LANDKREIS/BAD NENNDORF (jl). Ein kindischer US-Präsident, ein auch hierzulande schmutzig werdender Wahlkampf und eine Börse, die sich ungeachtet des politischen Geschehens immer wieder erholt: Einen interessanten Donnerstagabend haben 175 Gäste auf Einladung der Volksbank in Schaumburg im Bad Nenndorfer Kurtheater erlebt.
"Nach dem Brexit dachte ich: Schlimmer geht’s nicht mehr", begrüßte Vorstand Reinhard Schreeck das Publikum. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten habe ihn aber eines Besseren belehrt. "America first – ich kann es nicht mehr hören." Einen verbalen Schritt weiter ging der ehemalige Obama-Wahlkämpfer Julius van de Laar. "Trump ist kurz davor das Land in den Abgrund hinunterzufahren", sagte der Gastredner gerade heraus und fügte hinzu: "Er erinnert mich an ein kleines Kind, das seinen Willen nicht bekommt." Der jetzige US-Präsident biege sich die Fakten (der Arbeitslosigkeit zum Beispiel) zurecht, wie er sie brauche. Im Wahlkampf setzte er auf sogenannte "Fake News". In sozialen Netzwerken ließ er etwa bewusst verbreiten, der Papst würde ihn unterstützen. Als eine amerikanische Strategie zur Spendenakquise und Wählermobilisierung machte der Kampagnenberater den sozialen Druck aus. Das dortige Wahlregister etwa spucke Daten aus, ob jemand bei den vergangenen Wahlen sein Kreuzchen gesetzt hat oder nicht, wie es in Deutschland unvorstellbar wäre. Zudem kauften US-Wahlkämpfer Kundeninformationen zu Kreditkarten und Kaufverhalten von Unternehmen wie Amazon auf. Daraus ergeben sich Folgerungen wie diese: Jemand, der einen Toyota Prius fährt, wählt zu 80 Prozent demokratisch. Der in Houston lebende Waffenlobbyist, der im "Bible Store" kauft, ist höchstwahrscheinlich Republikaner. Das Wissen machen sich die Wahlkämpfer für eine gezielte Kontaktaufnahme zunutze. Zu Trumps Taktik gehörte van de Laar zufolge, bestimmte Zielgruppen am Urnengang zu hindern. Beispielweise versuchte er Afroamerikaner, die sich kaum für ihn aussprechen würden, zu demobilisieren. Auch mit Drohgebärden potenzielle Fürsprecher zur Stimmabgabe zu bewegen, seien im Land der unbegrenzten Möglichkeiten durchaus gängig. In der Bundesrepublik gibt es zwar nicht die gleiche Datenverfügbarkeit und auch weniger Schattenseiten. Die Methode des Von-Tür-zu-Tür-Gehens samt mobiler Wähleranalyse hätte aber auch Deutschland erreicht, wie der Obama-Unterstützer mit Zeitungsschlagzeilen darlegte. Demnach setzen CDU und SPD auf entsprechende Apps. Insgesamt werde der Bundeswahlkampf schmutziger. Deutliche Worte fand Henning Sohl, der den Abend moderierte. Aus Sicht des Private Banking-Leiters bei der Volksbank in Schaumburg ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand aus dem christdemokratischen Lager in den Raum wirft, "ob wir wirklich einen trockenen Alkoholiker als Bundeskanzler haben wollen." In seinem Beitrag widmete er sich dem Einfluss der Politik auf die Finanzmärkte. "Gefühlt hat er zugenommen", sagte er etwa mit Blick auf die Griechenlandkrise und das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank, "aber objektiv nicht." Anhand der nicht aufzuhaltenden Dax-Kurve verdeutlichte er, dass sich der Markt relativ schnell erholt, wenn Politik eingreift – selbst nach dem 1.000-Punkte-Fall durch den Brexit. Sohl abschließend: "Politische Börsen haben immer noch kurze Beine." Foto: jl