BAD NENNDORF (jl). Wer auch nach Wochen noch um einen Menschen trauert, soll als krank gelten? "Das ist nicht unser Ansatz. Jeder Mensch ist einzigartig. Wir unterteilen nicht in normal und gestört." Mit diesen Worten begrüßte Torsten Lindner, Leiter der CJD-Schule Schlaffhorst-Andersen, mehr als 200 Atem-, Sprech- und Stimmlehrer, Logopäden sowie Sprachtherapeuten zum abschließenden Kongresstag der Bad Nenndorfer Therapietage (BNT). Erstmalig fanden sie – in ihrer nun mehr 22. Auflage – an drei Tagen statt. Laut Koordinator Jens Kramer ein Resultat der stetig gestiegenen Nachfrage.
Eine Unterteilung, so Linder, würde den Blick auf die individuellen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten verstellen. Dabei zeichne gerade die Vielfalt die Sprach- und Stimmtherapie aus – das Thema der dreitägigen Veranstaltung. "Es ist Ihre Hauptaufgabe", richtete sich der Schulleiter an die Zuhörer, "immer nach dem Schlüssel zu suchen, mit dem Sie den Zugang zu den Patienten aufschließen können". Den Auftakt markierten zwei musikalische Beiträge. Die Studierenden im dritten Semester Anna Henning (Gesang) und Alexander Niessig (Gitarre) brachten zu Gehör, was stimmlich fern ab der Therapie möglich ist. Anschließend referierte Margit Berg über das neue diagnostische Verfahren "MuSE-Pro". Dabei geht es darum, morphologische und syntaktische Entwicklungsfähigkeiten bei Fünf- bis Achtjährigen im Bereich der grammatischen Produktion festzustellen. Veralteten Verfahren fehlte der aktuelle Blick, so Berg. Denn Kinder und deren Entwicklungsbedingungen sowie Sprache veränderten sich stetig. "Je mehr wir wissen, desto differenzierter müssen wir an die Förderplanung herangehen", betonte die Referentin. Dafür brauche es aber auch alltagstaugliche Verfahren, die schnell und effizient aufzeigen, wo das Kind in der Grammatik steht. Das schaffe "MuSE-Pro" im Rahmen eines Ratespiels und geleiteten Gesprächs über Tierbilder mit zehn evozierten Äußerungen zu allen analyserelevanten Strukturen. Den weiteren Tag gestalteten diverse Seminare. Unter anderem ging es um den "Weg zu Kraft und Fülle der Stimme", Schwingen mit Kindern, Stottertherapie sowie Kommunikations- und Sprachförderung mit Gebärden. Allein die Angebote verdeutlichten die Vielfalt dieses therapeutischen Bereichs. Foto: jl