LANDKREIS (bb). Mit Blick auf das internationale Geschehen aber auch auf die Entwicklung im Landkreis Schaumburg ordnet Landrat Jörg Farr 2016 als ein "außergewöhnliches Jahr" ein. "Wir erleben, dass in vielen Teilen der Welt Konflikte wieder mit Waffengewalt ausgetragen werden und dass dies auch ganz unmittelbare Auswirkungen auf Mitteleuropa und Deutschland hat", erklärte der Landrat. So seien mittlerweile auch rund 3.000 Menschen als Flüchtlinge nach Schaumburg gekommen. Gerade zu Beginn des Jahres mit einer Vielzahl von Ankommenden in kurzer Zeit habe deren Unterbringung, Verpflegung und medizinische Erstversorgung eine erhebliche Herausforderung dargestellt. "Wir haben diese Herausforderung mit einem ganz außerordentlichem Engagement im Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt, von Landkreis und Gemeinden gemeinsam mit den Hilfsorganisationen wie zum Beispiel der AWO, dem DRK, dem THW und der Feuerwehr gemeistert", so Farr. In Schaumburg habe niemand der ankommenden Menschen im Freien übernachten müssen, Landkreis und Gemeinden seien nicht gezwungen gewesen, Turnhallen oder ähnliche Einrichtungen zu sperren. Um die Aufgabe zu bewältigen, sei in der Landkreisverwaltung und an anderen Stellen "unter Volllast" gearbeitet worden. "Es ist unglaublich, was auf diese Weise in 2016 geleistet wurde und ich möchte allen, die sich in diesem Bereich engagiert haben, meinen außerordentlichen Respekt und Dank aussprechen", erklärte Farr. Wichtige Grundlage für die nahezu konfliktfreie Aufnahme sei die Entscheidung, frühzeitig die Flüchtlingssozialarbeit mit der AWO zu organisieren, so dass Flüchtlinge und Nachbarn gleichermaßen Unterstützung bei Ansprechpartnern finden konnten.
Mittlerweile habe sich die Unterbringungssituation etwas entspannt und der Landkreis fahre nun die Gemeinschaftsunterkünfte zurück, weil Wohnungen zur Verfügung stünden. "Aber die Aufgaben werden damit nicht kleiner, im Gegenteil. Jetzt stehen wir vor der Aufgabe der Integration." Es müsse jedem klar sein, dass man damit in einen langen und aufwändigen Prozess einsteige. 60 Prozent der Flüchtlinge in Schaumburg seien unter 25 Jahren. Dies biete eine günstige Ausgangsbasis dafür, über Sprach- und Bildungsangebote die Kenntnisse zu vermitteln, die für den Eintritt in den heimischen Arbeitsmarkt nötig seien. Wichtige Grundlagen hätten in diesem Zusammenhang die Schulen mit ihrem großen Einsatz bei der Einrichtung von Sprachlernklassen sowie die Angebote der Volkshochschule gelegt. Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen, kooperiere der Landkreis eng mit Kreishandwerkerschaft und Industrie- und Handelskammer. Auf diesem Feld würden ausdauernde Anstrengungen nötig sein. Die günstige wirtschaftliche Entwicklung in Schaumburg biete dazu eine stabile Basis. Die heimischen Betriebe würden investieren, der Aufwärtstrend setze sich fort. Der Landkreis könne hier seine Standortvorteile mit der engen Anbindung an die Autobahn ausspielen. Aber auch die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die aktive Wirtschaftsförderung würden Erfolge zeigen. Die Arbeitslosenquote im Landkreis sei unter sechs Prozent gesunken, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse auf über 43.000 gestiegen. Das seien 5.000 mehr als vor fünf Jahren, das Gewerbesteueraufkommen in den Gemeinden habe die Grenze von 50 Millionen Euro überschritten. Bei all diesen deutlichen Anzeichen für eine insgesamt erfolgreiche Entwicklung seien "negative Botschaften nicht ausgeblieben, die sehr schmerzhaft sind", wie etwa die Entlassungen bei Bornemann und die Ankündigungen bei den Fränkischen Rohrwerken, so Farr. Trotz der Probleme in diesen Firmen mit ihren schweren Belastungen für die Betroffenen gebe der Ausblick in die Zukunft Zuversicht. Gespräche mit Unternehmen deuteten auf die Absicht zu Neuansiedlungen und Betriebserweiterungen und damit auf eine Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufwärtstrends im Landkreis hin. In 2017 werde für Schaumburg im Bereich der medizinischen Versorgung ein großer Fortschritt erreicht, wenn in Vehlen das neue Klinikum an den Start gehe, so Jörg Farr. Der Ärztemangel sei wie überall im ländlichen Raum auch in Schaumburg ein Thema. Vor diesem Hintergrund sei es als Erfolg des neuen Hauses bereits vor der Eröffnung zu werten, dass in den vergangenen beiden Jahren für dieses Gesamtklinikum sieben neue Chefärzte gewonnen wurden. So werde die medizinische Versorgung auch langfristig auf hohem Niveau sichergestellt. Ein bedeutender Schritt in 2016 sei außerdem die Entscheidung des Kreistages für den Neubau einer Integrierten Gesamtschule in Rinteln gewesen. Der Umzug vom Kollegienplatz zur Burgfeldsweide eröffne auch wichtige neue Gestaltungsperspektiven für die Stadtentwicklung Rintelns. Im Gegenzug übernehme die Stadt das Hallenbad, wobei sich der Landkreis noch an den Sanierungskosten beteilige. Damit sei hier die größte Einzel-Investitionsentscheidung des Landkreises der vergangenen 20 bis 25 Jahre gefallen. "Es ist gut, dass diese sowohl vom Kreistag als auch vom Rat der Stadt Rinteln von breiten Mehrheiten getragen wurde", so Farr. Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sei mit Freigabe des ersten Abschnitts des 2+1-Ausbaus der B65 eine wichtige Etappe genommen. "Aber die Arbeit für 2017 geht uns nicht aus", wie der Landrat betonte. So würden die Konzepte für die Nachnutzung der Krankenhausstandorte in Rinteln und Stadthagen weiterentwickelt. Ebenso stehe die aktive Vorbereitung des zweiten Bauabschnittes der B65 auf der Agenda. Themen wie die Inklusion in den Schulen, die Fortentwicklung des Bildungsbüros oder die Nahverkehrsplanung seien in 2017 und darüber hinaus wichtige Aufgaben. "Wir haben vieles geschafft, Probleme bewältigt und verschiedene Bereiche neu strukturiert. Und zwar auf dem Weg, der uns in Schaumburg auszeichnet: Durch das gemeinsame Erarbeiten von pragmatischen und angemessenen Lösungen. Diesen Weg werden wir auch in 2017 fortführen", schloss der Landrat. Foto: bb/bb archiv