STADTHAGEN/LANDKREIS (bb). Bei der feierlichen Eröffnung der ehemaligen Synagoge in Stadthagen haben die verschiedenen Redner die Bedeutung des Projektes hervorgehoben, einerseits als Ort der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus andererseits als Lernort, der einen Beitrag gegen die Verbreitung extremistischer Gedanken leisten soll. Zahlreiche Interessierte nahmen an der Zeremonie in der St. Martini-Kirche teil, nahezu jede Bank im Kirchenschiff war belegt.
"Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen", zitierte der Vorsitzende des Fördervereins ehemalige Synagoge Stadthagen Bernd Hellmann in seiner Begrüßung ein bekanntes Wort des Holocaust-Überlebenden Primo Levi. Und verwies damit auf eine Funktion, welche die ehemalige Synagoge nach ihrer Wiedereröffnung als Gedenk- und Lernort erfüllen soll. Als Ort für Unterricht und Forschung zur Geschichte des Nationalsozialismus, solle sie einen Beitrag leisten "zur Erziehung unserer jungen Leute zu mündigen Staatsbürgern", die für die Menschenrecht eintreten und eben nicht anfällig für extremistische Vorstellungen seien, so Hellmann. Außerdem solle die ehemalige Synagoge als Gedenkort die Erinnerung an die Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus in Schaumburg wahren. Hellmann erklärte, er sei beeindruckt "von der großen Resonanz" welche die Eröffnungsfeier finde und dankte den zahlreichen Unterstützern des Projekts. Landrat Jörg Farr betonte, dass das Bewusstsein der eigenen Geschichte eine wichtige Voraussetzung sei, um in die Zukunft zu gehen. Dies gelte gerade in Zeiten, in denen Nationalismus wieder um sich greife. Ministerpräsident Stephan Weil hielt in seinem Grußwort fest, dass die Beschäftigung auch mit den dunklen Teilen der deutschen Geschichte unumgänglich sei. Er könne verstehen, dass es immer wieder Forderungen nach einem Schlussstrich zur Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalismus gegeben habe. Ohne Zweifel sei die Beschäftigung mit dem Thema beängstigend, verwirrend und beschämend. Man dürfe jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte von Deutschen und von Deutschland ausgegangen sei. Wer sich dem verschließe, werde der eigenen Geschichte nicht gerecht. Einerseits sei die Erinnerung um der Opfer Willen unbedingt nötig. Ebenso sei die Erinnerung jedoch auch "um unser selbst, um der Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft wegen" unumgänglich. Weltweit sei eine Renaissance des Populismus, der autoritären Systeme und Denkweisen, der Agitation gegen Minderheiten zu beobachten. Es sei nicht zu leugnen, dass auch in Deutschland Chauvinismus, Rassismus und antisemitische Vorstellungen in Teilen der Bevölkerung verbreitet seien. Vor diesem Hintergrund bleibe die Auseinandersetzung mit dem NS-Regime aktuell, Bildung und Aufklärung, das Eintreten für die Menschenrechte in der Öffentlichkeit seien zentral. Eine wichtige Rolle würden in diesem Zusammenhang die Erinnerungsorte in Niedersachsen spielen. So freue es ihn, dass die ehemalige Synagoge in Stadthagen nun eröffnet werde. Er sei beeindruckt, was hier aus privater Initiative entstanden sei. Tom Corby, Präsident der das Projekt erheblich unterstützenden Rautenberg Stiftung, erklärte, dass der mit 16 Jahren aus Stadthagen geflohene Erwin Rautenberg angesichts der Eröffnung sehr stolz gewesen wäre. Marina Jalowaja, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im Landkreis Schaumburg, verwies auf die kleine, aber "sehr lebendige jüdische Gemeinde" im Landkreis und auf ähnliche Entwicklung in der gesamten Republik. "Nach dem was geschehen ist, nehmen wir wieder unseren Platz ein und lassen ihn uns nicht mehr streitig machen", so Jalowaja. Die jüdische Kultur gehöre zu Deutschland und habe die deutsche Kultur vielfach befruchtet. Musikalisch begleitet wurde die Feierstunde durch Chor der jüdischen Gemeinde Hannover sowie den Vortrag eines von Torben Maiwald eigens zur Erinnerung an Erwin Rautenberg komponierten Stückes. Die Ratsgymnasiasten Adnela Memic und Taisir Bozo gaben in einer szenischen Lesung Eindrücke vom Besuch der Gedenkstätte Auschwitz wieder. Im Anschluss an die Feierstunde in der Kirche nutzten zahlreiche Gäste die Möglichkeit, die ehemalige Synagoge zu besichtigen. Schon zuvor war die von Hasso Neumann gefertigte Menora aus der Kirche in die Synagoge gebracht worden. Neumann hatte sich Zeit seines Lebens für ein Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Schaumburg eingesetzt. Foto: bb