REHBURG (jan). Jedem Besucher fällt es sofort ins Auge. In großen Lettern steht an der Wand im Rehburger "Bahndamm-Atelier", was Joseph Beuys einmal gesagt hat: "Jeder ist ein Künstler." Nach diesem Motto lebt und arbeitet die Keramikerin Brunhilde Ahrens – dann, wenn sie selbst mit Ton arbeitet und auch dann, wenn sie anderen in ihren Kursen Lust auf Kunst macht und deren kreative Seiten hervorlockt.
Eine klassische Ausbildung zur Keramikerin oder auch ein Kunst-Studium – das kann Brunhilde Ahrens nicht vorweisen und das ist vermutlich auch ganz gut so. Denn könnte sie sonst so frei mit Kunst umgehen und so unbeschwert jedem, der in ihrem Atelier einen Keramik-Kurs bucht, deutlich machen, dass jeder ein Künstler ist? Dass das, was sie macht und das, wozu sie andere animiert, Kunst ist, daran besteht kein Zweifel. Aktuell ist das einmal mehr in der "Romantik Bad Rehburg" zu sehen, wo noch bis zum 25. September die Ausstellung "Kopfsache" steht. 40 Arbeiten von fast ebenso vielen Künstlern, die sich Kunst in Ahrens Atelier zugetraut haben, ruhen dort auf Sockeln. Einen Keramik-Kursus zu belegen, das höre sich doch ein bisschen so an wie "Mutti geht töpfern", lacht Ahrens und weist das im nächsten Atemzug weit von sich. Wer ein Kaffeekränzchen erwarte, der sei in ihren Kursen nicht richtig. wGläser voller Handwerkzeug stehen auf dem Tisch, an der Wand das Zitat von Beuys und auf einer schlichten schwarzen Tafel wird das Brainstorming festgehalten. Als Anregung und um ein Ziel vorzugeben, wirft Ahrens üblicherweise ein Thema in die Runde. Ganz schlicht kann das "Herbst" sein. Oder eben – schon etwas verzwickter –"Kopfsache". Einige Kopf-Schlagworte stehen noch auf der Tafel: Dickkopf, kopflos, Kopfkino und auch "Kopf hoch!". Nach der Ideensuche geht es los, dann wird gearbeitet, viel geredet und gelacht. Erst dann, meint Ahrens, kann es kreativ werden. Wenn auch gelacht wird. Zum Jubiläumsfest im Kloster Loccum hatte sie 2013 "Hühnchen" zum Thema genommen. Die sollten im Kloster ausgestellt werden. Hintergrund war die Sage vom "Hühnchen, das nach Loccum wollte". Die Hühnchen waren eine wirkliche Bereicherung des Festes, wie sie dort an etlichen Orten im Kloster, auf Strohballen platziert, die Blicke auf sich lenkten. Die kleine Frechheit, die sich die Gruppe mit einem Hühnchen erlaubt hatte, bemerkte damals niemand: ein tönernes Federvieh trug nicht nur den Siegelring eines Papstes am Flügel, sondern hatte auch eine Mitra aufgestülpt, die bei flüchtiger Betrachtung reichliche Ähnlichkeit mit einer Narrenkappe hatte. Ein bisschen frech darf es also gerne sein. Ihre "Schnürbrust" ist ein Beispiel dafür. Als die GEDOK – eine Künstler-Vereinigung von Frauen – vor einigen Jahren eine Gemeinschaftsausstellung unter dem Titel "Romantik" machen wollte, war diese Schnürbrust ihr Beitrag. Nach einem Vorbild aus dem Jahr 1780 fertigte sie ein Korsett an – statt aus Stoff und Drähten besteht dieses filigrane Kleidungsstück aber aus Keramik. Irgendwo zwischen Idealisierung und Karikatur ist das starre und vermeintlich kleidsame Korsett anzusiedeln – damit überzeugte sie seinerzeit die Jury und durfte ihre Arbeit innerhalb der Ausstellung zeigen. Ganz und gar nicht karikaturistisch hingegen ist der Mantelkragen, den sie auf einen Kleiderbügel getöpfert und an anderer Stelle gezeigt hat. "Bergen bei Celle" steht auf dem alten Bügel. Als er ihr in die Hand fiel, war auch schon die Idee da. Ein tönerner Beutel für Kleingeld, eine stählerne Kette und der Mantelkragen wanderten auf den Bügel, viele kleine Davidsterne zieren den Kragen. Ein Kunstwerk, bei dem im Gehirn des Betrachters beim genauen Hinschauen Bilder des Grauens entstehen. Die leichte Seite der Kunst und deren dekorative Seiten bekommt hingegen jeder Besucher des Bahndamm-Ateliers – so benannt nach der Straße, in der es sich in Rehburg befindet – bereits am Gartenzaun zu Gesicht. Eine überdimensionierte Pusteblume steht direkt hinter dem Tor, aus Ton, mit Stahl kombiniert. Einige Schritte weiter schaukeln kleine Keramik-Boote in Reihe auf einer Eisenbahnschwelle, stehen Skulpturen frei auf den Rasenflächen, während andere nach und nach von der Natur erobert werden. Einige Fische ruhen im Kiesbett unter einer Hänge-Buche. Wer sie sehen will, muss die Zweige beiseite schieben. Zwei alte Sofas aus Rattan genießen ihren Lebensabend in einem entlegeneren Teil des Gartens. Efeu hat eines der Sofas schon nahezu überwuchert. Malerisch sieht das aus. So ist dieser Garten Ausstellungsraum und Gesamtkunstwerk und wächst Jahr für Jahr um ein wenig Keramik-Kunst an. Vielseitig arbeitet Ahrens also. Und vielseitig ist auch die Ausbildung, die sich die Autodidaktin in den rund 30 Jahren, seit sie die Keramik für sich entdeckt hat, selbst zusammenstellte. Bücher lesen war die eine Seite dabei, noch mehr aber Seminare, die sie sich in weitem Umkreis und zu vielen Themen suchte. Das Handwerk, das hinter Keramiken steckt, ist dabei nur eine Seite. Bildhauern, mit Pappmaché arbeiten, LandArt gestalten und andere Seiten der Kunst hat sie bereits ausprobiert. Auf einer Staffelei im Atelier steht ein Bild – auch an Leinwand und Pinsel versucht sie sich. Um auf viele Eventualitäten in den Seminaren vorbereitet zu sein, hat sie außerdem Fortbildungen in Pädagogik absolviert, hat sich in Architektur und Kunstgeschichte ausbilden lassen, ist Gästeführerin geworden und hat Kirchenraumpädagogik gelernt. Einen Schwerpunkt in ihrer Ausbildung hat sie auch auf Erwachsenen-Bildung gelegt. Die Ausstellung "Kopfsache" in der "Romantik Bad Rehburg" ist noch bis zum 25. September zu sehen. Geöffnet ist dienstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr. Foto: jan