RODENBERG/BAD NENNDORF (al). Landvermesser Friedrich Christian Diedrich Scheller hat ganze Arbeit geleistet. 1790 war er im Auftrag des hessischen Landgrafen unterwegs, um die "mineralischen Quellen zu Nenndorf und Rodenberg" zu kartieren. Doch er zeichnete auch zahlreiche weitere lokale Details ein. Jetzt, 225 Jahre später, ist die Karte wieder aufgetaucht – und als Reproduktion erhältlich.
Den durchaus spektakulären Fund machte der Rodenberger Rudolf Zerries bei einer Internetauktion. Ein Anbieter in Südwestdeutschland wollte das Original aus dem Nachlass einer Gräfin verkaufen. Die Adelsfamilie hatte ihre Wurzeln in Nordhessen und war wohl auf diese Weise in den Besitz des Kupferstichs gelangt. Einige weitere Exemplare sollen wohl noch erhalten sein, unter anderem in Archiven. Zerries zögerte nicht: Das aufschlussreiche Dokument sollte zurück in seinen Ursprungsbereich gelangen. Mehr noch: Der Verleger, der bislang drei Julius-Rodenberg-Bücher in eine heute lesbare Form gebracht hat, wollte das 52 mal 75 Zentimeter große Blatt nicht für sich allein behalten. Er gab Reproduktionen in Auftrag, die ab sofort in der Rodenberger Deisterbuchhandlung sowie dank einer ISBN-Nummer (978-3-9818134-2-5) in allen weiteren Buchläden zum Preis von 14 Euro samt eines von ihm verfassten Erläuterungsblatts erhältlich sind. Wer ein auf Leinwand gezogenes Exemplar erwerben will, sollte sich direkt an ihn wenden. Bevor der dekorative Schmuck aber die Wohnzimmerwand ziert, sollte er mit der Lupe genau inspiziert werden. Zerries schwärmt noch immer voller Begeisterung über die geradezu verblüffenden Details: "Weitgehend hausgenau" seien die damals vorhandenen Gebäude von Rodenberg und Grove, Klein und Groß Nenndorf, Waltringhausen und Horsten eingezeichnet. Jeder Weg, Bachläufe und Stadtgraben, Kleingärten, selbst Weideland in seinen Grenzen oder Äcker sind zu finden. Zwar waren in jener frühen Zeit der Landesvermessung Höhenlinien noch nicht erfunden. Doch sind Erhebungen dunkel eingefärbt. Ganz deutlich sind am Rand von Rodenberg der "Gesundbrunnen" und der angrenzende kleine Kurpark, die Saline und "Siedekaten" im Süden der Stadt sowie alle Straßen eingezeichnet. In Grove markierte der Landmesser neben den Wohngebäuden gar deren Grundstücksgrenzen. Die Verbindung nach Algesdorf hieß in jener Zeit "Sachsenhäger Weg" als Hinweis auf die nächst erreichbare Stadt. Die Allee in Richtung Bad Nenndorf gab es in jener Zeit noch nicht: Kur- und Badegäste, die damals in Rodenberg logierten, mussten bei einem Besuch der ersten Einrichtungen in Nenndorf einen Umweg machen: Eine baumbestandene Verbindung führte zunächst schnurgerade in Richtung Horsten, um in Höhe des Kraters nach rechts abzubiegen. Eine unerschöpfliche Fundgrube ist das Kartenblatt bei der Suche nach Flurnamen und Wegeverbindungen – auch für die Bereiche um Nenndorf, Waltringhausen und Horsten. Einige längst vergessene Flurnamen sind verzeichnet; andere werden in ihrer damals gebräuchlichen Form genannt. Nicht nur Rudolf Zerries dürfte das Blatt noch oft zur Hand nehmen und neue Entdeckungen machen. Hiesige Heimatforscher wie auch Interessierte an der lokalen Entwicklung können sich auf viele neue spannende Erkenntnisse freuen. Nur an die Darstellung müssen sie sich gewöhnen: Der obere Kartenrand zeigt nach Osten. Foto: al