party eigentlich erst richtig losgeht. Neben den existenziellen Herausforderungen, die ihre Familie betreffen, schreibt Madina in ihrem Tagebuch aber auch über typische Teenager-Themen: Über Knutschflecken, die sich die von ihr betitelten "Knutschbrezeln" auf dem Schulhof zufügen, über hochhackige Schuhe im Gartenboden und ihrem kleinen Bruder, dem Schleimer, der Pest mit Locken. Das Buch hatte Julya Rabinowich bereits vor der Flüchtlingsbewegung in 2015 fertig. "Ich wollte ein Antikriegsbuch schreiben. Ich fürchte, dass es doch relativ schnell passieren kann, dass ein Krieg ausbricht", antwortet sie auf die Frage einer Schülerin, wie sie auf die Idee zum Buch gekommen ist.Foto: wa
-
Teenager-Wahnsinn als Antikriegsbuch
Wiener Schriftstellerin Julya Rabinowich liest für IGS-Schüler aus ihrem Roman "Dazwischen: Ich"
Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum