1. Schritt für Schritt – Von der Flucht in die Ausbildung

    Zwei Geschichten über Flüchtlinge und wie sie in Deutschland zurechtkommen

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    Ben Lacina Soumahoro (22 Jahre) ist Ivorer, seine Heimat ist die Elfenbeinküste. Beruflich beschäftigte er sich mit der Reparatur von Handys, eine Ausbildung hat er nicht. 2015 flieht er auf dem Seeweg nach Europa, in Deutschland findet er seinen Wohnsitz letztendlich in Eschershausen. Seine Integrationslotsin begleitet ihn Anfang 2016 zur Arbeitsagentur Holzminden, dort signalisiert er direkt sein Interesse an einer Ausbildung. Er nimmt jede Gelegenheit wahr, an ehrenamtlich angebotenen Deutschkursen teilzunehmen. Ab Juni, auf Vorschlag seines Arbeitsvermittlers in Holzminden, tritt er als Teilnehmer in das gemeinsame Flüchtlingsprojekt mit der Handwerkskammer IHAFA ein. Aus dem Projekt heraus wurde bei Otto Künnecke nach einem Praktikum für Soumanoro nachgefragt. Dazu Personalleiterin Olga Finch: "Als international operierendes Unternehmen mit Kunden, Mitarbeitern und auch Praktikanten aus allen Herrenländern hatten wir da überhaupt keine Vorbehalte." Nach dem sechswöchigen Praktikum befragte Tobias Pomarius (Leiter Vormontage und Haustechnik) die Kollegen, von dort wurden keine schlechten Eindrücke vermeldet, sondern: "Sehr engagiert, passt super!". Durch das Praktikum wurde nicht nur seine Hinwendung zu dem Bereich Elektronik deutlich, sondern auch zur Mechanik – ein wichtiges Arbeitsfeld bei Otto Künnecke. Noch viel eindeutiger und selbstbewusster fiel die Meinung von Soumahoro nach dem Praktikum aus – er will bei Otto Künnecke bleiben. Bei so viel Übereinstimmung wird eine neue gemeinsame und vor allem langfristige Perspektive gesucht und gefunden - Soumahoro soll eine Ausbildung bei Otto Künnecke machen. Nun hieß es, den Dschungel an Vorschriften zu durchqueren, den es für die Beschäftigung von Flüchtlingen gibt. Selbst für Olga Finch, die sich täglich mit Personalfragen auseinandersetzt, war die rechtliche Unsicherheit groß: "Die entscheidenden Hinweise kamen dann von den Behörden. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagentur und Ausländerbehörde klappt in Holzminden wirklich gut." Zur bestmöglich fachlichen Vorbereitung auf die Lehre besucht Soumahoro an einem Tag wöchentlich als Gasthörer die BBS in Holzminden. Zum jetzigen Zeitpunkt für ihn noch eine große Herausforderung. Das eigentliche Damoklesschwert schwebt über einem anderen Thema: Noch ist unklar, ob der Asylantrag von Soumahoro bewilligt wird und er auf Dauer bleiben darf. Bereits dreimal war er zur persönlichen Anhörung beim BAMF in Bramsche, jetzt wartet er auf die Entscheidung. Dabei spielt der Stand der Integration keine Rolle - grundlegend für die Entscheidung sind seine Herkunft und die Gründe seiner Flucht. Avat Sheykhe Pour (24 Jahre) ist auf seinem Weg zum Ziel bereits ein Stück weiter. Bereits mit 18 Jahren floh er allein aus dem Iran. Über Stationen in Norwegen und Italien landete er 2014 schließlich in Holzminden.Nadine und Marc Strathmann, Besitzer des in der vierten Generation familiengeführten Hotel-Restaurant Kiekenstein in Stahle (Landkreis Höxter) beschäftigen 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sind erfahrene Ausbilder. Erfahrung mit der Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter haben sie ebenfalls – unter anderem gehört eine aus ihrer Heimat geflüchtete Mongolin zum Team. Über Kontakte innerhalb der christlichen Gemeinde wurden sie gefragt, ob sie Arbeit für einen iranischen Flüchtling hätten. Avat Sheyke Pour wird ab November 2015 als Küchenhilfe auf 450 Euro-Basis beschäftigt. Die Wirtsleute merken schnell, dass er sehr geschickt mit dem Messer ist. Was ihn darüber hinaus auszeichnet, sind sein überdurchschnittliches Engagement und die Motivation, mit der er die Arbeit erledigt, aber auch seine ausgeprägt höflichen Umgangsformen. Durch sein freundliches Wesen ist er schnell in den familiären Betrieb eingebunden, wie Nadine Strathmann bildhaft beschreibt: "Unsere Mitarbeiter haben Integration sofort gelebt – da bringt man nach Feierabend den neuen Kollegen nach Hause, weil kein Bus mehr fährt und organisiert gleich die nächste Teamparty, damit er sich auch im Kreise der Hotelfamilie zu Hause fühlt." Gemeinsam wurde überlegt, was gemacht werden kann, um Avat Sheykhe Pour eine Perspektive bei Kiekenstein zu geben; schnell fällt der Entschluss für eine Ausbildung zum Koch. Bereits ab Februar wurde von der Arbeitsagentur eine Einstiegsqualifizierung (EQ) möglich gemacht. Nadine Strathmann lobt, dass es mit der Einstiegsqualifizierung im Zusammenspiel der Ämter sehr schnell geklappt hat. Avat Sheykhe Pour nahm als Gastschüler am Unterricht der EQ bei der BBS Holzminden teil. Bei der Gelegenheit begann er, in den Pausen sein Fachbuch auf Persisch zu übersetzen. Seine Deutschkenntnisse vertieft und verfeinert der Iraner per Online-Kursen. Die Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages zum Koch ab dem 1. August 2016 war nur noch der nächste logische Schritt. Foto: privat

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