RODENBERG (jl). Heinz Erhardt, was für ein Humorist! Dass sich hinter den Witzen ein sensibler und bisweilen melancholischer Mensch verbarg, hat Frank Suchland in mitreißender Manier dem "Kulturdrogen"-Publikum im Ratskeller nähergebracht. Dem Schaumburger Rezitator gelang es, in eine ernsthafte Lesung zu entführen, bei der freilich auch gelacht werden durfte. Zwei Stunden lang ließ er die vielschichtige Biografie des "Schelms der Nation" mit allen Höhen und Tiefen vor den Augen der zahlreichen Gäste – 120 waren gekommen – lebendig werden. Der Titel: "Der Kuckuck ist ein scheues Reh".
Viele kennen die pfiffigen Gedichte, geistreichen Wendungen und legendären Aphorismen Erhardts wie "Das Menschenleben gleicht der Brille: man macht viel durch", die auch in der Deisterstadt für ungezügelte Lachsalven sorgten. Suchland stimmte aber auch nachdenklich. "Wenn man es gründlich liest, entdeckt man zwischen den Zeilen immer wieder etwas über seinen eigentlichen Gemütszustand", sagte der heimische Autor über das große Heinz-Erhardt-Buch. Beispielsweise komme in fast allen Gedichten, so amüsant sie auch sein mögen, irgendwer zu Tode. Da wären zum Beispiel "Die Kellermaus", in der die Katze ihre Speise als Engelein ins Paradies schweben sieht, und "Der Schauspieler", der es erst mit seinem Ableben "schön eingerahmt und fett gedruckt" in die Zeitung schafft. Der Rezitator erzählte, wie Erhardt zum beliebtesten Komiker der Jahrhundertmitte wird (22 Jahre nach seinem Tod, landet er noch auf Platz 1 der Humoristen-Charts) und wie er mit einer Namenssteigerung das Tribunal zur Tribüne macht. Aber auch wie er über sich selbst schreibt, ein "mieses Familienoberhaupt" zu sein. In privaten Stunden wirke er oft abwesend und melancholisch, zitierte Suchland den Sohn Gero. Das Paradoxe: Mit der Vaterrolle in "Witwer mit 5 Töchtern" gelingt Erhardt der Filmdurchbruch. Wie Suchland skizzierte, nimmt der Schauspieler für seinen Erfolg pausenlosen Stress in Kauf. Zum Teil ist er fast ein Jahr nicht daheim und gibt bis zu 90 Theatervorstellungen in vier Monaten. Das muss er bitter bezahlen, Alkohol kommt ins Spiel und ab Ende der Sechziger verschlechtert sich seine Gesundheit. Im Dezember 1971 erleidet er einen schweren Schlaganfall, der sein Wortfindungszentrum zerstört. Sieben Jahre später stirbt er im Alter von 70 Jahren – vier Tage nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Weil er aber niemanden traurig gestimmt verabschieden wollte, zelebrierte Suchland als Zugabe Erhardts heitere Reflexion seiner Berufswahl "Warum ich Dichter wurde". Das Publikum dankte es ihm mit langanhaltendem Applaus, und ging mit der Erinnerung an einen großen Humoristen. Foto: jl