1. Süßes als Symbol der Versöhnung dabei

    Stolpersteine in Rehburg mit jüdischen Nachfahren aus den USA verlegt / Keine Bitterkeit gegen die Stadt verspürt

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    REHBURG (jan). Nachfahren von Opfern des Nationalsozialismus hat der Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum auch bei seiner dritten Stolperstein-Verlegung zu Gast gehabt. Welche politische Bedeutung solchen Aktionen und solchen Besuchen zukommt, hat Rehburg-Loccums Bürgermeister Martin Franke betont.

    Ein Glas mit bunten Dragees, mitgebracht aus den USA und Martin Franke als Vertreter der Stadt überreicht, steht als Symbol für Versöhnung. Sie spürten keine Bitterkeit gegen die Menschen aus dieser Stadt, sagte Dena Mason-Zied, deshalb schenkten sie etwas Süßes. Mason-Zied ist gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Mutter und deren Schwester samt Ehemann aus Ohio zur Stolperstein-Verlegung nach Rehburg gekommen. Gemeinsam mit vielen Rehburg-Loccumern sind sie dabei gewesen, als der Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine für ihre Vorfahren in Rehburg verlegt hat. Für Selma und Julius Löwenberg, von denen Mason-Zieds Mutter und deren Schwester die Enkelinnen sind und die von den Nazis ermordet wurden. Und für die Töchter dieses Ehepaares, Gertrud und Frieda, die die Flucht vor den Nazis über Bolivien in die USA schafften und deren Töchter wiederum bei der Verlegung dabei waren. Alle vier, für die Stolpersteine verlegt wurden, hatten zuvor in Rehburg gelebt – und wenn es anders gekommen wäre, könnte der Besuch aus den USA womöglich heute zu den Nachbarn, den Arbeitskollegen, den Freunden oder womöglich sogar zur Familie derjenigen gehören, die nun hier lebten, sagte Franke. Er hatte die Familie vor der Verlegung ins Rathaus eingeladen und sie gebeten, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Damit ist es bereits der fünfte Besuch von Nachfahren der jüdischen Gemeinde, die es einmal in Rehburg gab, der in dieses Buch hineinschrieb. Die dritte Verlegung ist es für den Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum gewesen. Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus nachzuvollziehen, anhand dessen Lebensgeschichten schreiben und die Steine verlegen zu lassen hat der Arbeitskreis – in erster Linie dessen Mitglied Heinrich Lustfeld - mittlerweile für 29 Menschen gemacht. Einige weitere Namen hat er zwar noch genannt bekommen, zu deren Leben er aber nichts in Erfahrung bringen konnte. Was im kommenden Jahr gemacht werden solle, sagte Lustfeld, sei noch die Verlegung einer Stolperschwelle vor der ehemaligen Synagoge in Rehburg, um auf die Bedeutung dieses Ortes hinzuweisen. Zwei Stolpersteine liegen jedoch bereits jetzt vor der Synagoge, für Sigmon und Anna Stern, ein Ehepaar, das dort lebte und ebenfalls von den Nazis ermordet wurde. An einer dritten Stelle ist der achte Stein des Tages in das Pflaster des Fußweges eingelassen worden. Hermann Levy wurde nicht ermordet, musste aber in die USA fliehen, nachdem er nach der Pogromnacht vom Mob auf Rehburgs Straßen zunächst abgeführt und dann in das Konzentrationslager Buchenwald verfrachtet worden war. 30 Prozent der Deutschen seien nach jüngsten Erhebungen antisemitisch eingestellt, sagte die Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Ingrid Wettberg, in ihrer Ansprache. Noch notwendiger als vor drei Jahren, als der Arbeitskreis mit seinen Recherchen begann, sieht auch Martin Franke die Aktionen an. Er sei überzeugt, dass "wir" Verantwortung übernehmen müssten und dafür Sorge tragen, Brücken zu bauen, nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame zu betonen. Wichtig sei das insbesondere in einer Zeit, in der in deutsche Parlamente Parteien einzögen, die eine unverhohlen fremdenfeindliche Rhetorik pflegten und nichts anderes zu bieten hätten als den Hass auf alles, was anders sei. In einer Zeit, in der ein Mann Präsident werden wolle, der ebenfalls unverhohlen fremdenfeindlich agiere und genetische Ursachen ins Feld führe, weshalb Angehörige einer bestimmten Religion per se nicht "amerikanisch" seien. In einer Zeit, in der in Syrien und anderswo grausamste Kriegsverbrechen begangen würden, in der humanitäre Hilfslieferungen und Hochzeitsfeiern bombardiert würden und in der Kinder aufwüchsen, die nichts anderes kennten als töten oder getötet werden. Foto: jan

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