LANDKREIS (sk). Mit ihrem ersten Stück "Alptraum" hat die gleichnamige Theatergruppe um den irakischen Regisseur und Flüchtling Rushdi Al Fatlawi im Landkreis Schaumburg bereits große Erfolge gefeiert. Ihr zweites Bühnenwerk, "Bullet", hatte im Juni in der Prince Rupert School in Rinteln seine Premiere und wurde ebenfalls stark bejubelt. Nun folgen in der kommenden Woche vier Aufführungen in Stadthagen, Hameln, Rinteln und Porta-Westfalica.
Seit Wochen proben die ca. 15 jugendlichen Flüchtlinge für ihre kleine "Tournee" in ihrer ehemaligen Unterkunft im Wilhelm-Busch-Weg. Mittlerweile sind die ehemaligen Bewohner der Flüchtlingsunterkunft auf Kommunen in Niedersachsen verteilt worden. Die Mitglieder der Theatergruppe konnten aber alle im Raum Rinteln verblieben. Bis zur endgültigen Schließung der Unterkunft Ende September darf Gruppe die Räumlichkeiten noch für ihre Proben nutzen. Danach müssen sie sich andere Räume suchen. "Bullet", das englische Wort für Projektil oder Gewehrkugel, zeigt in elf Szenen die vom Terror geschüttelte Lebenswirklichkeit im Irak. Anmut und Ästhetik der jungen Tänzer bilden dabei einen faszinierenden Kontrast zum Grauen der dargestellten Geschichte. Das Schicksal eines jungen Paares, dessen Leben und Träume gewaltsam zerstört werden, steht exemplarisch für das Massaker von Tikrit. Im Jahre 2014 wurden dabei mehr als 1.700 junge Männer einer irakischen Kadettenschule (Camp Speicher) von der Terrormiliz ISIS entführt und exekutiert. Ein Ereignis, das die gesamte irakische Bevölkerung tief getroffen und erschüttert hat, wie Al Fatlawi im Interview zu den Proben berichtete. Die Medien könnten immer nur kurze Augenblicke der Geschehnisse aufgreifen, meinte Al Fatlawi. Er möchte mit dem Stück den Zuschauern die Emotionen des irakischen Volkes nahe bringen. Und: "Oft wird darüber spekuliert, dass die Menschen aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommen. Dabei fliehen wir vor einem Leben, dass in allen Teilen von Terror und Grauen bestimmt und dominiert wird." Dinge, die auch Al Fatlawi und seine Familie zur Flucht bewegten. Durch seine kritische Arbeit als irakischer Theaterregisseur und Filmemacher geriet der 37-Jährige ins Fadenkreuz der Terroristen. Auf offener Straße entführten Bewaffnete seinen damals zweijährigen Sohn und ließen ihn nur gegen ein hohes Lösegeld wieder frei. Nach etlichen Todesdrohungen begab er sich mit seiner Frau und den beiden Kindern auf die Flucht. Seit Oktober 2015 lebt die Familie in Rinteln. Inzwischen hat auch sein älterer Bruder Mahdi Al Fatlawi hier in Rinteln eine sichere Heimat gefunden. Der ehemalige Kameramann kümmert sich nun um die atmosphärische Beleuchtung des Theaterprojektes. Schonungslos zeigt "Bullet", was die irakische Bevölkerung tagtäglich erleben muss: Angst vor Terror und Gewalt durch IS-Banden, Verzweiflung und Trauer um die verlorenen Menschen sowie Wut und Hass auf die Täter und ein Regime, das nicht in der Lage ist sein Volk zu beschützen. Al Fatlawi möchte nichts beschönigen oder relativieren, sondern die Realität darstellen. Auch wenn er damit den Zuschauern einiges zumutet. Dazu gehören auch Schockmomenten, wie etwa das Massaker an einer Hochzeitsgesellschaft. Am Ende bleibt nur die Frage nach dem "Warum?". Die Termine der Aufführungen: Montag, 26. September um 19:30 Uhr in Stadthagen im Ratsgymnasium, Dienstag, 27. September um 19:30 Uhr in Hameln im Kulturzentrum Sumpfblume, Donnerstag, 29. September um 19:30 Uhr in Rinteln im Brückentorsaal, Freitag, 30. September um 20:00 Uhr in Porta Westfalica im Städtischen Gymnasium. Karten sind an der Abendkasse für fünf Euro erhältlich. Foto: sk